Heikle Mission

Diskussion über den Einsatz von deutschen Truppen im Rahmen einer UN-Mission zur Friedenssicherung im Nahen Osten

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Eigentlich gehört das Engagement deutscher Truppen in vielen Teilen der Welt im Rahmen von UN-Missionen mittlerweile zur Normalität. Doch die Frage, ob und in welcher Form die Bundeswehr im Nahen Osten aktiv werden soll, hat eine Diskussion ausgelöst, wie sie Mitte der 90er Jahre geführt wurde. Allerdings haben sich die Fronten teilweise vertauscht.

Während vor über 10 Jahren die Konservativen und Liberalen mehrheitlich schnell dafür waren, Militär auf dem Balkan zu schicken, dauerte es bei SPD und Grünen länger, von der Position abzurücken, dass die Bundeswehr dort, wo die Wehrmacht einst ihre Stiefel hingesetzt hatten, nichts zu suchen hat.. Dafür haben sich die Grünen dann mit besonders viel Verve und Engagement für die Truppenentsendung eingesetzt.

Auf das Territorium des heutigen Libanon und Israel gab es im Zweiten Weltkrieg bekanntlich keine Wehrmachtsoldaten. Entsprechende Pläne wurden durch die Niederlage der Wehrmacht gegen die Briten in Nordafrika obsolet. Doch die deutsche Vergangenheit ist bei der aktuellen Auseinandersetzung wieder sehr lebendig. „Wenn es eine Region in der Welt gibt, wo deutsche Soldaten nichts zu suchen haben, dann im Nahen Osten an der Grenze zu Israel“, so die Position des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Als eine generelle Absage an ein deutsches Engagement soll dies allerdings auch nicht verstanden werden. Es komme vor allem auf die Haltung der israelischen Regeierung an.

Diskussionen in Israel

Die israelische Regierung hat nun schon vor einer Woche deutlich gemacht, dass man sich deutsche Militärs zur Abwehr von Hisbollah-Angriffen wünscht. Allerdings müsse verhindert werden, dass deutsche Soldaten auf Israelis schießen. Deshalb sollen auch nach den Vorstellungen der Regierung in Tel Aviv die Soldaten auf libanesischem und nicht auf israelischem Boden stationiert werden. Damit soll auf die Reaktionen im eigenen Land Rücksicht genommen werden. Denn viele Holocaust-Überlebende und ihre Verwandten können sich mit deutschen Militärs in ihrer Nähe gar nicht anfreunden. Dabei mischen sich sowohl bei den Befürwortern als auch den Gegnern eines deutschen Engagements historische und aktuell-politische Debatten.

So sprach sich der Professor für Deutsche Geschichte an der Universität von Tel Aviv Moshe Zuckermann vehement gegen eine Truppenentsendung aus: „Die Vorstellung, dass deutsche Soldaten auf israelische Bürger schützend aufpassen, ist für viele Israelis nicht vorstellbar und abstoßend“, so Zuckermann. Er ist allerdings auch ein profilierter Gegner der gegenwärtigen Militär- und Außenpolitik Israels. Auch unter der jüdischen Interessenvertretung gibt es entschiedene Gegner und Befürworter der Entsendung deutscher Truppen in den Nahen Osten.

Berliner Gemengelage

Ähnlich diffizil ist auch die Gemengelage bei den politischen Parteien in Deutschland. So finden sich die größten Bedenken für ein deutsches Engagement bei der CSU. „Israel unterstützen ja – aber ohne Soldaten an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel aus historischen Gründen“, wiederholte der CSU-Vorsitzende Stoiber Argumente, wie sie in der Vergangenheit von Links zu hören waren. Jüngere Unionsabgeordnete hingegen kopieren Joschka Fischer, wenn sie gerade wegen der Vergangenheit ein Militäreinsatz befürworten.

