Durstige Welt

Weltweites Wassermanagement erforderlich, als vorbildlich gilt Israel

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In Stockholm tagt die Weltwasserwoche, fast 1.500 Experten aus 140 Ländern diskutieren über Wege, wie das lebensnotwenige Nass allen Menschen auf der Welt zur Verfügung gestellt werden kann. Jeder Dritte leidet heute weltweit unter Wassermangel in irgendeiner Form. Dabei ist das blaue Gold reichlich vorhanden. Das Problem liegt im Management der existierenden Ressourcen, das oft mangelhaft ist. Als Staat, der seit vielen Jahren sehr erfolgreich seine Wasserreserven verwaltete und nutzt, gilt Israel.

Anlässlich der Konferenz in Stockholm (World Water Week) legte das Internationale Institut für Wassermanagement (IWMI) eine neue Studie vor, die von 700 Spezialisten aus aller Welt erarbeitet wurde (A Third of the World Population Faces Water Scarcity Today). Ihre Analyse verdeutlicht, dass ein Drittel der Menschheit entweder in Gebieten lebt, in denen eine Übernutzung stattfindet, die zu sinkenden Grundwasserspiegeln und austrocknenden Flüssen führt, oder in Gegenden, wo der Zugang zu Wasser aufgrund fehlender Infrastruktur nur eingeschränkt möglich ist.

(Bild: Duke University)

Die Prognosen der Vergangenheit werden heute schon übertroffen, denn sauberes Wasser ist für viel zu viele Menschen schon jetzt nur schwer oder gar nicht verfügbar. Frank Rijsberman, Direktor des Instituts kommentiert:

Im Jahr 2000 wurden besorgniserregende Vorhersagen gemacht, die davon ausgingen, dass bis 2025 ein Drittel der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein würde. Unsere Erkenntnisse aus der soeben abgeschlossenen Studie zeigen, dass die Realität noch viel schlimmer ist. Schon 2005 leidet mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung unter Wassermangel. Wir können angesichts der zunehmenden Wassermangel-Krise, die wir in einigen Ländern wie Indien, China (Megatrend China: Staudammbau) oder dem Becken des Colorado-River in den USA (Las Vegas - geht der Wüstenmetropole das Wasser aus?) und Mexiko beobachten, nicht einfach weitermachen wie bisher.

Das Problem beruht nicht auf einer natürlichen Knappheit des Rohstoffes Wasser, sondern auf der Art, wie mit dem Rohstoff umgegangen wird. Der diesjährige Gewinner des Stockholm Water Prize, der kanadische Wissenschaftler Asit K. Biswas, glaubt nicht an die so häufig vorhergesagten kommenden Wasserkriege, er meint:

Ich glaube nicht viel von dem, was meine Kollegen behaupten und die Medien so gerne berichten, wenn es um Wasser geht. Sie haben Unrecht. Schauen Sie sich die Fakten und Zahlen an: Es gibt genug Wasser auf der Welt. Es wird auch 2050 reichen, wenn zehn Milliarden Menschen auf der Welt leben. In allen Gegenden der Erde, in denen wir mit unserem Wasser vernünftig umgehen, haben wir genug.

Asit Biswas erhält Preis bei Weltwasserkonferenz

In seiner Eröffnungsrede der Tagung in Stockholm stellte er klar, dass es die Krise schlicht auf „ungeheurem Missmanagement von Wasser“ beruhe. Ein Umdenken sei nötig, um eine gerechtere Verteilung des blauen Goldes zu erreichen. Korruption müsse eingedämmt werden und die Politik neue Wege gehen, um die Versorgung aller zu gewährleisten.

Jordan, Jarmuk und das Tote Meer

Ein Land im Nahen Osten ist berühmt dafür, nicht nur seiner Bevölkerung ausreichende Mangen an Wasser zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Wüste durch Bewässerung in fruchtbares Land zu verwandeln: Israel. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science erscheint ein Schwerpunkt mit mehreren Artikeln zum Thema Wasserversorgung. Darunter der Bericht von Alon Tal vom Jacob Blaustein Institutes for Desert Research der Ben-Gurion University über die Strategie des israelischen Wassermanagements (Seeking Sustainability: Israel's Evolving Water Management Strategy). Alon Tal beschreibt die wichtigsten Leitlinien und Ansätze der israelischen Wasserversorgung und kommt zu dem Schluss:

In einer Zeit, in der viele Nationen, die durch Trockenheit geprägt sind, auf ihre Wasserressourcen bezogene Krisen erleben, geben die Erfahrungen mit dem Wassermanagement Israels tatsächlich Anlass zu Optimismus.

Seit sechzig Jahren betreibt der israelische Staat eine bewusste Politik des Wassers, um Quellen zu erschließen und die Verteilung zu regeln. Das Land besteht weitgehend aus Wüste, der See Genezareth, über dessen Wasser Jesus einst wandelte (Jesus walked on ice, says study led by FSU scientis) im Norden ist das größte Süßwasserreservoir – er enthält ungefähr ein Drittel der sich wieder auffüllenden Wasservorräte. Dazu kommen Wasserquellen in den umgebenden Bergen, deren Nutzung durch einen Frieden mit den Nachbarstaaten noch geregelt werden muss, die aber momentan noch intensiv durch Israel genutzt werden.

Der See ist Ausgangspunkt des National Water Carriers, des seit 1964 errichteten gigantischen Kanalssystems, das von Galiläa aus das ganze Land mit dem nassen Element versorgt. Als Problem erwies sich dabei die Tatsache, dass das Wasser des See Genezareth sehr viele Salze enthält, die Böden und Grundwasser belasteten, deshalb soll es nun durch neue Filtersysteme vor dem Transport gereinigt werden.

