Der "Dritte Weltkrieg"

Die Kongresswahlen im Herbst werfen ihren Schatten voraus, der aktuelle Nahostkonflikt dient Newt Gingrich dazu, die Amerikaner wieder für die Republikaner und ein militärisches Vorgehen im Weltkrieg gegen den islamistischen Terrorismus zu gewinnen

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Unter amerikanischen Neokonservativen geistert schon länger, vornehmlich kurz nach dem 11.9., besonders jedoch ab 2002, als die USA alle Strippen zog, um den Krieg gegen den Irak vorzubereiten, die Vorstellung vom Dritten, manchmal auch vom Vierten Weltkrieg herum - da für manche der Kalte Krieg als Dritter Weltkrieg zählt (Die Fürsten des IV.Weltkriegs). Mit den Problemen in Afghanistan und im Irak und der Unsicherheit, wie man mit neuen Bedrohungen durch Nordkorea oder den Iran umgehen soll, wurden diese Stimmen leiser. Da im Herbst in den USA jedoch wichtige Kongresswahlen anstehen, durch die die Mehrheit der Republikaner in beiden Häusern kippen könnte, werden die alten Kampfbegriffe wieder hervorgezogen, weil man offenbar durch die Beschwörung eines Weltkrieges meint, die Menschen erneut mit dem erfolgreichen Konzept hinter sich zu bringen.

Der „Erfolg“ von US-Präsident George W. Bush kam mit dem 11.9., also der Gefahr von außen und der Reaktion, den Terrorangriff als Kriegserklärung zu bezeichnen, so dass seitdem der Präsident oberster Befehlshaber in einem erklärten Ausnahmezustand der sich im globalen Krieg gegen den Terrorismus befindlichen Nation ist. Aber seit den ersten Erfolgen des militärischen Regimewechsels ist bereits viel Zeit vergangen und es ließ sich sehen, dass mit militärischen Mitteln weder die vom Taliban- bzw. Hussein-Regime befreiten Länder auch nur zu halbwegs stabilen und demokratischen Staaten wurden, noch dass die Welt insgesamt sicherer wurde. Der zunächst von der Bush-Regierung verdrängte Nahostkonflikt ist erneut und mit vehementer Gewalt ausgebrochen. Lösungen sieht man im gesamten, von der US-Regierung so genannten Größeren Mittleren Osten, der durch befriedet, demokratisiert und stabilisiert werden sollte, weniger als noch vor einigen Jahren.

Die Welt scheint tatsächlich auch durch die militärische und politische amerikanische Präventionspolitik unsicherer geworden zu sein. Die sich mehrende Unsicherheit und die aufplatzenden Konfliktherde scheinen nun aber gerade wieder als Bestätigung für ein noch forcierteres Vorgehen herhalten zu müssen. Aus Furcht, bei den Herbstwahlen zu verlieren, versucht nun der schillernde republikanische Politiker Newt Gingrich, der seine große Zeit freilich schon hinter sich hat, mit der Propagierung des Dritten Weltkriegs die Amerikaner wieder durch Angst und Aggression einzufangen. Bush soll für den ehemals mächtigen Sprecher der republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus (1995-1999), der nun im neokonservativen American Enterprise Institute (AEI) mitmischt und im Defense Policy Board des Pentagon sitzt, wieder offensiv die Rolle eines Kriegspräsidenten einnehmen. Im September, nach den Ferien und vor den Wahlen, soll er nach Gingrich erklären, dass die Welt sich im Dritten Weltkrieg befindet, und auf die vielen globalen Konfliktzonen hinweisen.

