Lauschangriff auf die Finanzen

Die ohne richterliche Genehmigung erfolgte Durchsuchung von Datenbergen über internationale Finanztransaktionen durch die CIA war spätestens Ende 2002 öffentlich bekannt, nur kümmerte sich damals in der Terrorhysterie niemand darum, was zeigt, wie sich die Zeiten geändert haben

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Die Aufregung war groß, als die großen US-amerikanischen Zeitungen New York Times, Wall Street Journal, Washington Post und Los Angeles Times zur selben Zeit berichteten, dass das Finanzministerium mit der Hilfe der CIA kurz nach dem 11.9. 2001 damit begonnen hätten, die Kontobewegungen von Millionen von Banken und Individuen in den USA und im Ausland zu erfassen, zu speichern und zu analysieren. Heimlich und rechtlich fragwürdig wurden mit der Mithilfe von SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication), dem weltweit größten Kommunikationsnetzwerk der Finanzbranche, Mitteilungen über finanzielle Transaktionen überwacht (Transparenz total). Die US-Regierung hatte zunächst versucht, die Veröffentlichung zu verhindern, und kritisiert nun scharf die Zeitungen, dass sie damit dem Land großen Schaden zugefügt hätten, wie US-Präsident Bush sagte.

Tatsächlich dürfte es die Amerikaner schon ein wenig beunruhigen, wenn sie jetzt erfahren müssen, dass nicht nur ihre Telekommunikation abgehört wird, sondern auch ihre Finanzen dem Geheimdienst CIA und anderen US-Behörden offen stehen. Wie üblich versucht man der aufkommenden Kritik mit einem Gegenangriff zuvorzukommen, der letztlich die Medien mehr oder weniger des Landesverrats bezichtigt. Der republikanische Abgeordnete Peter T. King von New York forderte im Überschwang gar, die New York Times deswegen anzuklagen. Die Veröffentlichung sei verabscheuungswürdig. Die New York Times pickte er sich heraus, weil diese bereits mit der Aufdeckung der geheimen Lauschaktion der NSA der nationalen Sicherheit geschadet habe. Allerdings sollten auch die Aktivitäten der anderen Zeitungen untersucht werden, aber mit allen will man es sich doch nicht verderben.

Nach Vizepräsident Cheney trat nun auch Präsident Bush zur Medienschelte an, um den Schaden zu minimieren. Wie immer rechtfertigt der „Krieg gegen den Terrorismus“ alle Maßnahmen der Regierung, deren Präsident sich bereits über das Gesetz gestellt hat (Das Gesetz bin ich). „Wir befinden uns im Krieg gegen eine Gruppe von Menschen, die den Vereinigten Staaten von Amerika Schaden zufügen wollen. Menschen, die das Programm ausplaudern, und Zeitungen, die darüber berichten, fügen den Vereinigten Staaten von Amerika großen Schaden zu.“ Dadurch werde es schwieriger, den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen. Für Bush hat die Regierung das Richtige getan, überdies habe der Kongress Bescheid gewusst. Finanzminister John Snow hatte zuvor gesagt, die Überwachung der Bankgeschäfte vieler Amerikaner sei keine Verletzung der Privatsphäre gewesen, sondern – so sein Bonmot „government at it's best" und ganz konform mit den "demokratischen Werten".

Ganz so überraschend kommt dies alles allerdings nicht. Bereits am 24. September 2001 hatte US-Präsident Bush eine Anordnung erlassen, um die Bankguthaben von al-Qaida-Mitgliedern und ihrer Unterstützer einzufrieren. Die Vereinten Nationen zogen in mehreren Resolutionen nach, um den Terrorismus finanziell auszutrocknen. Allerdings haben sich Terrororganisationen bald neue Wege gesucht, die außerhalb des internationalen Bankgeschäfts laufen. Wie andere Länder auch haben die USA eine Behörde eingerichtet, um nach verdächtigen Geldströmen zu suchen. Die US-Behörde Financial Crimes Enforcement Network (FinCen) war hier besonders aktiv und hat auch ganz legal nach dem Bank Secrecy Act Daten von US-Banken über verdächtige Bewegungen (SAR - Suspicious Activity Report) mit Daten aus anderen Behörden verbunden, um finanzielle Netzwerke von Terroristen zu finden. 2004 bereitete die US-Regierung, unzufrieden mit den Tätigkeiten anderer Länder, vor, auch die Banküberweisungen von und in die USA legal überwachen zu können. Nebenbei aber haben Finanzministerium und CIA über SWIFT bereits heimlich eine unbekannte Menge an Daten über finanzielle Transaktionen erhalten und durchsucht.

