Copyright-Verwirrung

DRM - digitales Rechtemanagement - sollte eigentlich Klarheit für die Konsumenten bringen, wie sie korrekt mit digitalen Waren umzugehen haben. Doch in der Realität ist die Situation verworrener als je zuvor. Selbst Experten können kaum noch dazu raten, welche Angebote unbedenklich sind und wo Kunden übervorteilt werden

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Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat eine Studie über die digitale Medienwelt in Auftrag gegeben. Für die Verbraucherschützer ist das Resümee der 153seitigen Studie klar: die Rechte werden mit Füßen getreten - allerdings sind diesmal die Rechte der Verbraucher gemeint. "Nutzungsbedingungen, Kopierschutzsysteme und ein löchriges Urheberrecht machen die digitale Medienwelt für Konsumenten zu einem rechtlosen Raum", so Patrick von Braunmühl, stellvertretender Vorstand des vzbv. Vier Anbieter von Online-Inhalten mahnten die Verbraucherschützer gar wegen unzulässiger Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab.

Wie kurios das Kopieren in Zeiten des DRM ist, demonstriert zum Beispiel iTunes. Zahlende Kunden dürfen die hier gekaufte Musik nicht nur auf von Apple zertifizierten Geräten abspielen - sie dürfen die Musik auch auf eine Audio-CD brennen. Wenn man die fertig gebrannte CD wieder in den PC einlegt, bietet iTunes komfortabel an, die gefundenen Musikstücke in die iTunes-Bibliothek zu importieren - ohne DRM. Doch dieses Angebot darf der iTunes-Nutzer nicht annehmen: Die iTunes-Nutzungsbestimmungen verbieten es, den Kopierschutz der Dateien zu entfernen. Das Programm schlägt selbst vor, was der Nutzer nicht darf - hier ist offenbar eine besondere Art von Medienkompetenz gefragt. Der Hamburger Rechtanwalt Till Kreutzer, Autor der Studie, fasst die kuriose Lage zusammen:

Die wenigsten Nutzer können angesichts der komplexen rechtlichen Situation heute einschätzen, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Wenn man nicht weiß, was legal und was nicht legal ist, kann man natürlich auch nicht zwischen legalen und illegalen Angeboten unterscheiden.

Es gibt kein verlässliches Kriterium mehr, das dem unbedarften Internetnutzer sicheren Anhalt gibt, ob ein Angebot legal oder illegal ist. Es gibt kostenpflichtige illegale Angebote, es gibt kostenlose legale Angebote. Selbst das Vorhandensein eines Kopierschutzes ist kein Zeichen dafür, dass es sich um ein legales Angebot handelt, bei dem der Künstler zumindest einen Anteil der Kaufsumme bekommt.

Die Musikindustrie sieht sich im Zugzwang. Einerseits will man die eigenen Angebote vermarkten und den Kunden in Sicherheit wiegen, auf der anderen Seite werden Kunden mit massiven Kampagnen gegen Raubkopierer eingeschüchtert. Doch woran soll der Kunde erkennen, dass zum Beispiel der Anbieter AllofMP3.com illegal ist, wie Musikverbände immer wieder betonen und gerichtlich bestätigen lassen wollen.

Zumindest in dem Punkt kann Till Kreutzer beruhigen: "Sich dort Titel herunterzuladen ist nur dann rechtswidrig, wenn die Angebote für den Nutzer offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurden. Ist es für den Nutzer offensichtlich, ob ein russischer Dienst für die Herstellung von Musikdateien Rechte braucht oder - wenn das so sein sollte - diese Rechte erworben hat oder nicht? Davon kann man wohl kaum ausgehen." Sprich: ob AllofMP3.com legal ist oder nicht, ist zunächst einmal das Problem des Anbieters und der Musikindustrie.

Um ungewollten Downloads vorzubeugen, setzen die Branchenverbände auf Kundeninformation. So hat der Verband Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien BITKOM auf seiner Webseite den Tipp des Monats August dem Thema Party-Musik ohne Staatsanwalt gewidmet. Hier erfährt der Nutzer, in welchem Rahmen das private Kopieren legal ist. Das Problem: besonders genau ist der Ratgeber nicht - er führt sogar regelrecht in die Irre. So wird behauptet, dass die gekauften Musikdateien oft im MP3-Format vorlägen. Der einzige große Downloadshop, der dieses Format anbietet, ist jedoch ausgerechnet das ungeliebte Allofmp3.com. Daneben bekommt der Kunde den Ratschlag, sich am Preis zu orientieren: "Legale Musik-Websites sind leicht zu erkennen: Hier ist der Download meist kostenpflichtig. Steht Musik gratis zur Verfügung, sollte man lieber die Finger davon lassen - besonders, wenn die Lieder anderswo Geld kosten." Bei Onlineshops wie iTunes oder Musicload mag diese Richtlinie funktionieren, bei Angeboten wie Last.fm oder Tonspion versagt der Ratschlag. Hier bekommt der Kunde kostenlos, für das er bei den üblichen Plattformen zahlen muss.

Till Kreutzer ist eine weitere Ungenauigkeit aufgefallen, die das Recht der Privatkopie bedeutend weiter einschränkt, als sie das Gesetz vorsieht: BITKOM rät "Man muss nur über die Originale verfügen und sich diese legal besorgt haben. Ebenfalls in Ordnung ist es, sich die Original-CD eines guten Freundes selbst zu brennen." Anwalt Kreutzer dazu: "Tatsächlich ist es so, dass man Privatkopien auch von Kopien machen darf. Brennt ein Freund sich einen CD-Sampler mit seinen Lieblingsstücken zusammen, kann ich mir von dieser Kopie völlig legal wieder eine Kopie machen. Rechtswidrig wäre meine Kopie nur, wenn die Kopiervorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde." Auch die Umgehung des Kopierschutzes, den die BITKOM als "strafbar" bezeichnet ist nicht ganz so brisant wie Kreutzer feststellt:

Das Urheberrechtsgesetz besagt, dass das Umgehen von Kopierschutzsystemen nicht strafbar ist, wenn dies zu privaten Zwecken erfolgt. Solche Handlungen sind "nur" zivilrechtlich unzulässig, aber nicht strafbar.

Um den Wissenslücken im Bereich digitaler Rechte entgegenzuwirken, arbeitet Kreutzer mit an dem Portal iRights, wo Kreative und Konsumenten möglichst sachlich und genau über die tatsächliche Urheberrechtslage informiert werden. Für den Kampf gegen die Urheberrechts-Verwirrung bekam das Angebot in diesem Jahr den Grimme-Online-Award.