Die Videohoster suchen nach Antworten

Nach dem Erfolg steht die Kommerzialisierung an - Teil 3

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Die große Popularität der Videohoster erstreckt sich nicht allein auf die Zuschauer. Auch die Risikokapitalgeber sind von den Diensten angetan. Bisher flossen über 950 Millionen Dollar in die verschiedenen Videostartups wie YouTube, Metacafe, VPod.tv oder Veoh. Der Trend wird durch Internetgrößen wie Google, AOL und Yahoo! bestätigt, die mittlerweile alle mit entsprechenden Angeboten vertreten sind - weitere Videosharingsites etwa von MSN sind für diesen Sommer in Planung.

"Will it compete with YouTube? If we did YouTube, we would be in a lot of trouble", so wurde Bill Gates kürzlich zitiert. "First is whether there is any business model, and then whether they have the rights."

Angesichts der Marktpräsenz und den mehr als 240 verschiedenen Anbietern durchaus berechtigte Bedenken, denn es wird bereits über eine bevorstehende Marktbereinigung spekuliert. Hauptgrund dafür dürften die Traffic- und Infrastrukturkosten sein, die oftmals unterschätzt werden. Experten gehen davon aus, dass die Traffic-Kosten pro Minute Video zwischen einem zehntel und einem halben US-Cent liegen. Diese Kosten addieren sich allein für YouTube auf bis zu fünf Millionen Dollar im Jahr. Für eine Marktbereinigung spricht neben den Traffic-Kosten die fehlende Diversifizierung der Seiten. Die Anbieter zeigen oftmals dieselben Videos und unterscheiden sich nur marginal in ihrer Funktionalität, so dass den meisten ein Alleinstellungsmerkmal und eine Nische fehlt.

Viele Probleme sind zu lösen

Damit ein Videohoster langfristig erfolgreich arbeiten kann und einer Marktbereinigung entgeht, muss er eine Reihe von Problemen lösen. Als erste Schwierigkeit erweisen sich die Einnahmen, denn bei der großen Mehrzahl der Anbieter ist das Hochladen und Betrachten der Videos umsonst. Inhalteanbieter im Internet finanzieren sich überwiegend über das Einblenden von Werbung, die Lizenzierung ihrer Inhalte an Dritte oder, zu einem kleineren Teil, über Abonnementgebühren.

Die Einnahmen der Videohoster beschränken sich hauptsächlich auf die Werbung, wobei die Werbeeinnahmen dabei weit unter dem Möglichen bleiben: YouTube und Co. verkaufen nämlich nicht die lukrativen Videospots vor und nach den Internetvideos, sondern lediglich Anzeigen auf der Seite. Diese Praxis ist auf die zweifelhafte Qualität der Videos zurückzuführen, die oftmals verhindert, dass Werbung in den Kontext des Videos passt, denn für Werbetreibende sind Videoanzeigen in Verbindung mit problematischen Inhalten nicht attraktiv und meist nicht erwünscht. Diese Position ist durchaus verständlich, denn nicht zuletzt findet man auf YouTube Videos von Enthauptungen, sexuell Anzügliches und eine Menge derber Witze. Da die Mehrzahl der Videohoster die Inhalte nicht vor der Veröffentlichung überprüft, bleiben die profitablen Werbespots bis auf weiteres außer Reichweite. Vielleicht erweisen die Werbetreibenden damit YouTube einen Gefallen, denn die Analysten von IDC sagen YouTube das Napster-Schicksal voraus, sollte die Seite kommerzialisiert werden. YouTube müsste in diesem Fall damit rechnen, massiv Benutzer an Anbieter ohne Werbung zu verlieren .

Als weiteres Problem der Dienste stellen sich die populärsten Videos heraus. Meist handelt es sich hierbei nicht um selbstgedrehte Videos von Amateuren, sondern um Fernsehmitschnitte oder um andere urheberrechtlich geschützte Werke. Von "Herr der Ringe" bis hin zu "Lost" findet sich so ziemlich alles auf den Seiten. Dabei verhindern mögliche Schadensersatzansprüche der Rechteinhaber Werbeeinnahmen mit den illegalen Inhalten. Aufgrund der fehlenden Kommerzialisierung hat sich die Film- und Fernsehindustrie bisher damit begnügt, nach Bekanntwerden das Löschen der fraglichen Videos zu fordern. Wie lange dieses Vorgehen andauert ist unklar, denn erste Klagen gegen Veoh und YouTube wurden bereits eingereicht, sollten diese erfolgreich sein, werden wohl weitere folgen. Das Ärgerliche für die Videohoster an dieser Situation ist, dass sie den Sendern zum Teil durch die geklauten Videos sogar helfen. Ein Clip der amerikanischen Show "Saturday Night Live" auf YouTube bescherte NBC eine ganz neue Zuschauerschicht für die Show. YouTube hingegen bekam nur die Aufforderung den Clip zu löschen.