Auch das ist eigentlich nicht neu, nur war es der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Die nach dem 11.9. durch die Resolution 1363 des UN-Sicherheitsrates eingerichtete Al Qaeda and Taliban Monitoring Group, die Maßnahmen zur Bekämpfung von bin Laden, al-Qaida, Taliban und der mit ihnen verbundenen Gruppen und Personen entwickeln sollte, suchte auch nach Wegen, um die Finanzierung des Terrorismus zu unterbinden. Ein Bericht der Gruppe von Ende 2002 machte klar, dass die Gelder für al-Qaida kaum mehr über das internationale Bankensystem fließen, sondern direkt überbracht oder über das islamische, kaum zu kontrollierende Hawala-System transferiert werden (Auf der Jagd nach den Schätzen von Terror, Inc., Das Banksystem der Armen). Zudem wurde kritisiert, dass viele Länder nicht wirklich kooperativ sind, auch wenn von vielen Staaten und internationalen Organisationen neue Maßnahmen ergriffen wurden, um die Finanzströme zu entdecken und zu unterbinden und die Personen, die Überweisungen tätigen, zu identifizieren. In dem Bericht heißt es dann:

The settlement of international transactions is usually handled through correspondent banking relationships or large-value message and payment systems, such as the SWIFT, Fedwire or CHIPS systems in the United States of America. Such international clearance centres are critical to processing international banking transactions and are rich with payment information. The United States has begun to apply new monitoring techniques to spot and verify suspicious transactions. The Group recommends the adoption of similar mechanisms by other countries.

Damit ist klar, dass die Vereinten Nationen und vermutlich auch Regierungsangehörige anderer Länder, die mit den USA zusammen arbeiteten, spätestens seit Ende 2002 davon Kenntnis hatten, dass die US-Regierung die über SWIFT, vermutlich aber auch über andere internationale Netzwerke laufenden Informationen über finanzielle Transaktionen überwachen, auch wenn das Ausmaß nicht bekannt war. Der UN-Bericht war und ist auch öffentlich über das Internet jedermann zugänglich, was bedeutet, dass die US-Regierung zumindest 2002 keine Bedenken hatte, ihre Überwachungsaktivitäten offen mitzuteilen. Noch standen die Menschen in den USA und in den anderen Ländern unter dem Eindruck des Terroranschlags vom 11.9. und von anderen Anschlägen wie den auf den Touristenort in Bali, während der Krieg gegen den Irak vorbereitet wurde. Die Solidarität mit der US-Regierung und all dem, was sie machte, war fast unbedingt, die US-Bürger standen geschlossen hinter Bush, Kritik war nicht opportun. Die Situation hat sich 2006 grundlegend verändert.

Wie der San Francisco Chronicle berichtet, hatte das US-Finanzministerium zunächst angeblich nur eine begrenzte Menge an Daten verlangt. Da SWIFT aber davon überfordert war oder den Datenschutz zu jener Zeit als nicht besonders bedeutsam erachtete, wurde US-Behörden einfach der Zugriff auf alle Daten gewährt. Ab 2003 scheint man aber auch in der Bankenwelt kalte Füße bekommen zu haben und suchte nach Gewährleistungen, dass tatsächlich nur begrenzte Suchen nach Terrorverdächtigen gemacht werden. Schließlich steht und fällt der Bankensektor mit dem Vertrauen der Kunden. Daraufhin wurde SWIFT von der US-Regierung zumindest die Möglichkeit eingeräumt, den Datensammlern über die Schulter zu schauen. Man einigte sich schließlich auf einen faulen, die Legitimität nur zum Schein wahrenden Kompromiss. Jeden Monat reichte das Finanzministerium eine Anordnung (subpoena) ein und erhielt dadurch weiterhin riesige Datenmengen, auch wenn nun angeblich jede Suche festgehalten und von SWIFT und der hinzugezogenen Booz Allen Hamilton überprüft werden kann. Wie weit Kongressmitglieder tatsächlich darüber von Anfang informiert waren, ist noch nicht bekannt. Angeblich wurden maßgebliche Abgeordnete informiert und vertrauten darauf, dass es angemessene Kontrollen für die Überwachungsaktion gab.