Transparenz total

Die Bush-Regierung versucht, den Lauschangriff auf die internationalen Finanzdaten, dessen Aufdeckung sie nicht verhindern konnte, zu rechtfertigen, Legitimation, so die kaum rechtsstaatliche Begründung der fürsorglichen Big-Brother-Regierung, ergebe sich durch den Erfolg, aber auch der scheint nicht groß zu sein

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In einer konzertierten Aktion haben die New York Times, die Washington Post und die Los Angeles Times berichtet, dass das US-Finanzministerium kurz nach dem 11.9. damit begonnen hat, Nachrichten über Finanztransaktionen über das internationale Datennetz SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) zu überwachen. Wie schon im Fall der Lauschaktion der NSA, bei der die Telefon- und Internetverbindungen von Millionen von Amerikanern erfasst und analysiert wurden (Umfassender Lauschangriff auf US-Bürger), hat die Bush-Regierung, die die Rechte des Präsidenten großzügig auslegt (Das Gesetz bin ich), auch hier am Kongress und den Gerichten vorbei sich eigenmächtig das Recht zugesprochen, Millionen von Finanztransaktionen zu überwachen und zu analysieren. Dabei geraten neben den Daten von US-Amerikanern auch die von Nicht-Amerikanern in die Hände des Finanzministeriums und der CIA. Allerdings hat SWIFT ähnlich wie im Fall der NSA-Lauschaktion die großen Telefonkonzerne mitgespielt und die Daten ohne richterliche Genehmigung herausgegeben, weil es sich angeblich um begrenzte Anfragen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung gehandelt habe und Vertraulichkeit zugesichert wurde.

Die Bush-Regierung versuchte ebenfall wie gewohnt zunächst die Veröffentlichung dieser Überwachung der Finanztransaktionen zu verhindern und stellte dann die Medien als unverantwortlich dar, weil sie dem Feind in die Händen spielten und ihnen wichtige Ermittlungsmaßnahmen offenbarten. Mag sein, dass auch deswegen die großen Zeitungen gleichzeitig berichteten, um diesem Vorwurf besser standzuhalten. Das Überwachungsprogramm fand zwar offenbar in Übereinstimmung mit dem Direktorium von SWIFT und dem Kontrollgremium, in dem Vertreter von 10 Banken, darunter auch von der Deutschen Bank, sitzen, statt, aber die meisten Banken und deren Kunden wussten davon nichts. SWIFT ist die weltweit größte Kommunikationsnetzwerk der Finanzbranche, das täglich über 12 Millionen Anweisungen über finanzielle Transaktionen, die die Namen der Kunden und deren Konten beinhalten, zwischen fast 8000 Finanzinstitutionen übermittelt. Auch zahlreiche deutsche Banken gehören des Kommunikationsnetzwerk an.

US-Finanzminister Snow und Staatssekretär Levey beim Versuch, das Überwachungsprogramm zu rechtfertigen. Foto: Department of The Treasury

Until today, we have not discussed this program in public for an obvious reason: the value of the program came from the fact that terrorists didn't know it existed. They may have heard us talking about "following the money," but they didn't know that we were obtaining terrorist-related data from SWIFT. Many may not have even known what SWIFT was. With today's revelations, this is unfortunately no longer true. This is a grave loss.

Statement of Under Secretary Stuart Levey

Offenbar gab es auch in der Regierung Bedenken über die Legalität der Aktion. Man suchte den Anschein der Gesetzmäßigkeit zu wahren, indem monatlich vom Finanzministerium ohne richterliche Genehmigung eine geheime Anweisung an SWIFT ging, die dann große Datenmengen über finanzielle Transaktionen der CIA herausrückte. Die Daten gingen in eine Datenbank, die nach dem 11.9. aufgebaut wurde, um sie dann nach verdächtigen Mustern und Personen sowie deren Netzwerke zu durchsuchen, um Strategien, Hintermänner, heiße Konten oder wichtige Orte herauszubekommen. Man habe in den 5 Jahren seit Bestehen die Überwachungsmaßnahme Zehn-, vielleicht auch Hunderttausende von Suchen durchgeführt, wie Stuart Levey, Staatssekretär im Finanzministerium für Terrorismus berichtete. Die Daten wurden auch an die CIA, den FBI und andere Behörden weitergegeben. Allerdings scheint man daraus kaum Erkenntnisse über al-Qaida gewonnen zu haben. Angeblich hätten die aus dem Überwachungsprogramm gewonnenen Informationen zur Festnahme von Riduan Isamuddin geführt, der die Bombenanschläge von 2002 auf Bali geplant haben soll. Mehr an Namen wurde von Regierungsvertretern nicht genannt.

Die Regierung rechtfertigt sich, dass man die Überwachungsmaßnahme ausreichend kontrolliere, um Missbrauch zu verhindern. Man gestand aber ein, dass auch die Transaktionen vieler Amerikaner Gegenstand der Überwachung waren. Datenschutz entfalle, wenn der Verdacht bestehe, es handele sich um einen „ausländischen Terrorismusagenten“. So sagte der Finanzminister John Snow, die Überwachung der Bankgeschäfte vieler Amerikaner sei keine Verletzung der Privatsphäre gewesen, sondern eine Regierungsarbeit „at it’s best“ und ganz konform mit den „demokratischen Werten“. Man sei damit auf keinen „Fischzug“ gegangen oder habe die finanziellen Daten von Amerikanern durchschnüffelt, man habe nicht einmal „Data Mining“ betrieben, sondern eine „scharfe Harpune“ auf terroristische Aktivitäten gerichtet. Snow versuchte die Rechtmäßigkeit vor allem durch die angeblichen Erfolge der Maßnahme zu begründen. Man habe dadurch Terroristen, ihre Geldgeber und Terrornetzwerke entdecken können.

Natürlich musste sich gestern Tony Snow, der neue Sprecher des Weißen Hauses, den Fragen auf der gestrigen Pressekonferenz stellen. Alle anderen Themen, die der offensichtlich schlecht vorbereitete Snow aufbot, gingen unter. Snow führte an, dass die Zeitungsberichte nicht konkret genug seien, dass die Maßnahme erfolgreich gewesen wäre und dass sie beschränkt auf „verdächtige Personen mit Verbindungen zu al-Qaida“ gewesen sei. Die Geheimdienstausschüsse seien informiert worden, eine Genehmigung des Kongresses sei aber nicht erforderlich gewesen, dabei aber kam er sichtlich ins Straucheln und konnte die rechtlichen Grundlagen nicht nennen. Snow suchte die Rechtmäßigkeit auch dadurch zu erklären, dass doch auch private Firmen, beispielsweise Medien, die Daten ihrer Kunden sammeln und auswerten. Das mache eben die Regierung auch. Und er beruft sich darauf, dass im Gegensatz zu den Medienvertretern der normale Amerikaner es begrüßen würde, wenn Terroristen durch solche Maßnahmen aufgespürt werden. Im Namen der angeblichen Terrorismusbekämpfung, die nach Ansicht der US-Regierung zudem geheim stattfinden müsse, ist eben alles möglich und legitim.