Asymmetrische Kriege

Für die israelische Armee ist die Hisbollah überraschend gut ausgerüstet und trainiert, was der Abschuss der Drohne nur bestätigt

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Aus der Ferne gesehen ist es erstaunlich, dass eine technisch und zahlenmäßig weit überlegene Streitmacht nicht innerhalb von ein paar Wochen und zudem mit massiver Unterstützung aus der Luft ein paar Tausend Kämpfer zurückschlagen oder besiegen kann. Es heißt, um den erstaunlichen Erfolg zu erklären, dass die Hisbollah sich mit modernen, aus dem Iran und Syrien stammenden Waffen, vor allem mit Panzer-Abwehr-Waffen, ausgerüstet haben, gut trainiert sind, über eine gute Infrastruktur aus Lagern, Verstecken, Tunnels oder Bunkern verfügen und taktisch geschickt vorgehen. Sie gelten einerseits als Guerilla-Truppe, andererseits als moderne Kampfeinheiten. Zudem verschanzen sie sich nicht in großen Städten, in denen Aufständische in der Masse der Zivilisten am besten gedeckt sind, sondern operieren in Dörfern, kleinen Städten und im unwegsamen Gelände.

Schon alleine deshalb, weil die Hisbollah bei allen Verlusten, die sie erlitten haben, noch immer in der Lage sind, täglich Hunderte von Raketen abzufeuern und damit, ungeachtet der dadurch verursachten, eher zufälligen Folgen, in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben, stieg das Ansehen der radikalislamischen Organisation und vor allem das ihres Anführer Nasrallah in großen Teilen der muslimischen Welt bis hin zu einer Art der Heldenverehrung. Das rührt auch daher, dass nun der Nahe Osten neben Tschetschenien, Afghanistan und dem Irak wieder zu der Zone wurde, an der sich angeblich der Westen und der muslimische Osten wie einst zu Zeiten der Kreuzfahrer gegenüberstehen und jeweils um ihr Überleben kämpfen.

Bislang waren die muslimischen Aufständischen und Terroristen eher schwach gerüstet und standen mit ihren primitiven Waffen, mit denen sich kein offener Kampf führen lässt, den hochgerüsteten Armeen gegenüber. Was nun den Libanon mit Afghanistan oder dem Irak verbindet, ist, dass in diesem asymmetrischen Krieg die eine Seite die absolute Luftüberlegenheit besitzt und damit einen gewaltigen Vorteil hat, auch wenn Bombardierungen, gehen sie daneben und treffen die Falschen, in ihrer Wirkung durchaus eben jenen Anschlägen gleichen, die die Hisbollah mit den Raketen durchführt, die seit Beginn der Kämpfe täglich nach Israel abgefeuert werden. Die Präzisionsbomben der einen Seite stehen den „dummen“ Bomben der anderen gegenüber. Auch der Einsatz der Raketen, die wohl vorwiegend aus dem Iran stammen, unterscheidet diesen Konflikt von Afghanistan und Irak, wo das Land bereits militärisch besiegt war und Aufständische mit Überfällen und Anschlägen auf dem Boden reagieren.

Die Hisbollah war wohl auch die erste Gruppe, die Drohnen – vermutlich iranischer Herkunft - besaß und sie auch bereits zwei Mal über dem Luftraum Israels zur Überraschung des israelischen Militärs vorführte. Drohnen werden von israelischer Seite zur Überwachung des Kampfgebiets in großer Zahl eingesetzt und gewähren gewaltige Vorteile, weil sich Tag und Nacht Bewegungen auf dem Boden entdecken und verfolgen lassen. In der Nähe von Haifa wurde nun nach Angaben des israelischen Militärs eine mit 150 km/h fliegende Hisbollah-Drohne über dem Meer von Kampfflugzeugen abgeschossen. Ob die Drohne mit Waffen ausgestattet war, ist nicht bekannt.

