Freundschaft statt Recht

Der Besuch des US-Präsidenten bei Freunden

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Die Woche endete nicht überall so friedlich wie in Trinwillershagen. Während US-Präsident George W. Bush und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in dem kleinen Ort in Nordvorpommern am Donnerstagabend eine Grillparty veranstalteten, erreichte die Eskalation im Nahen Osten ein neues Niveau. Nach dem Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon wurde an diesem Tag erstmals auch die zivile Infrastruktur ins Visier genommen, die See- und Luftblockade gegen Beirut wurde bekräftigt. Auf der Grillparty spielte dies nur eine geringe Rolle. Israel, so erklärten Bush und Merkel unisono, habe ein Recht auf Selbstverteidigung.

Man versteht sich und ist locker bei der Grillparty. Motto bei der Bundesregierung: „Gemeinsam Verantwortung in der Welt tragen.“ Foto: Weißes Haus

Damit wird ein gefährlicher Trend fortgesetzt. Denn auch wenn sich Israel gegen die Angriffe der Hamas oder der Schiiten-Miliz Hisbollah verteidigen können muss, hat der aktuelle Feldzug die Grenzen des Völkerrechtes längst überschritten. Die Bombardierung von Ministerien in Gaza, die Entführung des halben dortigen Regierungskabinetts, die Zerstörung ziviler Infrastruktur und Raketenangriffe auf Wohngebiete in Libanon - all die hat nichts mit Selbstverteidigung zu tun.

Was Israel vollzieht, und was von den Staatschefs Bush und Merkel demonstrativ unterstützt wird, ist die Substitution des Völkerrechtes durch das Recht des Stärkeren. Die Vereinigten Staaten gehen in dieser Hinsicht seit Amtsantritt von George W. Bush mit schlechtem Beispiel voraus. Der Angriff auf Irak war so wenig legitimiert, wie die militärischen Drohungen gegen Iran, Nordkorea, Kuba und andere Staaten.

Dass Deutschland sich auf diese Seite stellt, ist neu und beunruhigend. Während der Amtszeit von Gerhard Schröder hatte sich Berlin international noch Anerkennung verschafft, indem die SPD-Grünen-Regierung auf die Einhaltung völkerrechtlicher Normen bestanden hat,und deswegen unter anderem eine Beteiligung am Krieg in Irak ablehnte. Dass zu dieser Haltung weniger die politische Überzeugung als die deutschen Wirtschaftsinteressen beigetragen haben, tat der Außenwirkung keinen Abbruch.

Die nun offensichtliche Abkehr von der Schröderschen Doktrin aber birgt Gefahren, die nur schwer einzuschätzen sind. Denn wo sich einige wenige Staaten kraft ihres militärischen Potenzials über regulierende Rechtsregime hinwegsetzen, werden entsprechende Reaktionen provoziert. Die Anschläge terroristischer Gruppen sind von diesem Blickwinkel aus nicht mehr und nicht weniger als die logische Antwort auf die asymmetrische Kriegsführung im „Kampf gegen den Terror“. Wer dabei das erste Wort gesprochen oder die erste Bombe geworfen hat, ist zweitrangig, wenn sich die Gewaltspirale erst einmal dreht.

Text zum Bild auf der Website des Weißen Hauses: „People crowd the town square of Stralsund, Germany, as Chancellor Angela Merkel welcomes President George W. Bush and Laura Bush Thursday, July 13, 2006. "And in 1989, it was also one of the many cities where on Monday demonstrations took place, where people went out into the streets to demand freedom, to demonstrate for freedom," said Chancellor Merkel.”

Es hätte einer deutschen Bundeskanzlerin gut angestanden, auf diese Gefahr hinzuweisen. Merkels Bekräftigung des Völkerrechtes wäre auch angebracht gewesen, weil dieses Recht gerade in Anbetracht der Erfahrung des Zeiten Weltkrieges etabliert worden war. Dass sie geschwiegen hat, lässt einen Rückschluss zu: Wie die USA versucht sich auch Deutschland zunehmend aus dem strengen Regime der UN-Charta zu befreien, um wirtschaftliche Interessen wieder leichter auch militärisch durchsetzen zu können. In Afghanistan wie auf dem Balkan. Und jüngst sogar wieder in Afrika.

Von den Gegnern dieser Entwicklung will man da natürlich nichts wissen. Als indirekte Entgegnung auf das Motto der Friedensbewegung „Not Welcome, Mr. President“ titelte die Bundesregierung auf ihrer Homepage: „Herzlich Willkommen, Mr. Präsident.“ In Anbetracht der Gastgeberin und des Ortes waren die historischen Parallelen schnell gezogen. Deutschland müsse an der Seite der USA stehen, weil deren Regierung an der Wiedervereinigung einen entscheidenden Anteil habe, sagte Angela Merkel. Unterstützung bekam sie von einem prominenten Vertreter der „Bürgerrechtsbewegung“ der DDR: Joachim Gauck. Die Antipathie der Bevölkerung gegen den US-Präsidenten führte er im Interview mit Deutschlandradio keineswegs auf die Ablehnung von Krieg und Gewalt zurück. Die Ostdeutschen hätten schlichtweg „eine größere Furcht vor der Freiheit“. Ob das auf die Iraker auch zutrifft?