Lieber reich und gesund als arm und krank?

Wissenschaftler beweisen, dass Geld nicht glücklich macht

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Glück ist eine subjektive Empfindung, die ebenso ganz intensive positive Erlebensmomente bedeutet wie die grundsätzliche eigene Lebenszufriedenheit. „Das letzte Ziel des Menschen ist das Glück“, sagte schon Thomas von Aquin, und auch der moderne Mensch versucht mit allen Mitteln, sein persönliches Paradies zu erreichen. Die meisten Leute in den Industriestaaten halten Geld für ein wichtiges Mittel, um sorgenfrei zu werden und dem subjektiven Wohlbefinden näher zu kommen. Das ist eine Illusion – wie Forscher jetzt erneut bestätigen.

Sicher ist es besser, reich und gesund statt arm und krank zu sein. Und es ist auch nachweislich richtig, dass ein niedriges Einkommen mehr Krankheit und eine geringere Lebenserwartung bedeutet (Bericht: Krankheit und Armut). Aber ein hohes Einkommen führt leider nicht zu mehr guter Laune oder Glückserleben. Das ist nur ein weit verbreiteter Trugschluss.

Das Wesen des Glücks zu ergründen, ist schon sehr lange ein Ziel der Theologie und der Philosophie (Philosophie und Glück). Die Psychologie hat sich intensiver mit den Faktoren beschäftigt, die den Menschen unglücklich werden lassen, aber auch in dieser Disziplin sind die Forscher den entscheidenden Faktoren für das subjektive Wohlbefinden auf der Spur (Psychologie und Glück). Zudem versucht auch die Sozialwissenschaft seit Jahren das Glücklichsein zu erklären (Explaining happiness).

Goldmünze aus der Zeit um 260 v. Chr. mit dem Abbild der Göttin Fortuna (Bild: CNG coins)

Im Internet gibt es eine Datenbank des Glücks (World Database of Happiness) und der Forschungszweig verfügt über eine eigene Fachzeitschrift mit dem schönen Titel Journal of Happiness Studies.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science berichten der Psychologe Daniel Kahneman und der Wirtschaftswissenschaftler Alan B. Krueger von der Princeton University und Kollegen von der University of California in San Diego, der University of Michigan und der Stony Brook University über den Forschungsstand und eigene neue Studien zum Thema.

Das interdisziplinäre Forschungsteam stellt klipp und klar fest, dass Geld nicht glücklich macht (Would You Be Happier If You Were Richer? A Focusing Illusion). Sie schreiben:

Die Annahme, dass ein hohes Einkommen mit guter Stimmung verbunden sei, ist weit verbreitet, aber dennoch weitgehend eine Illusion. Leute mit einem überdurchschnittlichen Einkommen sind mit ihrem Leben relativ zufrieden, aber im Erleben von Moment zu Moment kaum glücklicher als andere; sie tendieren dazu, gestresster zu sein und verbringen nicht mehr Zeit mit besonders angenehmen Aktivitäten. Darüber hinaus scheint der Effekt des Einkommens auf die Lebenszufriedenheit nur vorübergehend zu funktionieren.

Onkel Dagobert und Gustav Gans

Schon aus den Micky-Maus-Heften wissen wir alle, dass Reichtum und selbst ständiges Baden in Talern Onkel Dagobert nicht wirklich glücklich machen. Dagegen ist das Glück von Gustav Gans geradezu legendär (vor allem in den Augen seines glücklosen Vetters Donald Duck), und das obwohl er dabei nicht reich wird, weil er immer alles sofort wieder verschwendet. Der geborene Pechvogel Donald glaubt dennoch – wie die meisten seiner Leser – dass eine ordentliche Summe Geldes seine Sorgen verschwinden lassen würde und er ein überglücklicher Erpel würde.

Die Fokussierung auf diese Illusion sorgt nach Meinung des Teams um Daniel Kahneman dafür, dass Leute, die zu Geld kommen, sich vorübergehend besser fühlen. Leider hält der Effekt nicht lange an, zumal er vor allem in Abgrenzung zur Umgebung wahrgenommen wird. Geht es den anderen um einen herum dann ebenfalls besser, verblasst das Wohlgefühl des Reichtums.

