Nach dem Feuer ist vor dem Feuer

Zerstörte Landschaften nach zwei Brandwochen im spanischen Nordwesten. Die Feuer gehen meist auf Brandstiftung zurück

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Nach zwei Wochen haben die Löschmannschaften in Spanien langsam alle Waldbrände unter Kontrolle bekommen, die vor allem in der Region Galizien loderten. Heute hat der erwartete Regen eingesetzt, fast alle Feuer sind gelöscht. Mit dem Regen, so wird gehofft, wird ein Neuaufflammen der Brände verhindert. Mit ihm kommen aber neue Probleme auf die Ökosysteme zu, denn er spült große Aschemengen in die Flüsse, welche die sensiblen Ökosysteme an den Atlantikmündungen gefährden. Die sind ohnehin angeschlagen nach der Ölpest des Tankers Prestige 2002. Die damals gegründet Bürgerbewegung Nunca Mais wurde reaktiviert und ruft jetzt zu Protesten gegen die Brandstifter auf. Die Schlacht um die Verantwortung für die Katastrophe ist losgebrochen, und es stellt sich vor allem die Frage, warum ausgerechnet das relativ feuchte und bewaldete Galizien so stark betroffen war.

Die Feuer in Portugal und Galizien. Envisat-Stellitenaufnahme vom 9. August. Bild: European Space Agency

In den letzten beiden Wochen gab es allein in Galizien etwa 1.500 Waldbrände. Vier Menschen kamen dabei im spanischen Nordwesten ums Leben. Tausende Freiwillige und Profis bekämpften die Brände, darunter waren auch 2.000 Soldaten, die von der Zentralregierung mobilisiert wurden. „Zehntausende Hektar Wald“ seien den Flammen zum Opfer gefallen, sagte der sozialistische Präsident der Regionalregierung Emilio Pérez Touriño.

Den vielen Helfern ist es zu verdanken, dass nicht ganze Wohngebiete abbrannten. Denn auffällig war, dass viele Feuer in unmittelbarer Nähe von Städten wie La Coruña, Santiago de Compostela, Pontevedra und Ourense gelegt wurden. „Die Konzentration von Bränden in wenigen Tagen und so nah an bewohnten Gebieten ist einmalig“, weisen nach dem Soziologen Antón Álvarez Sousa von der Universität in La Coruña darauf hin, dass sie meist auf das Konto von Brandstiftern gehen. Der sozialistische Bürgermeister Xosé Sánchez Bugallo von Santiago de Compostela sagte, man habe versucht ,mit den Feuern den Regierungssitz der Regionalregierung „einzukreisen”. Mutmaßliche Brandstifter wurden verhaftet, auch zwei Feuerwehrleute sind darunter. Neun sitzen noch in Haft, von denen einige in flagranti erwischt wurden.

Jetzt beginnen die Schuldzuweisungen. Die Gegner der Linksregierung weisen ihr die Schuld für die Brandkatastrophe zu. Dabei hat die rechte Volkspartei (PP), die quasi seit dem Putsch der Generäle 1936 die Region bis 2005 regiert hat, weder Prävention betrieben, noch die Löschkräfte entsprechend ausgerüstet. Die PP behauptete gestern, 175.000 Hektar Wald seien abgefackelt worden. Angeblich hat sie für diese Zahl Satellitenbilder der Nasa ausgewertet. Stimmte die Zahl, wäre nun allein in Galicien mehr Wald abgebrannt als im Rekordbrandjahr 2005 in ganz Spanien. Die Regionalregierung spricht heute dagegen von etwa 70.000 Hektar, genaue Zahlen werde sie innerhalb von 48 Stunden liefern. Die EU gibt 85.000 Hektar an. Aber auch so wären in nur zwei Wochen ungefähr so große Flächen abgefackelt worden, wie sonst in Galicien im gesamten Jahr.

Warum agierten diesen Sommer in Galizien systematisch Brandstifter?

Die noch stark bewaldete Region macht mit etwa 30.000 Quadratkilometern nicht mal ein Zwanzigstel der Staatsfläche aus und gehört eher zu den feuchteren Landesteilen. Traditionell wird hier aber fast die Hälfte aller Waldbrände gelegt. Dieses Jahr dürfte die Region, in der die Umweltorganisation WWF bisher etwa 11.000 Brände registrierte, über der Hälfte liegen. In anderen Landesteilen gab es weniger Feuer als im Vorjahr, obwohl ganz Spanien erneut ein extremes Dürrejahr durchlebt.

