"Soja ist ein Unkraut"

In Argentinien mehren sich die Probleme mit Gentech-Soja und Rumänien will demnächst aussteigen

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Mehr als die Hälfte des weltweiten Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) geht auf herbizidtolerante Sojabohnen zurück. In Argentinien wird heute fast ausschließlich herbizidtolerantes Soja – besser gesagt: Roundup Ready (RR) Soja der Firma Monsanto – angebaut. Die Freude über die einfache Handhabung des Systems ist aber inzwischen getrübt. Das „grüne Gold“ zeigt Ermüdungserscheinungen. Gegen resistente Unkräuter und hartnäckigen Durchwuchs bietet Konkurrent Syngenta indes ein Spritzmittel feil, das in etlichen EU-Ländern seit langem verboten ist. Auch in Rumänien machte sich in den letzten Jahren RR-Soja breit. Zumal die Sorte in der EU nicht zugelassen ist, versucht der Beitrittskandidat nun den Ausstieg. Rumänien wolle keinesfalls ein „Trojanisches Pferd“ in Sachen Gentech-Pflanzen werden, versichert ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums im Telepolis-Interview. Doch wie wird man Gentechnik wieder los?

Mit „Soja ist ein Unkraut“ wirbt Syngenta in Argentinien. Bild: Blauen-Institut

Etwa sechs bis sieben Prozent der weltweiten Ackerbaufläche werden heute mit gentechnisch veränderten Pflanzen bestellt. Etwa 60 Prozent gehen laut dem International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA) auf den Anbau von Gentech-Soja zurück, der von der Monsanto-Sorte Roundup Ready dominiert wird. Wie alle herbizidtoleranten Pflanzen, ist auch RR-Soja unempfindlich gegenüber bestimmter Pflanzenschutzmittel. Bei Roundup Ready handelt es sich dabei um Glyphosat. Der Nachteil des Systems ist, dass sich über kurz oder lang resistente Unkräuter ausbilden oder hartnäckige Durchwuchspflanzen aufkommen, die sich nur schwer bekämpfen lassen.

Verwildertes Soja

In Argentinien begann der Boom des „grünen Goldes“ 1996. Das meiste landet in Futtertrögen – auch in Europa. Gerade hier stieg die Nachfrage, zumal nach der BSE-Krise die Verfütterung von Tiermehl verboten und vielfach durch Sojakuchen ersetzt wurde. Soja spült noch immer viel Geld in die Taschen von Großgrundbesitzern. Doch auch in dem lateinamerikanischen Land mehren sich die Probleme. In nur zehn Jahren verdoppelte sich die Anbaufläche. Damit Hand in Hand gingen die Vertreibung von Kleinbauern und massive Rodung. Das simple Anbauverfahren mittels Direktsaat schont eigentlich den Boden. Doch der inflationäre Einsatz des glyphosathältigen Herbizids Roundup von Monsanto laugte die fruchtbare Pampa aus.

Nach Schätzungen einiger Wissenschaftler an der Universität Buenos Aires entzog der Sojaanbau dem Boden allein im Jahr 2003 rund eine Million Tonnen Stickstoff und 227.000 Tonnen Phosphor. Hinzu kommen die Probleme mit Resistenzen. Das freut nun nicht unbedingt Monsanto, dafür aber Konkurrent Syngenta, der eigene Spritzmittel auf den Markt warf. Das gentech-kritische Blauen-Institut der Schweizer Biologin Florianne Köchlin spürte Werbesujets des Unternehmens auf, das in Argentinien mit dem Slogan „Soja ist ein Unkraut“ warb.

„Verwilderte Soja und andere Roundup-resistente Unkräuter" seien inzwischen ein großes Problem, so Syngenta in Argentinien. Bauern sollten darum das Herbizid Gramoxone des Schweizer Konzerns verwenden. „Gramoxone ist ein Paraquat-Präparat, das wegen seiner hohen Giftigkeit in der Schweiz und etlichen EU-Ländern seit langem verboten ist“, hält das Blauen-Institut dazu fest.

Zur starken Verbreitung der Gentech-Sorte trug auch das Geschäftsgebaren Monsantos bei. Denn in Argentinien verzichtete das Unternehmen auf eine Patentierung. Die Landwirte tauschten das Saatgut aus und der halb- oder illegale Handel florierte. 98 Prozent der argentinischen Soja gehen heute auf RRS zurück. Monsanto sah lange zu. Kritiker sprechen von einer gewollten Verunreinigungsstrategie, schließlich verdiente man an dem Verkauf des firmeneigenen Herbizids Roundup recht passabel. 2004 aber forderte Monsanto plötzlich auch noch Lizenzgebühren, da der illegale Handel überhand nehmen würde. Ein Schock für die Argentinier, die nicht gewillt sind, zu zahlen. Monsanto will nun die Exporteure zur Kasse bitten und ging damit in Dänemark vor Gericht. Wie die Sache letztlich ausgeht, ist noch offen.