Die Community reagiert auf dieses Vorgehen der Videohoster mit wenig Verständnis. Das Löschen der geklauten Inhalte und die damit verbundenen Account-Sperrungen sind immer wieder Stein des Anstoßes, denn oftmals verstehen die User die Hintergründe nicht und laden die gelöschten Clips sofort wieder neu hoch.

Die Nutzungsbedingungen sowie die fehlenden Anreize für professionelle Inhalteanbieter sind ebenfalls Probleme, die nach einer Lösung durch die Videohoster verlangen. YouTubes Nutzungsbedingungen gewähren dem Dienst eine kommerzielle Nutzung der Videos unter einer nicht-exklusiven weltweiten Lizenz für alle Medien und alle Kanäle. Momentan macht YouTube hiervon noch keinen Gebrauch, trotzdem bringt es Produzenten hochwertigerer Videos ins Grübeln. Hinzu kommt, dass die Produzenten keine Vergütung für ihre zum Teil millionenfach gesehenen Videos erhalten. Dies sind mit die Hauptgründe, warum oftmals professionelle Videos nur sehr spärlich auf den Seiten der Videohoster vertreten sind. Die Dienste setzen deshalb eher auf Quantität statt auf Qualität.

Erste Kommerzialisierungsversuche

YouTube und Co. haben bis jetzt eindrucksvoll bewiesen, dass eine große Nachfrage nach Internet Videos besteht. Daraus entstand der unübersichtliche Videohoster-Markt. Der erste Test für diesen neuen Markt ist somit erfolgreich verlaufen. Jetzt muss jedoch die nächste Stufe folgen, in der die Dienste und Produkte kommerzialisiert und vermarktet werden. Erste Schritte in diese Richtung unternehmen Dienste wie Revver und Eefoof, die von Beginn an auf Werbung und die Beteiligung der Produzenten setzen. Beide Dienste geben 50 % der Werbeeinnahmen an den Produzenten weiter. Bei Panjea, wo die Hochlader selber den Preis für ihre Videos festlegen können, erhalten User sogar 85 % der Erlöse. Weiterhin erhalten die Videosharer 50 - 85 % der Werbeeinnahmen. Nachdem das Konto einen Stand von $25 erreicht hat, werden die erwirtschaftenen Einnahmen monatlich ausbezahlt. Außerdem hat Panjea ein Punkteprogramm für alle partizipatorischen Aktivitäten auf der Seite, wie z. B. Freunde einladen, Videos hochladen und sich mit anderen Usern austauschen.

Doch auch hier bestehen Probleme, die in der mangelnden Reichweiter der Dienste ihren Ursprung haben. Bei Eefoof darf deshalb bezweifelt werden, dass überhaupt ein Produzent über die Auszahlungsgrenze von $25 kommt. Bei Revver funktioniert das Modell zwar besser, aber eben auch noch nicht gänzlich. Denn obwohl Fritz Grobe und Stephen Voltz, die Filmemacher des "Diet Coke Mentos"-Videos bis Mitte Juli 2006 mehr als $28.000 ausbezahlt bekamen und auch einige weitere Produzenten nach Angaben von Revver über $1000 verdienten, geht die große Mehrzahl leer aus. Ein Zustand, den die Produzenten aus den "alten Tagen" wie z. B. Atomfilms oder iFilm nur allzu gut kennen. Diese Anbieter konnten, obwohl sie funktionierende Geschäftsmodelle, qualitativ hochwertige Videobestände und etablierte Seiten hatten, überhaupt nicht vom Videoboom profitieren. Kaum eines der alten Portale konnte an Reichweite gewinnen und dass, obwohl sie zum Teil bereits seit Ende der 1990er im Internet präsent sind.

YouTube im Juli 2006 erstmals vor MySpace

YouTube hat natürlich kein Reichweitenproblem – die Zahlen überstiegen im Juli 2006 erstmals laut Alexa die von MySpace. Die riesige Zuschauerschaft stellt sich vielmehr als großes Plus für YouTube heraus. Und seit kurzem hat YouTube damit begonnen, aus seiner Popularität Kapital zu schlagen. Bereits seit längerem wurde YouTube von der Filmindustrie bis hin zur Automobilbranche zu Promotionzwecken eingesetzt. Ein Trailer bei YouTube bekommt eine ungleich größere Aufmerksamkeit als auf allen anderen Internetseiten, gleiches gilt für virale Werbekampagnen, wie zum Beispiel die "Unpimp my Ride"-Spots von VW.