Karte der Wasserverteilung in Israel und den besetzten Gebieten (Bild: Jewish Virtual Library bzw. Isamonline.net)

Die zweite Säule des Wassermanagements ist die Wiederaufbereitung von Brauchwasser, das seit 1953 betrieben wird. Zurzeit werden 73 Prozent der städtischen Abwässer recycelt, zum Vergleich: In den USA sind es gerade mal 2,5 Prozent. Insgesamt trägt diese systematische Klärung ein Fünftel zur israelischen Wasserversorgung bei. Ein weiterer wichtiger Baustein sind die Entsalzungsanlagen, die erst seit wenigen Jahren durch neue Membran-Technologien und einen reduzierten Energieverbrauch wirtschaftlich interessant geworden sind (Deutsche Meerwasser-Entsalzung e.V.). Mit ihrer Hilfe kann sowohl Meer- als auch Brackwasser in Trinkwasser ungewandelt werden.

Die erste Umkehrosmose-Anlage ist seit 2005 in der Stadt Ashkelon am Mittelmeer in Betrieb. Sie ist die größte ihrer Art weltweit und produziert 100 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Weitere sollen in den kommenden Jahren folgen – Ziel der Politik ist es, 15 Prozent des Trinkwasserbedarfs aus den Entsalzungsanlagen zu beziehen.

Und last but not least setzt der israelische Staat auf eine Reduktion des Verbrauchs durch Einsparung und effizientere Verteilsysteme durch verbesserte Infrastruktur sowohl im städtischen Bereich als auch bei der Bewässerung der Landwirtschaft. Letztere ist auch im Nahen Osten (wie überall auf der Welt) der Hauptkonsument von H2O, denn damit es auf den Feldern grünt, versickern ungeheure Mengen im Boden, die häufig durch immer tiefer gegrabene Brunnen gewonnen werden (Die große Dürre).

Die neue Studie des Internationalen Institut für Wassermanagement verdeutlicht das erneut: Fast 80 Prozent des weltweiten Wasserkonsums verbraucht der Agrarsektor, die Industrie dagegen nur 18 Prozent. Um ein Kilo Weizen zu produzieren werden zwischen 500 und 4.000 Liter Wasser eingesetzt, ein Liter Rindfleisch aus industrieller Produktion säuft sogar 10.000 Liter.

Auch in Israel stieg der Verbrauch an Trinkwasser für den landwirtschaftlichen Sektor in den letzten fünfzig Jahren stark an, gleichzeitig wurde der Einsatz von Tröpfchenbewässerung immer wichtiger, die inzwischen computergesteuert nur die absolut notwenigen Mindestmengen auf die Pflanzen ausbringt. Zudem gehört alles Wasser dem Staat und er lässt die Landwirte dafür zahlen, was trotz der moderaten Preise einen Anreiz zur Einsparung darstellt. So gelang es den Anteil des Agrarverbrauchs deutlich zu senken: Von 72 Prozent auf heute 60 Prozent der gesamten Wasserversorgung.

Explosiver Lebensquell

Was Alon Tal nur am Rand anspricht, ist der politische Sprengstoff, der im nahöstlichen Wasser steckt. Da ist zum einen der Streit um die Quellen der Golanhöhen, die heute zwanzig Prozent des Wasserbedarfs Israels decken – aber das besetzte Gebiet wird irgendwann an Syrien zurückgegeben werden müssen. Der Jordan ist inzwischen zum verschmutzten Rinnsal verkommen und das Tote Meer trocknet langsam aber sicher aus, der Wasserpegel fällt jährlich um 1,2 Meter, weil der natürliche Zufluss aus dem See Genezareth, dem Jordan und dem Jarmuk gedrosselt wurde (Quo vadis, Totes Meer? und Israels Kampf gegen die Wüste bedroht die Wasserversorgung).

Dazu kommt, dass die Palästinenser zunehmend ihr Recht auf Wasser einfordern. Tatsächlich verbraucht ein Israeli pro Kopf und Tag zwischen 350 und 390 Liter Trinkwasser, während sich ein Palästinenser mit 70 bis 110 Litern begnügen muss, die im Zweifelsfall zudem aus leckenden Leitungssystemen schlicht ungenutzt versickern. Immer noch kontrolliert der israelische Staat die Wasserquellen und knöpft den Palästinensern im Westjordanland außerdem einen höheren Preis pro Kubikmeter ab als den Siedlern. Die geplante Grenzziehung, bzw. der Verlauf des so genannten Sicherheitszauns in den Westbanks, würde Israel darüber hinaus den weitaus überwiegenden Zugang zum Grundwasser der Region sichern.

Kein Wunder, dass die palästinensische Autonomie-Behörde protestiert und nachdrücklich eine gerechtere Aufteilung fordert (Generaldirektion Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland: Offene Fragen - Wasser). Israel stellt sich dagegen vor, dass die Palästinenser ihre Wasserversorgung durch Meerwasserentsalzungsanlagen im Gaza-Streifen und bei Tel-Aviv (Pipeline durch Israel ins Westjordanland) selbst lösen. Gebaut werden sollen sie mit Mitteln aus der Entwicklungshilfe der Industrienationen (Meerwasser für Palästina).

Ein wirklich nachhaltiges Wassermanagement wird eine weniger ungerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen berücksichtigen müssen – nur dann gibt es tatsächlichen Anlass zu Optimismus.