Verschiedene Studien haben diesen Zusammenhang in der Vergangenheit belegt. In den letzten 40 Jahren hat der Wohlstand in den Industriestaaten stark zugenommen, speziell das Pro-Kopf-Einkommen. Aber das vom einzelnen empfundene Lebensglück hat sich nicht entsprechend gesteigert, sondern ist nahezu gleich geblieben. Ein Beispiel dafür ist die Studie von Richard A. Easterlin von der University of California in Los Angeles, der die Daten für Japan verglich, wo sich zwischen 1958 und 1987 das Einkommen verfünffachte, das Glücksgefühl der Japaner sich aber in dieser Zeit nicht erhöhte (Will raising the incomes of all increase the happiness of all?.

Wissenschaftler, die eine Studie zur Lebensqualität durchführen, müssen sich zudem darüber bewusst sein, dass durch die Fragestellung schnell eine Fokussierung der Befragten eintritt, die dann dazu führt, dass sie einzelne Aspekte, nach denen sie gezielt gefragt werden, überschätzen. Dass gilt nicht nur für die Einkommenssituation, sondern auch für andere Faktoren wie z.B. Partnerschaft oder Gesundheit. Stellt man zuerst die Frage nach Einkommen oder Partnerschaft und danach nach dem persönlichen Wohlbefinden, so ändert sich die Einschätzung des eigenen Lebensglücks, d.h. die Probanden fokussieren stark auf den zuvor angesprochen Bereich und das beeinflusst ihre Antwort nach dem generellen Glücksgefühl stark. Dies stellte sich bei Studien heraus, die gezielt derartigen Zusammenhängen nachgingen. Daniel Kahnemann und Kollegen stellen dazu fest:

Das Fazit aus diesen Forschungsergebnissen lautet, dass die Leute nicht genau wissen, wie glücklich oder zufrieden sie mit ihrem Leben sind – zumindest nicht in der Weise wie sie ihre eigene Größe oder Telefonnummer kennen.

Deswegen entwickelten die Forscher die so genannte Tages-Rekonstruktionsmethode (Day Reconstruction Method), um genauere Daten für Vergleiche zu erheben. Die Probanden werden dabei aufgefordert, den Ablauf des vorangegangen Tages in einer Art Tagebuch festzuhalten und zudem ihre Gefühle über das Erlebte kundzutun. Kahnemann und Kollegen befragten mit diesem Leitfaden unter anderem im Jahr 2004 mehr als 900 Frauen in Texas und ihre repräsentative Studie ergab, dass Geld bei den tatsächlich erlebten Glücksmomenten kaum eine Rolle spielt. Weitere Erhebungen mit der Tages-Rekonstruktionsmethode bestätigten dieses Ergebnis.

Tatsächlich tendieren Personen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen zu einem sehr stressigen Leben mit überproportional viel Arbeit und anderen Belastungen. Sie nehmen sich weniger Zeit für entspannende Auszeiten als andere. Die Lebenszufrieden steigt nach eigenen Angaben erstmal an, wenn jemand z.B. im Lotto gewonnen hat oder gerade die Karriereleiter eine Stufe empor geklettert ist. Dieser Effekt verebbt aber sehr schnell wieder, wahrscheinlich weil sich die Betreffenden sehr schnell daran gewöhnen, sich mehr materielle Güter leisten zu können. Sie adaptieren sich an ihre neuen finanziellen Möglichkeiten und erfreuen sich nicht mehr so an Einkäufen wie am Anfang.

Sicherlich macht Geld allein nicht unglücklich, wie es der Schauspieler Peter Falk einmal formulierte – aber es macht eben auch nicht glücklich. Das Team um Kahnemann gibt zu bedenken, dass es nachweislich keine starke Verbindung zwischen dem Einkommen und dem generellen Glücksgefühl oder erlebten Glücksmomenten gibt, und deshalb diese weit verbreitete Fehleinschätzung überdacht werden sollte. Sonst verschwendet man durch diese verzerrte Wahrnehmung womöglich zuviel seiner Zeit mit der Jagd nach großen Scheinen, statt zum Beispiel persönliche Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen – Aktivitäten, die nachweislich stark zum Glücksgefühl beitragen.