Israelisches Militär bombardiert palästinensische Familie beim Picknick

Hamas kündigt erstmals seit November 2004 wieder Anschläge in Israel an

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Letzten Freitag entschloss sich die palästinensische Familie Ghalya zu einem Picknick am Strand von Gaza, dass sie nicht überleben sollte. Eine israelische Granate zerriss die Eltern und fünf ihrer Kinder im Alter von 1 bis 17 Jahren. Nur die siebenjährige Hadil überlebte. Fernsehkameras zeigten das Mädchen inmitten der Rettungsarbeiten schreiend zwischen den Mitgliedern ihrer toten Familie zusammenbrechen. Ein israelischer Regierungssprecher entschuldigte sich zwar für den Tod der Zivilisten und erklärte, dass das Militär normalerweise nur „chirurgische Schläge“ durchführe. Die 5.000 israelischen Raketen, Panzer- und Geschützgranaten, die allein im April im Gazastreifen einschlugen, sprechen aber eine andere Sprache. Vom israelischen Militär wird weiterhin die Möglichkeit erwogen, dass die Explosion durch Palästinenser verursacht worden sein könnte, wofür es allerdings keinen Hinweis gibt.

Das Militär tötete am Freitag insgesamt 14 Menschen im Gazastreifen. Bereits am Donnerstag wurden Jamil Samhadana und drei weitere Menschen von einer Rakete getroffen. Er war der Anführer der Volkswiderstandskomitees, einem Bündnis verschiedener Bewegungen im Gazastreifen. Samhadana war auch der Leiter der 3.000-köpfigen Hamas-Sondereinheit in Gaza.

Foto: al-Dschasira

Unter dem Eindruck der Toten kündigte die Hamas ihren 18-monatigen einseitigen Waffenstillstand mit Israel und schoss selbstgebaute Raketen über die seit Anfang der 90er Jahre hermetisch abgesperrte Grenze nach Israel. Eine Person wurde verletzt. Die israelische Luftwaffe flog Angriffe und tötete zwei Hamas-Kämpfer. Bereits am Samstag erklärte Israelis Verteidigungsminister, der als „linke Hoffnung“ angekündigte Chef der Arbeitspartei, Amir Peretz, dass Israel seine Attentate gegen Hamas-Führer wieder aufnehmen wolle, nachdem die Gruppe den einseitigen Waffenstillstand abbrach. Dass Israel diese Angriffe in der Vergangenheit einstellte, blieb in den palästinensischen Gebieten allerdings unbemerkt.

Trotz der sich häufenden israelischen Angriffe und der sich vermehrenden Totenzahlen der letzten Monate hat die Palästinenser der Tod fast der gesamten Ghalya-Familie sehr getroffen. Die Ausweglosigkeit der eigenen Lage und die Ungeschütztheit des eigenen Lebens an jedem Ort wurde den Menschen in den besetzten Gebieten durch den Tod am Strand drastisch vor Augen geführt. Und die Palästinenser scheinen sich darin einig, dass die israelischen Angriffe der letzten Monate nur ein Ziel hatten: die Provokation der Hamas. „Das Erdbeben in den zionistischen Städten wird von neuem beginnen“, kündigte am Freitag ihr militärischer Arm neue Anschläge in Israel an. Die Islamisten verübten dort seit November 2004 keinen Selbstmordanschlag mehr, um sich als politische Partei zu profilieren und sich auf die Parlamentswahlen vom Januar 2006 vorzubereiten. Die israelischen Totenzahlen gingen zurück. Zudem stimmte ihre Führung innerhalb der besetzten Gebiete seit 2002 neue Töne hinsichtlich einer Anerkennung Israels an.

Seit dem Hamas-Wahlsieg Ende Januar starben 13 Israelis durch palästinensische Anschläge (meist des Islamischen Jihad), fünf davon in den besetzten Gebieten. Im gleichen Zeitraum töteten israelische Soldaten und Siedler jedoch 128 Palästinenser, davon viele Zivilisten wie Ifaf Zalat. Die 43-jährige Frau wurde im Mai von einer Sondereinheit in ihrer Wohnung erschossen. Zwei ihrer Töchter wurden verwundet. Ziel war eigentlich ein gesuchter Palästinenser in einer ganz anderen Wohnung. Ihr Tod war so alltäglich, dass er selbst für palästinensische Medien kaum Nachrichtenwert hatte.

Die Hoffnung auf politischen Wechsel, den man mit dem von Präsident Mahmud Abbas angekündigten Referendum verband, ist wieder verpufft. Ende Juli sollen die Palästinenser über eine Nationale Einheitsregierung und die Anerkennung Israels in den Grenzen von 1949 abstimmen. 77 Prozent der Bevölkerung stehen dahinter, so eine Umfrage der Birzeit-Universität vom Mittwoch. „Aber was wir in Bezug auf Israel abstimmen, ist völlig egal. Es spielt für Israel keine Rolle, ob wir es anerkennen“, meinte ein Kunde in einem Supermarkt am Samstagabend in Ramallah, während der Fernseher den Präsidenten zeigte. Er erklärte seinen Bürgern live, warum eine Volksabstimmung trotz des Leids noch notwendig ist. „Stimmt“, pflichtet ihm der Kunde bei, „wir brauchen die Einheitsregierung. Die internen Kämpfe müssen aufhören.“ Die Hamas erklärte am Freitag jedoch, die Abstimmung zu boykottieren. Während der israelische Bombenhagel zeige, was Israel von den Palästinensern halte, müsse man nicht über dessen Anerkennung diskutieren.