Zwölf Planeten

Das Sonnensystem soll künftig drei Planeten mehr haben als bisher

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In Prag tagt zurzeit die Internationale Astronomische Union (IAU). Die Experten für Himmelskörper diskutieren seit Jahren darüber, ob Pluto tatsächlich ein Planet ist oder ob ihm dieser Status aberkannt werden sollte. Immer mehr ihm ähnliche Objekte wurden in den vergangenen Jahren jenseits des Neptuns entdeckt. Und jedes Mal entbrannte nach dem Aufspüren eines großen, um die Sonne kreisenden Brocken die Debatte darüber, ob es sich um einen zehnten Planeten handle. Eine Kommission der IAU legt nun einen Entwurf vor, der auf der Konferenz in Prag erläutert und am Ende zur Abstimmung vorgelegt wird. Der Vorschlag: Drei weitere Objekte sollen zu Planeten ernannt werden.

Pluto wurde 1930 von Clyde William Tombaugh entdeckt. Weit weg von der Sonne umkreist er sie auf einer exzentrischen Umlaufbahn. Und obwohl er deutlich kleiner ist als der Mond, der um die Erde kreist, wurde Pluto als neunter Planet klassifiziert.

Insgesamt hat er wenig Ähnlichkeit mit den acht anderen Planeten, er ist ein eisiger Zwerg, der als Teil eines Vierfach-Systems an den Grenzen des Sonnensystems seine Bahn zieht (Pluto hat zwei weitere Monde). Die beiden neu aufgespürten Monde - die in jedem Fall Monde sind und bleiben - erhielten inzwischen die Namen Nix und Hydra (Pluto's Two Small Moons Officially Named Nix and Hydra).

Vorschlag der IAU für ein erweitertes Planetenverständnis - hier schematisch (Größenverhältnisse nicht den realen Gegebenheiten entsprechend) in ihrer Position zur Sonne dargestellt (Bild: The International Astronomical Union/Martin Kornmesser)

Die Minimaldefinition eines Planeten lautet bisher: "nicht selbstleuchtende große Himmelskörper, die einen Stern umlaufen" (Brockhaus Lexikon Astronomie). Unter diese Kategorie fallen sehr verschiedene Himmelskörper rund um unsere Sonne. Die inneren Planeten unseres Sonnensystems sind erdähnlich oder felsig; Merkur, Venus, die Erde und Mars haben feste Oberflächen und eine hohe Dichte bei geringer Rotationsgeschwindigkeit. Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sind Gasplaneten, die vor allem aus Wasserstoff und Helium bestehen, eine geringe Dichte haben und schnell rotieren. Pluto ist in jeder Hinsicht eine Ausnahme, er ähnelt vor allem den größeren und kleineren Planetoiden oder Kleinstplaneten, die jenseits von ihm im Außenbereich des Sonnensystems, im so genannten Kuiper-Gürtel, unterwegs sind. Sein enger Begleiter Charon ist rund halb so groß wie er selbst - deswegen vertreten viele Astronomen schon länger die Meinung, die beiden müssten eigentlich als Doppelsystem (mit zwei Monden) eingestuft werden (Der "Doppelplanet" Pluto und Charon).

Ein Asteroid, ein Mond und ein Kuiper-Gürtel-Objekt

Die Astronomie hat im letzten Jahrzehnt enorme Fortschritte gemacht. Immer neue Objekte jenseits des Neptuns tauchten auf, und auch neue Asteroiden im Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter (Myriaden kosmischer Zeitbomben tummeln sich zwischen Mars und Jupiter), andere wurden erstmals genau vermessen (Mutter mit zwei Söhnen). Die Entdeckung sehr großer Kuiper-Gürtel-Objekte wie Quaoar oder Sedna heizten in jüngster Zeit die Debatte um die Definition und präzise Unterscheidung von Planeten und Kuiper-Gürtel-Objekten an.

Spätestens seit der Entdeckung des astronomischen Objekts mit der Katalognummer 2003 UB313, von den Astronomen inoffiziell auch Xena (nach der Fantasy-Serienheldin) genannt, musste darüber diskutiert werden, ob es sich um den zehnten Planeten handelt oder ob vielmehr Pluto diese Bezeichnung entzogen werden muss ("It's definitely bigger than Pluto ..."). Nach neuesten Erkenntnissen ist Xena definitiv größer als Pluto (Neu entdeckter "Planet" ist größer als Pluto und Hubble Finds 'Tenth Planet' is Slightly Larger than Pluto.

