Archaische Bilder vom Sieg

Die Ikone Sarkawi: Das Pentagon und die Präsentation der erlegten oder gefangenen Gegner

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Tötung des irakischen Terrorführers Sarkawi wurden von der US-Regierung und dem Pentagon nicht nur gebührend gefeiert, selbst wenn man gelernt hat, den Erfolg nicht schon als Ende des Terrors und des Widerstands zu bezeichnen (Terroristenführer Sarkawi getötet). Wie schon nach der Tötung der beiden Hussein-Söhne und der Gefangennahme von Saddam Hussein wurde die erfolgreiche Operation auch multimedial aufbereitet, um ihr auch den richtigen Dreh zu geben.

Bilder wie dieses von der Pressekonferenz in Bagdad gingen durch die Medien auf der ganzen Welt. Foto: AFP

Eigentlich ist es seltsam, dass in unserem medialen Zeitalter, in dem Bilder wichtig sind und mit diesen Politik gemacht wird, auch die Medien selbst so wenig reflexive Aufmerksamkeit auf die Bilder richten. So haben zwar viele Medien Bilder veröffentlicht, auf dem US-Soldaten zu sehen, die in einer Pressekonferenz Fotografien vom erfolgreichen Schlag gegen die Führung von al-Qaida im Irak zeigen, darunter auch eine Fotografie vom Gesicht des toten Sarkawi – wie alle anderen Fotografien schön hergerichtet in einem Rahmen, der wie ein Goldrahmen aussieht, als ob man sie nach der Veranstaltung in ein Wohnzimmer hängen oder gar als Ikone an einen bedeutungsvollen Ort platzieren würde, wie dies das Foto unten aus der New York Times denn auch zu suggerieren scheint.

Als die beiden Hussein-Söhne im Juli 2003 getötet wurden, sah das Pentagon darin bereits einen Wendepunkt des Irak-Krieges. Zunächst wurden von den Toten keine Fotografien gezeigt. „Es gibt ein Problem, wenn die Amerikaner Fotos zeigen", hatte damals General Sanchez gesagt.

Die beiden für die Medien vom Pentagon ausgestellten Leichname der Hussein-Söhne

Als sich dann aber herausstellte, dass die Menschen im Irak an der Information zweifelten, wurden schließlich doch Bilder der beiden Brüder in der Leichenhalle gezeigt. Die Wunden in den Gesichtern waren weitgehend beseitigt, die Bärte gestutzt worden (Die Erfolgsgeschichte und der Dollar-Opportunist).

Später wurden dann die unwirklich wirkenden Gesichter nach der Autopsie mit den „echten“ Fotografien der Toten verglichen, hier ist es Uday Hussein

Sehr viel stärker inszeniert wurde allerdings die Gefangennahme von Saddam Hussein selbst. Dass er verdreckt, verstruppelt und einsam in einer tiefen Erdhöhle versteckt gefunden wurde und zunächst verwirrt wirkte, wurde demonstrativ der Öffentlichkeit vorgeführt, um seine möglichen Anhänger zu entmutigen (Saddam Hussein festgenommen).

Vermeiden wollte man auf jeden Fall, dass Hussein tot als Märtyrer oder lebendig Held dargestellt werden könne. Insofern war, wie aus dem Pentagon verlautete, der heruntergekommene Zustand des gestürzten Diktators hoch willkommen – und wurde auch entsprechend unter den Titel „We got him!“ ausgeschlachtet, bis hin zur medizinischen Untersuchung, die man den Medienleuten und der Öffentlichkeit in Form eines Video präsentierte. Gerüchte über Inszenierungen der Amerikaner kamen gleichwohl auf (US-Regierung erneut im Propagandakrieg?).

Das erste Bild, das das US-Kommando vom getöteten Sarkawi zeigte.