Chaos in Rumänien

Aber auch in Europa fand Monsanto in einzelnen Ländern gute Bedingungen für ihre Gentech-Ambitionen. In Rumänien wurde RR-Soja-Saatgut jahrelang zu günstigsten Konditionen an Landwirte abgegeben. Bis zu 90 Prozent der Sojapflanzen seien inzwischen GVP, schätzt Greenpeace Österreich und stützt sich dabei auf wissenschaftliche Analysen durch das österreichischen Umweltbundesamt. Die offiziellen Zahlen sind allerdings wesentlich niedriger. „Sojabohnen werden auf ca. 90.000 Hektar angebaut“, erklärt Adrian Tibu, Sprecher des rumänischen Landwirtschaftsministeriums im Telepolis-Interview. „Das ist weniger als ein Prozent der gesamten Ackerbaufläche.“ „Etwa 75 Prozent“ der Sojabohnen-Produktion sind allerdings bereits gentechnisch verändert, räumt Tibu ein.

In Hinblick auf den EU-Beitritt wird Rumänien ab 2007 den Gentech-Soja-Anbau verbieten, zumal die Monsanto-Sorte in der Europäischen Union nicht zugelassen ist. Monsanto hat zwar inzwischen einen Antrag auf EU-Zulassung für den Anbau gestellt, bis 2007 wird sich das „aber nicht ausgehen“, erklärt die Molekularbiologin Susanne Fromwald von Greenpeace Österreich. Als Gentechnik-Expertin ist sie häufig in den Oststaaten unterwegs (Geht die Gen-Saat im Osten auf?). „Die Situation in Rumänien ist etwas chaotisch.“ Es gebe Probleme mit genauen Kontrollen, die Landwirte würden Saatgut untereinander tauschen und es gebe keinen Überblick über die Gentech-Soja-Produktion, so Fromwald. Dass das Landwirtschaftsministerium nicht den gesamten Saatgutmarkt im Griff hat räumt auch Adrian Tibu ein. Wörtlich schreibt er auf Telepolis-Anfrage:

This year, we are giving subsidies only to the farmers that grow non/GM soybean. I must admit there is a certain lack of facilities in order to verify the whole quantity of seeds on the market. We will improve this during the following months.

Ob man Gentech-Soja aber wieder so einfach los werden kann, ist offen. Egal, wen man fragt, ob NGOs oder Gentech-Experten von offiziellen Stellen, niemand scheint klare Vorstellungen über ein Ausstiegsszenario parat zu haben. Die Meinungen reichen von „Am besten man lässt die Felder eine Zeitlang brach liegen“ (Global 2000) bis hin zu „möglicherweise gelingt der Ausstieg mit einer vernünftigen Fruchtfolge und strengen Kontrollen“. Christoph Then von Greenpeace Deutschland gegenüber Telepolis:

Einschätzung eines externen Experten, der gentechnikfreies Soja aus Brasilien bezieht: Die brasilianischen Bauern sind nicht so wahnsinnig angetan von der Gentech-Soja, würden sie aber gerne alle paar Jahre anbauen wollen um das Feld mal wieder zu „säubern“ (mit dem Totalherbizid Glyphosat). Die Rückumstellung stellt kein Problem dar. Mit einer Zwischenfrucht (anderen Pflanzenart) ist es getan, um eventuell keimende Sojabohnen aus der letzten Ernte klein zu kriegen. Dadurch, dass dort in der Regel eine flache Bodenbearbeitung praktiziert wird, gelangen die Bohnen nicht so tief in den Boden, keimen bald wieder und überdauern nicht längere Zeit im Boden. Ob das auch in Rumänien so ist, weiß ich aber leider nicht.

Forschungslücke Ausstiegsszenario

Wie lange Transgene im Boden überdauern scheint ebenfalls unklar. DI Helmut Gaugitsch vom österreichischen Umweltbundesamt:

Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da es auch davon abhängt, in welcher Form das Transgen vorliegt (Pflanze, Wurzel, Bohne etc.) Ob es Studien explizit zu Soja gibt, kann ich ad hoc gar nicht beantworten. Studien zum Verbleib und zu Abbauraten von DNA im Boden gibt es einige, jedoch meines Wissens nicht direkt zu Soja.

Obwohl es inzwischen etliche Studien zu ökologischen Risiken von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt, tut sich bei der simplen Frage, wie man wieder aussteigt, eine eklatante Forschungslücke auf. Adrian Tibu verspricht jedenfalls, dass der rumänische Staat sich an die EU-Vorschriften halten und Gentech-Soja vorerst unterbinden will.

Finally, I can sum up our position as it follows: Romania wants to observe the rules of the house it is preparing to enter starting 2007. Romania does not plan to be a trojan horse for GM soybeans in Europe. What legislation is good for the EU, is good for Romania as well.

Die EU täte gut daran, die Rumänen dabei zu unterstützen und ihnen auch finanzielle Mittel für den geplanten Ausstieg zur Verfügung zu stellen. Denn es fehlt an Kontrolllabors und anderen logistischen Voraussetzungen für den Ausstieg.

Auch könnte es nicht schaden, einen Großfeldversuch zum Ausstieg aus Gentech-Soja zu starten. Das wäre sowohl für die Forschung interessant als auch für die Landwirtschaft im allgemeinen. Schließlich ist es eine wesentliche Frage, wie man Gentech-Pflanzen wieder los wird. Und bis dato wurde sie offensichtlich viel zu wenig berücksichtigt. Der Umstieg auf konventionelle oder sogar biologische Soja-Produktion könnte für Rumänien selbst in wirtschaftlicher Hinsicht eine große Chance sein. Die Nachfrage in EU-Ländern nach gentech-freier Soja ist schließlich groß.