Fingerabdruck ab Geburt?

Im EU-Ministerrat will man für die Abnahme von biometrischen Daten das Mindestalter von 12 Jahren vorschreiben, Mitgliedsländer könnten dies aber auch schon weitaus früher machen

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Wie britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch berichtet, wird in der EU darüber nachgedacht, Fingerabdrücke auch bereits von Kindern für die EU-Pässe abzunehmen. Beraten über die Gesetzesvorlage wird hinter verschlossenen Türen in einem Komitee verhandelt, das nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 eingerichtet wurde und technische Standards zunächst für Visas und nun auch für Ausweise beschließt. Im Augenblick geht es um die Festlegung des Mindestalters, ab dem ein digitales Passfoto und zwei Fingerabdrücke im Chip eines Reisepasses gespeichert werden müssen.

Nach einem Bericht des Rats vom 26. Juni, den Statewatch erhalten hat, wird ein Mindestalter von 12 Jahren angestrebt, ab dem die Abnahme und Speicherung von Fingerabdrücken EU-weit vorgeschrieben ist. Bis zum Alter von 12 Jahren können Mitgliedsländer Fingerabdrücke verlangen, wenn sie dies national geregelt haben. Entsprechend soll dies im Falle von digitalen Porträts geregelt werden. Mit den in einem RFID-Chip im Reisepass abgespeicherten Fingerabdrücken und Fotos soll eine Fälschung des Dokuments erschwert werden, zudem ist die Aufnahme biometrischer Merkmale wegen der Visa-Anforderungen der USA notwendig geworden.

In dem EU-Papier heißt es, dass die ICAO (International Civil Aviation Organisation) Richtlinien aufgestellt hat, wie digitale Fotos auszusehen haben. Kliene Kinder seien aber nicht geeignet für eine biometrische Erkennung über ein Foto. Nach einer Studie des niederländischen Innenministeriums würde sich bis zum Alter von 12 Jahren die Gesichter so stark verändern, dass eine Gesichtserkennung nur unter hohen Kosten und aufwändiger Software möglich sei. Weiter heißt es, dass Kinder, die älter als sechs Jahre sind, zwar messbare Fingerabdrücke hätten, diese sich aber auch noch verändern würden, was zumindest dein Einsatz von speziellen Programmen notwendig mache. Bei jüngeren Kindern seien die Fingerabdrücke noch zu wenig ausgeprägt für eine Identifikation. Gleichwohl soll offenbar kein Mindestalter festgelegt werden, ab dem in den Mitgliedsländern abweichend von der EU-Regelung digitale Fotos und Fingerabdrücke von Kindern verlangt werden können.

Großbritannien, das bereits von fünfjährigen Kindern von Asylbewerbern Fingerabdrücke macht, versichert allerdings, dass es damit keine nennenswerten Probleme gebe. Nach einer anderen Mitteilung scheint die deutsche Regierung bei Deutschen an einem Mindestalter von 14 Jahren für die Abnahme von biometrischen Daten festhalten zu wollen, bei Visa-Antragstellern, bei denen nicht nur von zwei, sondern von allen zehn Fingern Abdrücke gemacht werden, sollen dies aber bereits ab dem Alter von sechs Jahren genommen werden. Die Niederlande will keine Fingerabdrücke von unter Sechsjährigen nehmen, Schwedens Regierung „könnte einem Mindestalter von sechs Jahren bei Reisepässen zustimmen“.

Statewatch kritisiert, dass mit der Möglichkeit, praktisch ab Geburt Fingerabdrücke von Kindern nehmen zu können, eine wichtige Schwelle überschritten werde: „Wir gehen ohne eine wirkliche Diskussion von der Abnahme von Fingerabdrücken bei Kriminellen über zu einer allgemeinen Abnahme. Letztendlich werden die Fingerabdrücke von allen in einer zentralen Datenbank abgespeichert.“

Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte dem Observer, dass ursprünglich nur die jeweiligen Mitgliedsstaaten Zugriff auf die Fingerabdrucksdaten ihrer Bürger haben sollten. Nach den Anschlägen in Madrid habe die Kommission die Absicht, dass sie in einer zentralen Datenbank landen, auf die jedes Mitgliedsland Zugriff hat. Man habe noch keine Entscheidung getroffen, ob möglicherweise auch Drittländer auf die biometrischen Daten Zugang gewährt werden, sicherheitshalber werde aber bereits für die dazu notwendige Interoperabilität gesorgt. Dann könnte das Ganze noch mehr aus dem Ruder laufen, wenn Geheimdienste anderer Länder darüber angeblich Verdächtige identifizieren können. Wie schnell man als bloßer Verdächtiger auch bei demokratischen Rechtsstaaten verschleppt werden und verschwinden kann, haben die USA vorgeführt. Sichere Reisepässe machen Sinn, sagt Shami Chakrabarti, der Direktor der britischen Menschenrechtsgruppe Liberty, „aber nur, solange nicht mehr Informationen als notwendig gespeichert werden und sie anderen Ländern nicht zugänglich gemacht werden.“