Aus Freund wird wieder Feind

Lange bejubelten Neonazis den islamistischen Antisemitismus, doch weil der Terror Deutschland bedroht, sollen Ausländer wieder raus

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Vor gar nicht allzu langer Zeit jubelte die NPD, die Welt sei zu Gast bei Freunden, und ein Freund sei da auch der iranische Staatschef Mahmud Ahmadinedschad. Die dienstälteste Neonazi-Partei Deutschlands wollte Ahmadinedschad sogar ursprünglich mit einer Begrüßungsdemo am Rande der Fußball-WM empfangen – auch wenn ihn sonst kaum einer in Deutschland begrüßen wollte. Die NPD und viele Neonazis fanden Ahmadinedschads antisemitische, antiisraelische Hetzreden sehr gelungen. Einen so großen Redner brauche die Weltgeschichte einfach. Seitdem das Fußvolk religiöser Eiferer auch in Deutschland bomben wollte, rudert die NPD zurück.

Am Dienstag nahm NPD-Chef Udo Voigt zu den nicht geglückten Bombenanschlägen auf zwei Regionalzügen „Stellung“. Per Pressemitteilung fand Voigt:

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass das Asylanten-Milieu einen gefährlichen Nährboden für den islamistischen Terrorismus (...) bildet.

Der NPD-Boss spielte damit auf Medienberichte an, unter anderem in der Bild-Zeitung, wonach der gefasste mutmaßliche Bombenleger Youssef Mohamad E.H. als Asylbewerber nach Deutschland kam, von Sozialhilfe lebte und ein Nichtsnutz sei. Voigt forderte deshalb „die Sicherheitsbehörden auf, aus dem bedrohlichen Geschehen der letzten Tage endlich Konsequenzen zu ziehen und Scheinasylanten sofort abzuschieben“.

Natürlich wusste auch der gelehrte NPD-Führer, dass da früher mal andere Argumente bezüglich des islamistischen Terrorismus und dessen offenen Antisemitismus in der Braunszene zirkulierten. "Mahnwachen gegen israelischen Staatsterrorismus“ (NPD-Bochum) und Solidaritätsdemonstrationen für Palästina und Libanon hatten Neonazis organisiert – wohl eher, um öffentlich Israel alias die Juden kritisieren zu können. Und so wollte denn auch Voigt nicht so ganz gegen alle Migranten mosern, aber:

Bei allem Verständnis für die schwierige politische Situation im Libanon und in Palästina muss potentiellen Terroristen klar gemacht werden, dass wir in unserem Land die Fortsetzung fremder Konflikte nicht dulden werden.

Noch wenige Tage zuvor hatte die NPD-Bochum zu einer ihrer "Mahnwachen“ per Pressemitteilung süffisant festgehalten, dass „BRD-Gäste arabischer Herkunft (...) in Gesprächen mit den nationalen Aktivisten ihrem verständlichen Groll gegen Israel unzweideutig Ausdruck verliehen“ hatten. Und nun sollten Teile jener Bündnispartner sofort abgeschoben werden?

Ende Juli hatte die NPD sich mit einer Pressemitteilung, die auf vielen Homepages der Bundespartei, der Landesverbände und Ortsgruppen abrufbar war, unter der Überschrift „Wider der täglichen Zensur“ für eine „objektive Berichterstattung“ zum Nahostkrieg eingesetzt. „Zum Glück können Sie auf arabischen Seiten im Weltnetz unzensiert die Bilder israelischer Kriegsverbrechen sehen und sich ein objektives Bild machen“, hatte Parteipressesprecher Klaus Beier mitgeteilt. Verwiesen wurde dabei auf die deutschsprachige Homepage eines Hisbollah-freundlichen, iranischen Radioprogramms und auf die englischsprachige Internetpräsenz von Al Dschasira. Möglicherweise also genau jene Medienkost, die die mutmaßlichen Bombenbastler und deren vermutete Hintermänner auch konsumiert hatten.

In Neonazi-Foren, Portalen und den Medien der Rechtsextremen wurden die antisemitischen und den Holocaust leugnenden Aussagen des iranischen Präsidenten seit Monaten kontrovers diskutiert und zumeist frenetisch bejubelt. Man darf annehmen, dass Ahmadinedschads Feindschaft zum „großen Satan“ USA den Neonazis ebenso gut gefiel wie dessen Antisemitismus. In seiner Stellungnahme, überschrieben „Willkommen, Herr Präsident!“, schrieb der NPD-Parteivorsitzende Voigt Mitte Juni noch: „Die USA haben bereits vor dem Überfall auf den Irak die Welt angelogen und werden dies im Fall des Iran wieder tun. Die 'Befreiung’ Deutschlands (von der Hitlerdiktatur; mik) durch die USA und ihre Alliierten kostete Millionen Deutschen das Leben“, teilte Voigt zudem mit und schien im Eifer vergessen zu haben, dass Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte. Voigt warf lieber den USA zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Kriege vor und schloss:

Wir solidarisieren uns mit allen noch nicht ‚befreiten’ und damit wirklich souveränen Völker der Welt und fordern diese auf, sich dem US-Imperialismus zu widersetzen.