Unpimp my Ride-Spot von VW

Das ist das Pfund, mit dem YouTube wuchern kann. Erste Kooperationen in diesem Feld hat YouTube bereits mit NBC und MTV2 geschlossen. Die Kooperation mit NBC beinhaltet die Promotion einer NBC Show auf YouTube, als Gegenleistung erhält YouTube kostenlose On Air Promotion auf NBC. Bei zukünftigen Vereinbarungen ist zu erwarten, dass YouTube Geld verlangen wird und somit eine neue Einnahmequelle erschließt. Gerade die Kontakte zu den Sendern könnte YouTube anschließend dazu nutzen, um eine kommerzielle Nutzung der geklauten Inhalte auszuhandeln. Damit wäre der Weg frei für Werbung vor den Fernsehshows, die Studios erhielten einen Anteil der Werbeeinnahmen.

Seit kurzem bietet YouTube jedoch einen einfacheren Weg der Kooperation an. Die Werbetreibenden können auf YouTube gebrandete Channels kaufen, in denen ihre Original-Inhalte ausgestrahlt werden. Diese Inhalte können zusätzlich noch mit Werbung versehen werden, so dass der YouTube Benutzer einmal eine normale Werbung sieht und dann den speziellen Channel-Inhalt, der ebenfalls Werbezwecken dient. An den Start ging das Angebot mit einem Channel von Paris Hilton, die über YouTube ihr neues Album promoten möchte. Die Videos in Paris Hiltons Channel wurden zusätzlich mit Werbung für die Fox-Serie „Prison Break“ versehen.

Neben den Channeln bietet YouTube Werbern die Möglichkeit, ihre Werbespots normal hochzuladen. Anschließend werden diese Werbespots prominent auf bestimmten Seiten platziert und somit die Reichweite erhöht. Problematisch an diesem Modell ist jedoch, dass die Werbung in eine sichere Umgebung ausgelagert wird und so die Millionen von Amateurvideos bei der Kommerzialisierung außen vor bleiben. Des Weiteren fühlen sich viele Amateurproduzenten betrogen, was sich wunderbar an Kommentaren zu Paris Hiltons Videos sehen lässt:

This is what has p----d me off about youtube. now that it has become "famous", celebrities are all wanting to get on it to post their videos, which are edited so much that its not that great of a video. Most of them never go on these sites before they even become popular or even now to check out other people's videos.

Sie fühlen sich bedroht von den Stars, da diese sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und von den eigentlichen YouTube-Stars (den Amateuren) ablenken.

Es bleibt also abzuwarten ob YouTube mit diesem Modell langfristig überleben kann. Eine kurzfristige Einnahmequelle, die wahrscheinlich die laufenden Kosten deckt ist, dieses Modell allemal.

Sollte der Versuch scheitern, bliebe noch die Möglichkeit, für die Accounts Geld zu verlangen, was beispielsweise der neue Dienst Lulu.tv des Red Hat Gründers Bob Young versucht. Lulu.tv bietet Filmemachern eine kostenpflichtige Mitgliedschaft für $14,95. Die werden in einen Topf geworfen und nach Ablauf eines Monats an die Filmemacher mit den meisten Views anteilig ausbezahlt. Zusätzlich gibt es eine kostenfreie Mitgliedschaft, bei der die Hochladekapazität beschränkt ist und die nicht zur Teilnahme an der monatlichen Ausschüttung berechtigt.

Riskant ist daran lediglich, dass vermutlich viele auf die Idee kommen werden, urheberrechtlich geschütztes Material von anderen Seiten herunter zu laden und bei Lulu wieder hochzuladen. Wird dies verhindert, würde eine monatliche Gebühr zur Bereinigung von Seiten wie YouTube beitragen und den Fokus mehr in Richtung Qualität statt Quantität verschieben. Ebay wurde auch erst nach Einführung der Verkaufsgebühren wirklich erfolgreich (zumindest der Legende nach).

Aufgrund des rasanten Wachstums sind alle Augen auf YouTube gerichtet und es wird gespannt gewartet, mit was für einem Finanzierungskonzept das Unternehmen überleben will. Es könnte die Ruhe vor dem Sturm sein, denn bei dem Tempo der Entwicklung bei Internet Videos kann sehr schnell ein anderer Anbieter mit einem schlüssigen Konzept der lachende Dritte sein. Man sollte natürlich auch nicht die Großen des Internets vergessen: Yahoo, AOL, Google oder MySpace werden sich nicht so einfach aus dem Markt verabschieden.

Trotzdem entwickeln sich Internetvideos auch jenseits der Videohoster weiter und es entstehen interessante neue Formate und Geschäftsmodelle. Angefangen von der live ins Internet gesendeten Produktshow Amazon Fishbowl über erfolgreiche Videoblogs wie Rocketboom oder Ask a Ninja bis hin zu spezialisierten Videodienstleistern wie Brightcove, die von der Werbeakquise bis hin zum Streaming alles übernehmen.