Politiker der Linkspartei lehnen mit Verweis auf Deutschlands Vergangenheit eine Beteiligung deutscher Soldaten bei einer internationalen Friedenstruppe ab. Allerdings geht es dabei nicht primär um eine Rücksichtnahme auf Shoah-Überlebende in Israel. Vielmehr fürchtet man, dass Deutschland aus historischen Gründen nicht neutral sein könne, sondern immer auf Israels Seite stehen würde. Ähnliche Argumente werden allerdings von rechten Parteien gebraucht, wo man unter Slogans wie „Sterben für Israel“ subtile antisemitische Töne hören kann. Mittlerweile haben Mitglieder der Linkspartei in einem Offenen Brief eine antiisraelische Schieflage in der Nahostpolitiker ihrer Partei bemängelt.

Bei den Grünen hält sich man sich bedeckt und argumentiert, dass es für eine Entscheidung noch zu früh sei. Christian Ströbele will einem Einsatz bewaffneter deutscher Soldaten im Parlament nicht zustimmen. Nicht festlegen wollte er sich bei einem Marineeinsatz. „Über den Einsatz eines Lazarettschiffes lässt sich diskutieren.“

Ein Entsendung deutscher Kampftruppen wird es wohl in naher Zukunft nicht geben. Dafür zeichnet sich ab, dass die deutsche Marine vor der libanesischen Küste den Waffen-Nachschub an die Hisbollah unterbinden soll. Auch ein Einsatz des Bundesgrenzschutzes an der syrisch-libanesischen Grenze ist in der Diskussion. Allerdings mehren sich die warnenden Stimmen, die daran erinnern, dass der BGS für eine solche Mission nicht ausgebildet sei. Den Politikern ist klar, dass es im Nahen Osten keine ungefährlichen Aufgaben gibt. Darauf weisen auch entschiedene Befürworter einer deutschen Beteiligung bei CDU und SPD hin. Die Gefahrenprognosen sind natürlich von der politischen Situation abhängig.

Niederlage der deutschen Diplomatie

Ein Argument der Kritiker eines militärischen Engagements in der Region lautete, dass Deutschland so die Rolle als ehrlicher Makler und Vermittler verlieren könnte. Doch eben an der diplomatischen Front hat Deutschland kürzlich eine Niederlage hinnehmen müssen. Außenminister Steinmeier sagte am Dienstag in letzter Minute einen Besuch in Syrien ab. Zuvor war der Wortlaut einer Rede des syrischen Präsidenten bekannt geworden. Er hatte die Hisbollah als Siegerin der jüngsten Auseinandersetzung bezeichnet und weitere Unterstützung angekündigt. Israel wurde hingegen von Assad als Feind in der Region klassifiziert, mit dem es keinen Frieden geben könne. Damit hat sich Syrien in eine Front mit dem Iran, der Hamas und der Hisbollah begeben. Dabei war es gerade das Ziel der deutschen Diplomatie, Syrien aus dieser Front herauszubrechen. Mittelfristig sollte Weg für ein syrisch-israelisches Übereinkommen gelegt werden. Dafür sollte Syrien die Unterstützung von Hisbollah und Hamas beenden.

Diese von verschiedenen europäischen Staaten unterstützte Strategie des Wandels durch Annäherung stieß in den USA allerdings auf Misstrauen. Dort wird man sich nach der Brandrede von Assad bestätigt sehen. Sie ist allerdings ein Ausdruck der weiterhin völlig unklaren Situation. Da Israel seine Kriegesziele nicht erreicht und hohe Verluste erlitten hat, gerieren sich die Hisbollah und ihre Unterstützer im Iran und Syrien als Sieger. Sie würden jedes Zugeständnis aus Tel Aviv nur als Zurückweichen eines angeschlagenen Feindes sehen und keineswegs als Ansporn, selber Kompromisse einzugehen und zu verhandeln. Daher ist die große Frage, ob der kalte Frieden von Dauer sein wird. Deutsche Politiker aber fürchten ein Szenario, wo Soldaten im Rahmen des UN-Einsatzes zu Schaden kommen und die Stimmung im Land, die mehrheitlich gegen die Truppenentsendung ist, weiter kippt.