Internetfilter für die freie Presse

Zufällig stieß ein Journalist der Los Angeles Times darauf, dass der Verlag auch den Zugriff in der Redaktion auf Webseiten blockiert

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Ein böser Kommentator titelte: Willkommen im kleinen China, nachdem bekannt geworden ist, dass eine große amerikanische Zeitung, die Los Angeles Times, auch in den Redaktionsräumen in Los Angeles bei der Internetnutzung einen Filter installiert, so dass die dort arbeitenden Journalisten nicht auf alle Webseiten zugreifen können, wenn sie recherchieren.

Kurioserweise wurde dies erst von einem Journalisten entdeckt, der einen Artikel über Zensur im Internet schreiben wollte. Dazu wollte er auf die Website Peacefire.org schauen. Hier findet man kritische Berichte über Internetzensur durch kommerzielle angebotene Webfilter, die Inhalte nach bestimmten Kriterien für die Benutzer sperren und dabei durchaus auch die Meinungsfreiheit beeinträchtigen, wenn beispielsweise nicht nur Porno-Seiten, sondern auch Seiten gesperrt werden, die über Sexualität berichten. Überdies werden Listen mit den gesperrten Seiten und Möglichkeiten veröffentlicht, die Filter zu umgehen, aber auch das entsprechende Programm Circumventor gibt es hier.

Webfilter sind in den USA in Behörden und Unternehmen weit verbreitet. Erstaunlich ist aber, dass eine Zeitung, die der „freien Presse“ angehört und für den von den USA propagierten „freien Fluss der Information“ bürgt, nicht nur die übrigen Angestellten, sondern auch die Journalisten in der Redaktion „behütet“ – und dass diese von der von oben verordneten Zensur offenbar nicht einmal informiert worden waren. Vermutlich wird es sich nicht um einen Einzelfall handeln.

Der Reporter der LA Times teilte Bennett Haselton, dem Gründer von Peacefire, mit, dass er nicht auf die Webseite kommen konnte. Haselton schickte daraufhin eine Mail an andere Times-Journalisten und bat sie zu überprüfen, ob sie ebenfalls blockiert werden. Die Journalisten berichteten, dass auch andere Webseiten wie die von Playboy blockiert waren. In der Redaktion von San Francisco war man offenbar liberaler. Zwar wurde auch hier ein Webfilter verwendet, aber der Zugriff auf Peacefire und Playboy war frei, hingegen ließ sich nicht auf die Webseite von Penthouse zugreifen. Eingesetzt wird vom Verlag angeblich das Programm Websense.

Für Haseltone war es das erste Mal, dass er von einem Webfilter in einer Redaktion hörte:

Es schien einfach seltsam zu sein, dass eine Klasse von Menschen, auf die wir uns für unsere Informationen verlassen, weniger Freiheit im Internet hat als ein Bürger in China. Wir verlassen uns auf Reporter für Informationen über das, was in unserer Gesellschaft geschieht, und sie können ihren Job nicht erfüllen, wenn eine dritte Partei darüber entscheidet, was sie sehen dürfen.

Bennett Haseltone

David Garcia von der LA Times bestätigte in einer Email, so die New York Times, die aber selbst nicht verriet, wie es damit im eigenen Haus steht, dass Peacefire.org „als Sicherheitsmaßnahme“ blockiert wird, weil sie Hinweise gibt, wie man Filter umgehen kann. Er erklärte überdies, dass Internetfilter nicht nur für die Redaktion, sondern für den gesamten Verlag eingesetzt würden. Man sei aber „flexibel“, suchte er der Kritik vorzubeugen, dass Journalisten über bestimmte Themen wegen des Filters nicht recherchieren können: „Wir haben die Flexibilität, Mitarbeiter der Redaktion Zugang zu den blockierten Seiten zur Berichterstattung und zum Zweck des Recherchierens zu gewähren.“

Wie der Blog LA Observed schreibt, der auch über das Thema berichtet hatte, wurde nun auch dieser für die Times-Journalisten gesperrt: „Must be all the sex“, lautet der trockene Kommentar. Die Anspielung auf chinesische Zustände zu Beginn ist übrigens nicht weit hergeholt. Das von Peacefire angebotene Programm Circumventor wurde mit der finanziellen Unterstützung von Voice of America entwickelt, um chinesischen Internetnutzern den Zugriff auf blockierte Seiten zu eröffnen.