Zwischen den Fronten

Der Konflikt im Nahen Osten polarisiert inner- und außerparlamentarische Gruppen in Europa

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Der Nahostkonflikt verursacht regelmäßig auch in Gegenden Turbulenzen, die Tausende von Kilometern entfernt sind. Gerade in Deutschland sorgen die Ereignisse rund um Israel immer für besonderes Interesse und es besteht sowohl im parlamentarischen wie im außerparlamentarischen Spektrum besonderer Bekenntniszwang. Wie vermint das Gebiet ist, hat jetzt die Entwicklungsministerin Heidi-Wieczorek-Zeul zu spüren bekommen. Der in der letzten Zeit nicht gerade mit Presseaufmerksamkeit belegte umwelt- und friedensbewegte Sozialdemokratin wurde sogar vom Zentralrat der Juden jetzt indirekt der Rücktritt nahegelegt.

„Die Äußerungen von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) ... und anderer SPD-Volksvertreter, wonach die Handlungen Israels schlicht „völkerrechtswidrig" seien, entspringen den üblichen antiisraelischen Reflexen gerade dieser Politikerin. Wieczoreks Äußerungen entbehren zudem auch jeder moralischen und inhaltlichen Grundlage", so ein Sprecher des Zentralrats. Führende Unionspolitiker und selbst ein Sprecher der Grünen haben die Kritik an der Ministerin ausdrücklich unterstützt. Politiker der Linkspartei hingegen forderten eine viel entschiedenere Kritik an der israelischen Politik. . Wieczorek-Zeul ist nicht die einzige prominente Politikerin, die vom Zentralrat der Juden kritisiert wird. Auch Außenminister Steinmeier wird - allerdings moderater - in einer Erklärung gerügt. „Wir bedauern, dass auch Außenminister Steinmeier in dieser Angelegenheit offenbar mit zweierlei Maß misst. Seine öffentliche Verurteilung der Raketenangriffe auf israelische Zivilisten haben wir bis jetzt vermisst."

Ausdrücklich gelobt wird hingegen die Haltung von Bundeskanzlerin Merkel und anderen Unionspolitikern. „Zu Recht hat Bundeskanzlerin Merkel angemahnt, bei dem Konflikt nicht Ursache und Wirkung zu verwechseln und das Ende der Bedrohung Israels durch die Hisbollah-Milizen gefordert." Der konservative Historiker Michael Wolffsohn hält die Solidarität des Zentralrats mit Israel für völlig natürlich: „Wer, wenn nicht vor allem - aber bitte auch nicht nur - Juden, sollte Solidarität mit Israel bekunden?“ Allerdings werden dem längst nicht alle Angesprochenen so zustimmen.

Schwierige Differenzierung

Es gibt nämlich auch kleinere Initiativen, in denen sich jüdische Mitbürger mit anderen gegen die Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung aussprechen. Sie betonen in der Regel, dass sie ebenfalls in Solidarität mit Israel handeln. Der in London lebende peruanische Literat Mario Vargos Llosa betonte in einem Essay, worum er gerade als Freund Israels das Engagement des Landes im Libanon und Gaza kritisiert. Auch er musste schnell erkennen, dass er in ein publizistisches Minenfeld geraten ist. Israelische Schriftstellerkollegen drohten mit der Aufkündigung der Freundschaft und in Leserbriefen wurde Llosa als Kommunist und Castrofreund beschimpft. Dabei hat sich der konservativ-liberale peruanische Romancier in den letzten Jahrzehnten gerade mit seiner entschiedenen Kritik an Kuba profiliert. Der Fall Llosa zeigt deutlich, dass die Nahostdebatte zwar in Deutschland besonders vehement geführt wird, allerdings durchaus auch in anderen europäischen Ländern für Wirbel sorgte.

Während die Konservativen die Politik mehr oder weniger offen verteidigten, gehörten linke Politiker zu den Kritikern dieser Politik. Das führt teilweise zu merkwürdigen politischen Konstellationen. So stellten sich in Spanien die politischen Franco-Nachfolger von der konservativen Volkspartei hinter Israel. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Zapatero stellte hingegen einen Zusammenhang zum US-Krieg gegen den Irak her und rief Israel auf, die Feindseligkeiten zu beenden. Als sich Zapatero gar noch mit einem Palästinensertuch der Öffentlichkeit zeigte, war die Empörung von Rechts groß.

Auch in Italien geriert sich die abgewählte Rechte und Ultrarechte als Verteidigerin der israelischen Politik, während die Kritik stärker wird, je weiter man nach Links geht. Es gibt zwar seit einigen Monaten auf europäischer Ebene den Versuch, eine linksreformerische Strömung zu etablieren, die sich solidarisch zu Israel und den USA verhält. Wie weit sie in der gegenwärtigen Debatte wahrnehmbar sein wird, muss sich erst noch zeigen. In Deutschland könnten die sich selbst israelsoldarisch verstehenden Antideutschen zu dem Spektrum gezählt werden. Auf einer Kundgebung in Berlin interpretieren sie das militärische Engagement Israels als legitimen Kampf gegen islamistischen Antisemitismus.

Bisher dominieren auf der außerparlamentarischen Ebene in Deutschland allerdings eher die israelkritischen Stimmen. Das dabei auch oft die nötige Differenzierung fehlt, zeigten Parolen wie Kindermörder Israel. Von solchen Tönen hält man bei der Initiative für Frieden im Nahen Osten nichts. Dort haben sich Menschen organisiert, die oft Freunde und Verwandte in den Regierungen des Nahen Ostens haben. Die Aktivisten verurteilen gleichfalls die „Gewalttaten der Hamas und Hizbollah“ und die „militärischen Angriffe der israelischen Regierung“.