Damit soll der Irak-Krieg – allerdings war Gingrich ein früher Kritiker der rein militärischen Lösung und der politischen Konzeptionslosigkeit - besser erklärt werden, allgemein müssten die Republikaner, die Gefahr laufen, die Wahlen zu verlieren, den Mut haben, die Wahlen zu nationalisieren. Man müsste sich auch stärker „militant“ äußern und sagen, dass man keine Stadt verlieren wolle. Kriegsrhetorik ist also für Gingrich angesagt, um die Wahlen zu gewinnen. Man müsse die Kriege in Afghanistan und im Irak, die Terroranschläge in Indien, die Bedrohung durch Nordkorea, die Inhaftierung von (mutmaßlichen) Terroristen in Florida, Kanada und Großbritannien und den Konflikt zwischen Israel und Libanon verbinden, um zu zeigen, dass ein globaler Konflikt die amerikanischen Interessen tangiert. Selbst in der Bush-Regierung würden manche zögern und nicht zugeben, dass dies ein Krieg ist. Wenn man das einmal als Krieg bezeichnen und anerkennen würde, würde auch die Zurückhaltung einbrechen. In einem Krieg könne man schließlich fragen, wer gewinnen soll.

Israel würde nicht den Südlibanon nicht verlassen, solange es dort noch eine Rakete gibt. Ich würde dort einmarschieren und alle beseitigen, und ich würde erklären, dass jedes iranische Flugzeug, das versucht, Raketen zu bringen, um sie mit diesen zu versorgen, abgeschossen werden würde. Diese Vorstellung, dass wir diesen einseitigen Krieg haben, in dem das andere Team plant, wie es uns killen kann, und wir verhandeln sollen, ist verrückt.

In einem Weltkrieg, bei dem es um alles geht, lassen sich auch einfacher als bei Konflikten oder lokalen Kriegen Differenzierungen einziehen und einfache Gegensätze („Wir-gegen-sie“)aufstellen. Das vereinfacht auch schnell die Moral, wie dies die Bush-Regierung auch praktiziert hat: „Everything our leaders do must be judged by whether it helps or hurts us in defeating terrorists and their state sponsors.“ Gingrich sieht die „Iran-Syrian-Hezbollah-Hamas Terrorist Alliance“ aktuell im Zentrum seines „Dritten Weltkriegs“ stehen, bei dem es primär um die Ideologie gehe, um den Krieg der islamistischen Feinde, die wieder zurück in ein „dunkles Zeitalter“ wollen, gegen „die Zivilisation“, wie dies auch schon Bush nach dem 11.9. erfolgreich beschworen hat.

It is necessary to connect the dots to understand the scale of the challenge we face. These are not isolated events: Whether operationally connected or not, these attackers and plotters are connected in their ultimate aim to destroy the values of freedom, security and religious liberty that sustain civilization in the modern age.

Newt Gingrich: A Third World War

Gingrich versuchte seine Position des Zurückschlagens mit aller Härte in der Sendung Meet the Press Amerikanern verständlich zu machen:

Stellen wir uns vor, dass wir diesen Morgen aufgewacht und 500 Amerikaner in Miami durch Raketen, die von Kuba abgeschossen wurden, getötet worden sind. Denken Sie, alle Amerikaner sollten sagen: „Jetzt sollten wir angemessen reagieren? Wir sollten nicht überreagieren?“ Nein. Wir würden sagen: „Beseitigt diese Raketen.“

Auf diese Weise seien auch die bisherigen Weltkriege und die Kuba-Krise gelöst worden. Kennedy, in Absetzung zu den heutigen Demokraten, sei bereit gewesen, einen Atomkrieg zu beginnen, um zu verhindern, dass die russischen Atombomben auf Kuba stationiert werden. Gingrich kritisiert in dieser Hinsicht auch die Bush-Regierung, ohne sie direkt zu nennen, da die USA heute den Diktatoren das Signal geben würde, dass „unabhängig davon, wie sehr ihr uns provoziert, … wie sehr ihr mit Raketen und Atomwaffen herumspielt, ihr uns höchstens zum Verhandeln bringen werdet“. Gingrich hingegen will die USA „sehr stark“ handeln und „sehr deutlich mit Diktaturen“ umgehen sehen. Bush müsse im September vor den Wahlen über die zahlreichen Kriege sprechen und sie als „Ditten Weltkrieg“ zusammenfassen, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen und so zu erreichen, dass die Republikaner mehr Menschen auf ihre Seite ziehen können. Gingrich will also wieder 2001 anknüpfen, als Bush und die Republikaner nach dem 11.9. unter dem Signum des globalen Krieg gegen den Terror fast uneingeschränkt herrschen konnten.