Derlei erinnerte daran, wie Horst Mahler, der ehemalige NPD-Anwalt und notorische Antisemit, einst die Terroranschläge vom 11. September 2001 bejubelt hatte (Rechtes Trittbrett voll besetzt). Mahler freute sich seinerzeit über die „Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft“ im Herzen des „Hauptfeindes“ USA. Nun aber, nachdem in Deutschland Bomben auftauchten und sich die Spuren laut Ermittler auf islamistische Terrorristen verdichten, haben derlei Aussagen und Solidaritätsbekundungen zu jenen Verbündeten einen Beigeschmack. Man stelle sich nur vor, die Bombenbastler wären geschickter gewesen, hätten ihre Koffer in einen Zug gesetzt, in dem Neonazis gerade zu einer antiisraelischen Demo anreisten – und die Bombe wäre explodiert.

Auffallend an der ganzen Diskussion ist das Hin und Her der NPD. Auffallend ist aber auch, dass ein wichtiges Neonazi-Portal wie das Störtebeker-Netz regelmäßig Texte des Israel-feindlichen, teils antisemitischen Internet-Portals „Muslim-Markt“ aus Delmenhorst wohlwollend nachpublizierte. Das NPD-Zentralorgan „Deutsche Stimme“ (DS) interviewte im Mai 2006 Yavuz Özoguz, einen der Herausgeber des „Muslim-Marktes“. In der Einleitung stellte die DS fest:

Verschiedene Meinungen aber schließen den gegenseitigen Respekt nicht aus. Das scheint im Deutschland der Denunziation und Meinungsverfolgung zwar aus der Mode gekommen, aber ist deshalb immer noch gültig.

Doch all das hat nun Schönheitsfehler. Zwar hatte das neonazistische Fußvolk Ahmadinedschad in Szene-Foren und zahlreichen Diskussionen für dessen Klartext gegen Israel und die Juden gelobt. Kontroverser indes verliefen in den letzten Monaten Diskussionen darüber, ob etwa der Islam Deutschland „erobern“ wolle, die islamischen „Führer“ die „ganze Welt im Sinne des Koran zu gestalten“ versuchten oder man islamischen Religionsunterricht in Deutschland einführen solle. Solidarität mit den hier lebenden Muslimen – Teile davon aus Palästina und dem Libanon, also „Opfer“ des „israelischen Aggression“ – gab es bei solchen Diskussionen kaum. Dafür aber Klartext, etwa diesen:

Man sollte besser das Pack aus unseren Land werfen, dann brauchten wir nicht darüber diskutieren.

Auch der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete und Vordenker der NPD-Ideologieschmiede „Dresdener Schule“, Jürgen Gansel, äußerte sich am Dienstag. Zuerst zeigte er noch ein bisschen Herz für den Bombenleger, der „einer dieser integrationsunwilligen, zornigen Jungmänner“ sei, die „den Multikulturalisten“ in der Bundesregierung nun massiv Probleme bereiteten. Doch dann schwenkte Gansel um und machte klar, warum Youssef Mohamad E.H. und andere „Dschihadisten“ in Deutschland von der NPD keine Solidarität erwarten dürften. Der Täter sei nämlich

einer, der es nicht etwa auf die Israel-Vasallen in Bundesregierung und Bundestag abgesehen hatte, sondern der unschuldige Deutsche für den israelischen Aggressionskrieg (...) abstrafen wollte, obwohl die übergroße Mehrheit der Deutschen sowohl die jüdische Kriegstreiberei als auch die Entsendung deutscher Soldaten in die Krisenregion ablehnt.

Gansels Text liest sich denn auch teilweise so, als ob des Täters eigentliche Schuld nicht dessen Vorhaben gewesen sei, sondern der Umstand, dass er „die Deutschen in blutige Haftung für eine israel-hörige Außenpolitik“ der Bundesregierung nehmen wollte. Nicht auszudenken, was Gansel fabuliert hätte, wenn Youssef Mohamad E.H. seinen Koffer im Bundestag zurück gelassen hätte...