Drohnen für die EU-Grenzen

Mit der Förderung von Sicherheits- und Überwachungstechnik will die EU sich weiter zur Festung aufrüsten und in Konkurrenz zu der hoch subventionierten Sicherheitsbranche der USA treten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während in den USA die Regierung und gegen die Einwanderung agierende Organisationen die Grenzen vor allem nach Mexiko mit mehr Personal, einem Grenzzaun und Überwachungstechnik möglichst dicht machen wollen (Das texanische "Virtual Border Watch Program"), wird auch die „Festung Europa“ weiter ausgebaut, um vor allem illegale Einwanderer aus Afrika abzuwehren.

Nachdem sich durch den Ausbau der Grenzanlagen in Ceuta und Melilla und die stärkere Überwachung der Mittelmeerküste durch das SIVE-System die Immigrantenströme aus Schwarzafrika verlagert haben und die Kanarischen Inseln zum Zielpunkt werden, setzt die EU Kriegsschiffe, die neue geschaffene europäische Grenzbehörde Frontex und Satellitenüberwachung ein, um Flüchtlingsschiffe zu entdecken (Sechs Satelliten sollen Flüchtlinge aufspüren).

Wie der Independent berichtet, sollen nun auch vermehrt Drohnen zur Überwachung der Grenzen eingesetzt werden, um Menschenschmuggel, illegale Immigration und irgendwie auch Terrorismus zu bekämpfen. Eingesetzt werden sollen die Drohnen an der Mittelmeerküste, in der Nordsee oder auch im Balkan. Im Rahmen eines Pakets in Höhe von einer Milliarde Euro sollen die Drohnen neben anderen Überwachungstechniken gekauft werden.

In Belgien oder in Italien, das 2004 bereits einige Predator-Drohnen gekauft hat, werden die unbemannten Überwachungsflugzeuge bereits eingesetzt. Ein Mitarbeiter der EU-Kommission sagte dem Independent über das Vorhaben: „Wir sind davon überzeugt, dass dies eine sehr gute Möglichkeit ist, militärische Techniken für nicht-militärische Zwecke zu nutzen. So gibt es ein vom französischen Rüstungskonzern Dassault Aviation geleitetes Konsortium für das BSUAV-Projekt (Border Surveillance by Unmanned Aerial Vehicles)- Dassault hat bereits einen Prototypen für Hubschrauberdrohnen zur Überwachung des Meers (MARIUS) entwickelt

Der Independent weist in diesem Zusammenhang auf den von Statewatch und dem Transnational Institute Ende April veröffentlichen Bericht Arming Big Brother hin, der ausführt, dass die EU im Hinblick auf die Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechnologien mit den USA mithalten will. Neben der Rüstungstechnologie ist die Sicherheitstechnologie, begründet durch den Antiterrorkampf und nun auch zur Abwehr von Immigranten und zur Bekämpfung von Kriminalität eingesetzt, zu einem attraktiven Markt geworden, den die US-Regierung mit vielen Milliarden Dollar subventioniert.

„Wir brauchen“, so EU-Kommissar Günter Verheugen, „die neuesten Technologien und ein umfassendes Wissen, wir brauchen eine konkurrenzfähig starke und unabhängige europäische Forschungs- und Industriebasis und einen korrespondierenden Markt für Sicherheitslösungen.“ Die EU befürchtet zu Recht, hier ähnlich wie in der Rüstungstechnik von der staatlich unterstützten Industrie der USA abgehängt zu werden und einen internationalen Wachstumsmarkt zu verpassen. Daher hat die EU-Kommission unter dem Druck der Lobby das mit Industrievertretern aus der Rüstungsindustrie, Leitern von Forschungseinrichtungen und Politikern besetzte Beratungsgremium „Group of Personalities“ (GoP), später European Security Research Advisory Board (ESRAB), eingerichtet und dann 2004 das Forschungsprogramm European Security Research Programme (ESRP) beschlossen, das ab 2007 über ein jährliches Budget von einer Milliarde Euro verfügen und die Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechniken fördern soll (Milliarden für die Sicherheitsforschung).