Wurden in Spanien zwischen 2000 und 2005 jährlich etwa 22.000 Brände registriert, schnellte die Zahl im vergangenen Jahr auf fast 26.500 hoch, heißt es in einem Bericht des WWF. Das hatte wenig mit der anhaltenden Dürre, sondern mehr mit dem neuen „Berggesetz“ zu tun, welches die sozialistische Regierung nach der Machtübernahme 2004 aus Madrid angekündigt hatte. Demnach ist es 30 Jahre lang nach einem Brand unmöglich, den abgebrannten Wald als Bauland oder für die Landwirtschaft zu nutzen. Das Gesetz hatte nur einen Haken, seit 2004 angekündigt, trat es erst kurz vor diesem Brandsommer in Kraft. Deshalb wurde im letzten Jahr noch einmal ausgiebig im ganzen Staat gezündelt.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes erklärt sich, warum die Brände insgesamt trotz Dürre zurückgingen. Es erklärt aber nicht, warum ihre Zahl und die vernichteten Flächen in Galicien zunehmen. Die Zentral- und Regionalregierung sehen sich einer Feuerkampagne gegenüber. „Wir kämpfen hier nicht gegen ein Naturphänomen", sagte der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba „Dahinter stecken eine strategische Planung und äußerst üble Absichten“, fügte er an, ohne genauer zu werden. Galiziens Umweltstaatsanwalt Álvaro García Ortiz macht hauptsächlich „psychisch gestörte Pyromanen“ verantwortlich, die persönliche Gründe anführten.

Auch Ablenkungsmanöver von Drogendealern, die ihre Geschäfte gern über Galicien abwickeln, werden gern als Begründung genannt. Die wollten die Sicherheitskräfte anderweitig beschäftigen. Es wird auch vermutet, es würden offene Rechnungen beglichen oder versucht, sich auf diese Art Arbeit in den Löschmannschaften und der Aufforstung zu schaffen, denn Galicien ist vergleichsweise arm. Gesagt wird auch, auf diese Art werde versucht niedrige Holzpreise steigen zu lassen. Einige Waldbauern wollten sich vielleicht die Wiederaufforstung mit schnell wachsendem Eukalyptus für die Papierindustrie auch noch über Hilfsgelder bezahlen lassen. Denn zu den angekündigten Entschädigungen für oft abgefackelte Mischwälder kommt hinzu, dass man sich ihnen auf eine andere Art nur schwer entledigen kann. Dass oft Wälder in unmittelbarer Stadtnähe angezündet wurden, weist aber auf auch Spekulationsinteressen hin. Denn trotz Berggesetz haben die Gemeinden viele Möglichkeiten, die Flächen trotz Berggesetz umzuwandeln. Insgesamt darf davon ausgegangen werden, dass ein Mix aller Begründungen für die Katastrophe verantwortlich ist.

Umweltorganisationen machen vor allem eine fehlende Prävention, eine falsche Aufforstung mit Monokulturen aus Nadelhölzern und Eukalyptus sowie die Vernachlässigung der Wälder dafür verantwortlich, dass sich kleine Brände wegen der großen Masse an trockenem Unterholz extrem schnell ausbreiten. Greenpeace erklärte derweil, die neue Regionalregierung habe die Umweltpolitik der ultrarechten Vorgänger fortgesetzt und die Wälder vernachlässigt.

Mit dem einsetzenden Regen wird nun befürchtet, dass Asche in großen Mengen in die Flüsse gespült wird und darüber die sensiblen Biotope gefährdet werden, die an den Atlantikmündungen bestehen. Dort konzentriert sich auch Galiziens Reichtum an Meeresfrüchten. Diese Gebiete sind noch von der letzten Ölpest angeschlagen. Der Tanker Prestige hatte vor allem Galizien 2002 eine der größten Umweltkatastrophen Europas beschert. Die PP-Regierung ließ ihn nicht vor der Küste leer pumpen, sondern ihn aufs offene Meer schleppen, wo er zerbrach.