Briten sehen sich in einem "Weltkrieg gegen islamischen Terrorismus"

Nach einer aktuellen Umfrage halten die Briten zwar nichts von der Bindung an die US-Regierung und deren Antiterrorkampf, fordern aber eine aggressivere Außenpolitik und mehr Sicherheitsmaßnahmen

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Eine aktuelle Umfrage nach dem angeblichen verhinderten, unmittelbar drohenden Terroranschlag auf Passagierflugzeuge (Von den "vereitelten Terroranschlägen") kam zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Zwar ist eine überwältigende Mehrheit der Briten der Meinung, dass sich der Westen in einem „globalen Krieg gegen Terroristen“ befindet, aber die Mehrzahl ist auch der Ansicht, dass dieser Krieg so, wie ihn US-Präsident Bush und der britische Regierungschef Blair führen, nicht erfolgreich sein wird. Die polizeilichen Untersuchungen des Terrorplans haben offenbar noch immer keine eindeutigen Hinweise ergeben. In einem Wald wurde ein Koffer gefunden, der angeblich alles enthalten soll, was man zum Herstellen einer Bombe braucht. Scotland Yard hat dies aber nicht bestätigt. Die Festgenommenen werden weiter verhört, ihre Haft wurde sieben bzw. fünf Tage verlängert. Der am Dienstag Festgenommene ist wieder entlassen worden.

Die Position der britischen Bürger ist nach der von YouGov durchgeführten Umfrage für die Zeitschrift Spectator auch in einem Punkt sehr deutlich. Die Briten wünschen sich eine Abnabelung ihrer Regierung von der Bush-Regierung und eine stärkere Anlehnung auch im Antiterror-Kampf an die Europäische Union. Nur 14% sagen, Großbritannien solle seine Außenpolitik stärker an den USA ausrichten, 46% sind eher für eine stärkere Anbindung an den Rest Europas, 27% für eine größere Unabhängigkeit von beiden. 53% äußerten allerdings den Wunsch, dass Großbritanniens Außenpolitik angesichts der Terrorbedrohung noch aggressiver als bisher werden sollte. Und fast vier Fünftel meinen, dass der von US-Präsident Bush ausgerufene Krieg gegen den Terrorismus nicht gewonnen wird, während über 70% der Überzeugung sind, dass „wir uns in einem Weltkrieg gegen islamische Terroristen befunden, die den westlichen Lebensstil bedrohen“. Man richtet sich darauf ein, dass dieser Krieg nicht bald ein Ende finden wird. 60 Prozent glauben, er werde 10 Jahre lang dauern, 44 Prozent meinen, man werde ihn 20 Jahre lang führen müssen.

Der von Blair und Bush geprägte globale Krieg wird also übernommen, die von den beiden Ländern getroffenen Maßnahmen aber offenbar abgelehnt. Dazu passt auch, dass sich 46% nach dem 11.9. nicht sicherer fühlen, während ebenso viele sagen, es habe sich nichts verändert. Die große Mehrheit geht auch davon aus, dass der nächste Terroranschlag bevorsteht, obwohl immerhin die Hälfte meint, dass die britischen Muslime gemäßigt seien.

Knapp die Hälfte geht zwar davon aus, dass die britische Regierung „allgemein“ die Terrorgefahr nicht übertreibt, immerhin 35% nehmen dies aber an. Für 12% liegt der Grund darin, dass die Regierung nicht genügend informiert sei, für 23%, dass sie die Wahrheit nicht so darstelle, wie sie ist. Dennoch wird die Innen- und Sicherheitspolitik der britischen Regierung akzeptiert. Die Briten wollen mehrheitlich, dass man Verdächtige, wie es die Regierung wünscht, bis zu 90 Tage ohne Anklage festhalten darf (gegenwärtig sind es 28 Tage, weil die Regierung im Parlament mit ihrem Gesetzesentwurf nicht durchgekommen ist). Überhaupt liegen nach dieser Umfrage die Sicherheitspolitiker richtig. Die Mehrheit der Befragten ist für eine weitere Verschärfung der Kontrollen an Flughäfen, zumindest würden die Menschen sich dadurch sicherer fühlen. Und sie meinen, dass schärfere Kontrollen auch schon früher hätten eingeführt werden sollen. Zudem hat die Mehrheit nichts dagegen, wenn bei den Kontrollen bestimmte Personengruppen besonders unter die Lupe genommen werden. Mit diesem „Profiling“, das der britische Innenminister vorgeschlagen hat, würde man Muslime, Menschen aus bestimmten Herkunftsländern oder mit zusätzlichen Eigenschaften als besonders riskant selektieren.

Wie man ein solches kollektives Psychogramm interpretieren kann oder soll, ist interessant, weil es die Zerrissenheit der Menschen zeigt. So kann sich die britische Regierung, die auf schärfere Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus setzt (Im Krieg mit "islamischen Faschisten"), innenpolitisch bestätigt fühlen. Irgendwie aber auch außenpolitisch, da offenbar noch mehr Aggressivität als bislang gefordert wird. Wie man dies aber mit einer engeren Bindung an Europa und dem geforderten Abstandnehmen von den USA erreichen will, ist schleierhaft. Die Skepsis gegenüber der Regierung, die sich dem von den USA kontrollierten Krieg verschrieben hat, ist auf der anderen Seite groß. Mit dieser Art von Krieg erreicht man nichts und wird die Welt nicht sicherer, führen muss man ihn aber nach Ansicht vieler dennoch – und das Feindbild ist im Sinne von Buch/Blair korrekt. Deutlich wird jedenfalls, dass eine Politik, die auf die Erhaltung der Bürgerrechte dringt und einen anderen Ansatz als den militärischen verfolgt, wohl derzeit keine großen Chancen haben dürfte. Man ist bereit, Freiheit zugunsten von Sicherheit zu opfern, und man will eine andere Politik, die aber mehr oder weniger dasselbe macht – nur ein wenig europäischer und weniger als Pudel der USA.

Die Zeitschrift Spectator, die die Umfrage in Auftrag gegeben hat, sieht die Briten, die mit großer Mehrheit bejahen, dass wir uns in einem Weltkrieg gegen islamistische Terroristen befinden, ganz auf neokonservativer Linie von Eliot Cohen, Norman Podhoretz oder Newt Gingrich (Der "Dritte Weltkrieg"). Die Position wird überdies so gedeutet, dass die Briten in der Mehrheit den Nahost-Konflikt, also den Konflikt zwischen Israel und Hamas sowie Hisbollah, als Teil des Weltkriegs sehen, da nur 8% der Meinung sind, der islamische Terrorismus sei ein regionales Problem:

This could be good news for Israel if its struggle with Hezbollah and Hamas is seen as part of a wider conflict. People are increasingly preparing for a long, bitter and potentially bloody struggle, with 60 per cent of respondents saying they expect the threat from terror groups to worsen over time. Only 6 per cent of respondents said they thought the conflict against Islamic terrorists would last five years or less; only 18 per cent believe that it will be over within ten years.