Über wie viele Drohnen die Hisbollah verfügt, ist ebenso unbekannt. Möglicherweise könnte sie eine der Geheimwaffen sein, die für die Überraschung sorgen sollten, die Nasrallah ankündigte. Nach seinen Angaben könnten sie bis zu 45 Kg Sprengstoff transportieren. Sie könnten aber auch, sofern die Hisbollah chemische oder biologische Waffen besitzt, diese an ihr Ziel bringen. Wie es heißt, habe das israelische Militär die Drohen schon nach Eintritt in den israelischen Luftraum erkannt und verfolgt, aber wenn die Hisbollah über zahlreiche Drohnen verfügt, die mit Waffen ausgestattet sind, dann ist damit nicht nur das Risiko groß, sondern auch ein entscheidender Schritt getan, der die bislang vorhandene militärtechnische Überlegenheit von staatlichen Truppen unterminiert. Das wahrscheinliche Vorhandensein weiterer Drohnen ist zumindest für Israel so bedrohlich wie die Verfügung über die Zelzal-Langstreckenraketen, die die Hisbollah aber bislang aufgrund eines aus dem Iran stammenden Verbots nicht einsetzen durfte. Nach Berichten von Ynet überwachen nun verstärkt Hubschrauber und Kampfflugzeuge den israelischen Luftraum.

Drohnen, Anti-Panzer-Waffen oder Raketen ersetzen Selbstmordattentäter, die die Hisbollah früher einsetzte. Allerdings wird die Kriegsführung dadurch auch technischer und damit zwar einerseits erst einmal gefährlicher, andererseits kann sie aber auch leichter zu parieren sein, weil technisch die israelische Armee, eine der am besten ausgerüsteten Armeen der Welt, weiterhin überlegen bleibt. Allerdings sollen sich die Hisbollah seit Jahren – und mit Schulung durch iranisches Militär – auf den asymmetrischen Krieg eingestellt haben. Wie der ehemalige UNIFIL-Berater Timur Goksel der New York Times sagte, hat Hisbollah nicht nur moderne Waffen, sondern sie hat sich auch auf die Kriegsführung der israelischen Armee vorbereitet, die mit überwältigender Macht vor allem aus der Luft arbeitet. Hisbollah würde im Unterschied zu den Palästinensern langfristig planen und flexibel mit flachen Kommandostrukturen agieren. Zudem sorgen lokale Unterstützer für verdecktes Handeln. Nach Goksel ist es die Strategie der Hisbollah, die israelische Truppen in einen Bodenkrieg zu verwickeln und diesen weiter ins Hinterland zu ziehen, um die Versorgungswege für diese länger und gefährlicher zu machen.

Die israelische Armee weitet den Einsatz der Bodentruppen aus. Ministerpräsident Ehud Olmert versicherte, das Militär würde trotz der Verhandlungen über eine Resolution zur Waffenruhe keinen Beschränkungen unterliegen, um das Abfeuern von Raketen zu unterbinden. Der brachiale Einsatz von Feuerkraft ist also gedeckt und angeordnet. Aber wenn die israelischen Soldaten tiefer in den Libanon vorrücken, könnten sie dadurch auch eher in die Fallen tappen.

Falls Libanon nun tatsächlich Truppen in den Süden entsendet, könnte dies die Situation noch schwieriger machen. Schon jetzt wurden durch die Bombardierungen einige libanesische Soldaten getötet. Dann geraten sie zwischen die Front, was auch jeder Schutztruppe so ergehen würde. Israel könnte die Hisbollah vermutlich nur eliminieren, wenn es noch massiver als bislang den Libanon bombardiert. Politisch würde Israel auch dann, wenn es erst einmal siegreich sein sollte, keinen langfristigen Erfolg haben. Anstatt nur auf militärische Stärke zu setzen, müsste Israel stärker politisch handeln und versuchen, den Extremisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die US-Regierung unter Bush, die wenig erwachsen und eher pubertär bislang trotz des unübersehbaren Scheiterns in Afghanistan und im Irak weiterhin auf die Demonstration und den Einsatz der militärischen Überlegenheit setzt, ist dafür keine große Hilfe.