Die zuständige Vereinigung für diese Debatte ist die seit 1919 existierende Internationale Astronomische Union (IAU). Die IAU begriff die Notwendigkeit einer entsprechenden Entscheidung und berief vor zwei Jahren eine Kommission aus sieben Astronomen, Autoren und Historikern mit internationaler Reputation ein, die einen Vorschlag zur Lösung erarbeiteten (Members of the Planet Definition Committee). Ein langes Ringen endete letztlich in erstaunlicher Einigkeit. Der Vorsitzende der Kommission, Owen Gingerich erklärte:

Im Juli führten wir heftige Debatten, sowohl was die naturwissenschaftlichen als auch die kulturellen und historischen Implikationen anging und am zweiten Morgen [des Treffens] gaben mehrere Mitglieder zu, nicht geschlafen zu haben, weil sie befürchteten, dass wir nicht fähig sein würden, einen Konsens zu erreichen. Aber am Ende eines langen Tages war das Wunder geschehen. Wir hatten eine einhellige Übereinkunft erreicht.

Jetzt tagen 2.500 Astronomen in Prag (XXVIth General Assembly), diskutieren über die Vorlage und werden am 24. August in ihrer Hauptversammlung entscheiden, ob sie angenommen wird. Die Experten schlagen vor, dass alle neun Planeten ihren Status behalten, aber drei neue dazu kommen sollen: der Asteroid Ceres, Charon, der bisher als Plutos Mond galt (Der Schatten des Charon) und das Kuiper-Gürtel-Objekt 2003 UB313 (Spitzname Xena). Damit wäre der alte Merkspruch Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten, mit dem man sich die Reihenfolge von der Sonne aus und die Anfangsbuchstaben der Planeten merken konnte, hinfällig. Die neue Planetenfolge wäre: Merkur, Venus, Erde, Mars, Ceres, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Plato, Charon und 2003 UB313.

Die möglichen Neuen im Überblick:

Der Vorschlag beruht auf einer neuen Definition der Kategorie Planet, die künftig eine Untergruppe enthalten soll. Der Begriff Planet (vom altgriechischen Wort für Wanderer) geht auf die alte astronomische Beobachtung zurück, dass sich diese Objekte am Himmel bewegen, während die Fix-Sterne ihre Position beibehalten. Von nun soll als Planet nur das Objekt gelten, das um einen Stern kreist und groß genug ist, dass seine eigene Schwerkraft für eine annähernd kugelförmige Gestalt sorgt (was generell bei einer Masse von mehr als 5 * 1020 kg und einem Durchmesser von mehr als 800 km der Fall ist), und der zudem kein Stern und kein Satellit eines anderen Planeten ist. Auf dieser Grunddefinition beruht der konkrete Vorschlag, die drei Neuen aufzunehmen; ein Dutzend weitere Planeten-Kandidaten kämen für die zweite Aufnahme-Runde in Frage.

Die drei potenziell neuen Planeten des Sonnensystems (Bild: The International Astronomical Union/Martin Kornmesser)

Innerhalb der Planeten soll es außerdem die Unterkategorie Pluton geben, dazu gehören Planeten, die für eine exzentrische Umlaufbahn um die Sonne 200 Jahren und mehr brauchen - darunter würde das Doppelplanetensystem Pluto und Charon genauso fallen wie 2003 UB313 alias Xena. Alle anderen bisher als Asteroiden, Near Earth Objects (NEO), Transneptun-Objekte und Kometen werden künftig schlicht als "Small Solar System Bodies" (Kleine Sonnenystemkörper) klassifiziert (genaue Definition: Draft Resolution 5 for GA-XXVI: Definition of a Planet). Die Kommissionsmitglieder verstehen ihre Definition aus von der Natur ausgehend. Einer von ihnen, Richard Binzel, erläutert:

Unser Ziel war es, eine wissenschaftliche Basis für eine neue Definition von Planet zu finden, und wir haben die Schwerkraft als entscheidenden Faktor gewählt. Die Natur entscheidet also, ob ein Objekt ein Planet ist oder nicht.

Nächsten Donnerstag wird sich zeigen, ob die internationale Gemeinde der Astronomen die Resolution annehmen wird. Der neue Merkspruch für Kinder könnte dann lauten: Mein Vater erklärt mir chronisch jeden Sonntag unser neues chaotisches Planetensystem X. Allerdings nur, wenn 2003 UB313 wirklich offiziell Xena heißen wird - und bis die nächsten Kandidaten in den Status Planet nachrücken. Und es gibt noch ein Problem sprachlicher Natur: Als Pluton werden in der Geologie auch große Blasen geschmolzenen Felses in der Erdkruste bezeichnet. Wären es weit entfernte Fachgebiete, so wäre dies kein Problem, doch Weltraum- und Erdwissenschaft sind zu verwandt, als dass diese Doppelbedeutung keine Verwirrung stiften könnte.

Weitere zu diskutierende Planeten-Kandidaten, wenn die Resolution auf der Tagung in Prag angenommen wird: