"Radio wirkt" - immer weniger

Nach den Ergebnissen der aktuellen Media-Analyse verloren die Programme weiter Hörer, besonders in der Zielgruppe der 14-49-Jährigen

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In Deutschland wird immer seltener das Radio eingeschaltet. Nach den Ergebnissen der aktuellen Media-Analyse verloren die Programme im Vergleich zur letzten Veröffentlichung im Frühjahr insgesamt 329.000 Hörer pro durchschnittlicher Sendestunde (-1,6%). Noch gravierender war der Rückgang bei der so genannten „werberelevanten“ Zielgruppe der 14-49-Jährigen. Innerhalb eines halben Jahres ging die Zahl der Hörer um 348.000 zurück (-2,9%). Besonders betroffen von der Talfahrt des Hörfunks waren diesmal vor allem die öffentlich-rechtlichen Programme der ARD.

Mit dem Slogan „Radio wirkt“ buhlt die ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH auf ihrer Website um Zuspruch bei potentiellen Kunden für Hörfunkwerbung. Den Werbezeitenvermarktern dürfte die Argumentation in den kommenden Monaten um einiges schwerer fallen, insbesondere, wenn es um die Belegung der öffentlich-rechtlichen Programme mit kommerziellen Spots geht. Die ARD-Sender verloren innerhalb eines halben Jahres immerhin 2,3% ihrer Hörerschaft, bei den unter 50-Jährigen waren es gar 5%. Es hat den Anschein, dass Radio – insbesondere, wenn es in den öffentlich-rechtlichen Funkanstalten produziert wird - bei den Hörern immer weniger wirkt.

Absturz von „Bayern 3“

Kennzeichnend für den Abwärtstrend ist die Entwicklung des ehemals massenpopulären Programms „Bayern 3“. Während der private Konkurrent „Antenne Bayern“ mit deutlich über 1,1 Millionen Hörern in der durchschnittlichen Sendestunde zum meistgehörten Radiosender sogar in ganz Deutschland avancierte, kann die Popwelle des Bayerischen Rundfunks nur noch 525.000 Hörer vorweisen und wurde damit zum Verlierer der jetzt veröffentlichten Erhebung.

Der Absturz kommt nicht von ungefähr. Die Inhalte des Programms von „Bayern 3“ treffen vielfach nicht den Geschmack der Hörer, wie eine TNS-Infratest-Studie ausweist, die vor einer Woche anlässlich der Lokalrundfunktage in Nürnberg vorgestellt wurde. In allen abgefragten Kernkompetenzen wie Musik, Moderation und regionaler Berichterstattung sendet das öffentlich-rechtliche Programm der privaten Konkurrenz weit hinterher.

Jugendwelle für die über 30-Jährigen

Auch in den meisten anderen Sendegebieten dominieren die Privatfunker, zumeist mit deutlichem Abstand vor vergleichbaren Programmen der ARD. Selbst in Regionen, in denen der Wettbewerb überschaubar ist, geben die Privaten den Ton an. So in Nordrhein-Westfalen, wo die im Mantelprogramm von „Radio NRW“ zusammengeschlossenen kommerziellen Lokalstationen auf über 1,4 Millionen Hörer pro Durchschnittsstunde kommen, während der direkte Konkurrent, WDR 2, nur gut die Hälfte zwischen Aachen und Höxter erreicht. Fatal für den Westdeutschen Rundfunk ist vor allem die negative Entwicklung der vermeintlichen Jugendwelle „Eins live“, deren Hörer allerdings im Durchschnitt weit über 30 Jahre alt sind. Bei der eigentlich anvisierten Zielgruppe der 14-29-Jährigen verlor das Programm fast 6% seiner Hörerschaft.

Angesichts der alarmierenden Zahlen für die öffentlich-rechtlichen Hörfunker erscheint es schon fast makaber, wenn die ARD offiziell resümiert, dass „sich bei den kommerziellen Anbietern der rückläufige Reichweitentrend fortsetze“, die eigenen Programme jedoch „ihre Spitzenposition auf dem bundesdeutschen Radiomarkt gefestigt“ hätten.

Stilblüte aus Thüringen

Allerdings erreichte der negative Trend auch die Privatstationen, wenn auch nicht mit solcher Macht, wie die gebührenfinanzierte Konkurrenz. Insgesamt verloren die kommerziellen Sender ein Prozent ihrer Hörerschaft, bei den 14-49-Jährigen immerhin 1,6%.

Ähnlich wie bei der ARD, blieben auch hier die Stilblüten in den eilig am Dienstag verschickten Pressemitteilungen nicht aus: „Mit den Reichweitenverlusten von MDR 1 Radio Thüringen und MDR JUMP im Freistaat ist das öffentlich-rechtliche Hörfunkwerbeangebot praktisch bedeutungslos geworden“, freute sich Hans-Jürgen Kratz, Geschäftsführer des Privatsenders „Antenne Thüringen“. Übersehen hat der Radiomanager dabei allerdings, dass in Thüringen der öffentlich-rechtliche „MDR 1“ mit 207.000 Hörern deutlich die Nase vorn hat, während sein Programm lediglich auf 180.000 Hörer kommt. Auch konnte „MDR 1“ mit 3,0% mehr neue Hörer dazugewinnen, als Kratz’ eigene Station. Der in Weimar ansässige Privatsender steigerte sich nur um 2,3%.