Die Höhe der Gelder wurde noch nicht festgelegt. Bislang zirkulieren unterschiedliche Zahlen. Verheugen hat nur noch von 250 Millionen Euro gesprochen. In dem Budgetvorschlag für das siebte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration 2007-2013 (FP7) sollen für diesen Zeitraum 3,9 Milliarden Dollar für den Bereich „Sicherheit und Weltraum“ bereitgestellt werden. Das wären 570 Millionen jährlich. Für Informations- und Kommunikationstechnologien sollen 12 Milliarden zu Verfügung stehen. "Die Informations- und Kommunikationstechnologien machen einen erheblichen Teil der europäischen Rüstungsforschung aus und sind von grundlegender Bedeutung für die Sicherung einer wettbewerbsfähigen technologischen und industriellen Basis", hatte 2004 der damals für die Informationsgesellschaft zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen zur Förderung der Sicherheitsforschung erklärt.

Ben Hayes, Autor des Berichts "Arming Big Brother“, vermutet, dass nicht nur aus dem Topf für IuK-Technologien weitere Gelder kommen werden, sondern auch aus den oft nur vage beschriebenen Forschungsfeldern wie „Ideen“ oder „Kapazitäten“. Der Bereich „Sicherheit und Wissenschaft“ sei ähnlich definiert wie im Star 21-Bericht, in der Europäischen Sicherheitsstrategie, im GoP-Bericht und der Mitteilung der EU-Kommission über die Sicherheitsforschung.

2004 startete man zunächst mit einer dreijährigen “vorbereitenden Maßnahme”, im Rahmen derer bereits erste Projekte gefördert werden, darunter auch das Projekt „Safer European borders“. Die 6.000 Kilometer lange Landgrenze und die 85.000 Kilometer lange Seegrenze soll hier gegen „illegale Immigranten, Drogenschmuggler und Terroristen“ geschützt werden. Weitere Vorhaben sollen die Sicherheit für Eisenbahn und Flughäfen sowie Computernetzwerke erhöhen. Es wird an bessere Systeme für das Krisenmanagement gedacht, an Abwehrsysteme für Flugzeuge gegen MANPADS, verbesserten Informationsfluss für die Geheimdienste, tragbare Geräte, mit denen sich durch Mauern in Gebäude sehen lässt und Menschen in diesen verfolgt werden können, oder eine standardisierte Schnittstelle zwischen sicheren Containern oder Fahrzeugen und Lesegeräten durch RFID-Technik. Ein Projekt soll auch der Frage nachgehen, wie neue Überwachungstechnologien in Übereinstimmung mit dem Datenschutz und den Menschenrechten stehen können. Kritik der Bürgerrechtsorganisationen richtet sich vor allem dagegen, dass die Sicherheitsforschung eine militärische Ausrichtung hat und in vielen Projekten die großen europäischen Rüstungskonzerne das Sagen haben.

Im Februar 2006 fand die erste, nach Ansicht der österreichischen EU-Präsidentschaft sehr erfolgreiche Europäische Konferenz über Sicherheitsforschung in Wien statt. Unter der deutschen EU-Präsidentschaft soll eine weitere Konferenz folgen.

Ben Hayes kritisiert in dem Bericht vor allem, dass die von der Kommission geplante Sicherheitsforschung bislang nicht im EU-Parlament diskutiert werden konnte. Zudem würde die geplante Sicherheitsforschung öffentliche Gelder vornehmlich dem „Militärisch-industriellen Komplex“ zukommen lassen, der sich auf die profitable Sicherheitstechnologie umstellen will. Das führe zu einer „Militarisierung der Polizei- und Grenzkontrollen“, die aber Verbrechen und Terrorismus nicht verhindern könnten, weil man damit nicht deren primären Ursachen bekämpfe, aber die bürgerlichen Freiheiten massiv bedrohe. Aber das ist der Fall ganz unabhängig davon, ob nun die Rüstungskonzerne oder andere Unternehmen Sicherheitstechnologien entwickeln, die dann von den europäischen Staaten gekauft und eingesetzt werden.