Nun also der große Fang Sarkawi, den die US-Regierung nach Bin Laden und Saddam Hussein als Verkörperung des Bösen aufgebaut und damit in seiner strategischen Bedeutung wohl ziemlich überschätzt hatte. Doch die Medienstrategen setzen offenbar auf die Personalisierung, weil dies für die Menschen eine eingängigere Botschaft vermittelt und zu demonstrieren scheint, dass das Böse aus der Welt geschafft ist, wenn der Böse eliminiert wurde. Das ist freilich nicht nur eine Medienstrategie des Pentagon, sondern der Versuch, den Gegner zu „enthaupten“, um ihn wehrlos zu machen, stand etwa auch am Beginn des Irak-Krieges und wurde auch noch einmal deutlich, als die beiden Hussein-Söhne getötet und Saddam selbst gefangen wurde. Dass der islamistische Terrorismus und der irakische Widerstand nicht auf einen Führer und eine autoritär und hierarchisch strukturierte Organisation beruhen, hatte sich den Spindoktoren des Pentagon immer wieder ebenso gezeigt, wie die nachteiligen Folgen einer zu schnellen Verkündigung eines Wendepunktes oder des Sieges.

Nun zeigt das später veröffentlichte Foto schon den ästhetisch appetitlich präparierten, aber gleichzeitig auch friedlich ruhenden Terrorchef.

Hatte Husseins Gefangennahme der damalige irakische Präsident Talabani verkünden dürfen, war es dieses Mal der neue Regierungschef Nuri al-Maliki, der die frohe Botschaft von der Tötung Sarkawis und einigen seiner Anhänger durch zwei Bomben mitteilen durfte. Das Pentagon stellte auch bald ein erstes Foto bereit, das Sarkawis ziemlich zugerichtetes Gesicht zeigt. Zur Beglaubigung wurde auch ein Video von einer Flugzeugkamera gezeigt, wie die Bomben präzise das Haus zerstörten und die Terroristen unter sich begrub, dazu gibt es Fotos vom zerstörten Haus.

Bei der konservativen New York Post feiert man zynisch den Sieg

Der ein wenig rundliche gewordene Sarkawi, der „Schlächter von Bagdad“, hatte selbst den Fehler gemacht, sich für alle erkenntlich identifizierbar zu machen, indem er vor kurzem ein Video mit Bildern von sich aus Eitelkeit oder aus der Notwendigkeit heraus im Netz verbreitete, sich als zu allem entschlossener und kampfbereiter Führer zu zeigen und damit zu dementieren, dass er mit seiner Gruppe im Irak weitgehend isoliert war und abgelehnt wurde. So also konnte das US-Militär nicht nur vor Ort, das Gesicht des Getöteten mit den Videoaufnahmen vergleichen, sondern diesen Vergleich über Fotografien auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Womit wir wieder bei den seltsam gerahmten Fotografien wären, die US-Soldaten den Medien präsentierten.

Auf dieser Fotografie von Reuters während der Pressekonferenz ist Sarkawis Bild bereits zur Ikone geworden

Natürlich ist es eine einfache, archaische und ästhetisch eindrucksvolle Geste des Siegers, zum Beweis seines Erfolgs den Leichnam oder den Kopf des Getöteten zu präsentieren. Sarkawi hatte diese Geste auch vollzogen, indem er Gefangene köpfte oder köpfen ließ und den abgeschnittenen Kopf als Beweis in die Kamera hielt. Das zeugt nicht nur vom Sieg, sondern soll die Gegner auch einschüchtern. Der Presse zeigte das Pentagon aber schließlich in einem sorgsam gerahmten Bild den wieder von den schlimmsten Verletzungen gereinigten Kopf des toten Terroristenführers. Friedlich, mit geschlossenen Augen und schön frisiert ist Sarkawis Kopf zu erkennen und wirkt auf dem Bild, als sei der Kopf vom Rumpf getrennt worden. Zudem wird die Präsentation durch den Rahmen auch auratisiert – ganz anders also als im Fall von Husseins Gefangennahme, wo es um die Demütigung ging.

Man feiert nicht nur den Sieg über den Bösen, sondern lässt den erlegten Gegner mit der Auratisierung als eine Art Ikone auch als große Person erscheinen, was einerseits den Sieg noch größer macht, andererseits aber den Gegner erhöht. War dies von den militärischen Spindoktoren und PsyOp-Experten gewünscht? Oder ging die Präsentation des Ereignisses, die sich einer globalen Medienöffentlichkeit sicher sein könnte, daneben?