Eine Stadt macht Papa-Mobil

München im geistlichen Ausnahmezustand

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In der vorletzten Septemberwoche flüchten die Einheimischen aus München, wenn Australier, Japaner und Italiener samt Wohnmobil anrücken und auch Verwandte und Bekannte anfragen, ob sie sich nicht einmal einquartieren könnten: Die „Wies’n“, das Oktoberfest, ist eröffnet, und damit der übermäßige Konsum der Mönchsnahrung Bier. Dieses Jahr startet die Invasion jedoch bereits zwei Wochen eher: Das an Rom verlorene Oberschaf der katholischen Kirche kehrt für einige Tage an den Ort seines ehemaligen Wirkens zurück.

Schlimmer als zur Fußballweltmeisterschaft sollte es doch eigentlich nicht mehr werden können dieses Jahr, sollte man meinen. Und dass die Pilger nach standesgemäßem Genuss einiger Maß Andechser Klosterbräu angeheitert „Olé, olé, wir laufen nach Altötting“ grölend durch die Altstadt laufen, ist eigentlich auch nicht zu befürchten. Und trotzdem empfiehlt die Bahn ziemlich ausführlich, sie tunlichst zu meiden, weil sonst nichts mehr geht:

Für diejenigen, die nicht zur Papstmesse am 10. September wollen, haben wir ein paar Tipps zusammengestellt:

  1. Wenn möglich, auf das Fahrrad umsteigen oder zu Fuß unterwegs sein (oder im Bett bleiben)
  2. Zwischen ca. 9 und 19 Uhr und nach 21 Uhr ist mit weniger "Pilgerverkehr" zu rechnen
  3. Umsteigen vermeiden, insbesondere am Haupt- und Ostbahnhof sowie in Pasing (aussteigen darf man aber noch?)
  4. Die Linienäste S2 Ost und S4 Ost ganztägig in beide Richtungen vermeiden (wer da wohnt, verlässt besser gar nicht erst das Haus)
  5. Auf den übrigen Linienästen entgegen der "Pilgerströme" fahren, z.B. am Vormittag von Westkreuz nach Herrsching und am Abend wieder zurück fahren (und wenn ich da gar nicht hin will?)
  6. Mit größeren Verzögerungen und Abweichungen vom Betriebsprogramm ist ganztägig zu rechnen
  7. In Einzelfällen kann es wegen überfüllter Bahnhöfe zu Wartezeiten vor Bahnhöfen und zur Durchfahrt an einer Station ohne Halt kommen (also doch: Aussteigen ist auch zu vermeiden!)
Tipps für S-Bahn-Reisende, die nicht zur Papstmesse wollen

Der Papst kommt am Samstagnachmittag am Münchner Flughafen bei Hallbergmoos an und fährt im Papamobil durch die Münchner Innenstadt. Am Sonntag wird er dann im Papamobil auf das eigens errichtete Papstmessegelände gefahren. Um die Überlastung der U-Bahn zu verringern, werden ein Bahnhof des Messegeländes (Messegelände Ost), die Bahnhöfe Josephsburg, Kreillerstraße und einige Buslinien komplett geschlossen; andere U-Bahn- und S-Bahn-Stationen wie Trudering und Marienplatz sowie Straßenbahnhaltstellen zeitweise. Behinderten raten Bahn und Stadtwerke von der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ab, die müssen also komplett laufen - oder dem päpstlichen Podcast lauschen, denn mit dem Auto geht natürlich erst recht nichts mehr. Normalpilger müssen mehrere Stunden Fußweg einkalkulieren.

“Alle Wege führen nach Papst“… (Bild: MVV)

Das Motto „Wer glaubt, ist nie allein“ bekommt so eine ganz andere Bedeutung und andere kirchliche Ereignisse wie der Weltjugendtag in Köln verblassen demgegenüber zum Dorfkarneval.

Am Montag – dem 11.9.! - wird der Papst Altötting besuchen, am Dienstag Regensburg, was besonders die Schüler freuen dürfte, deren Ferien verlängert wurden. Mittwoch nimmt der Papst selbst Urlaub und Donnerstag geht es nach Freising und zurück nach Rom – Bayern kehrt zum Normalzustand zurück.

“Das Leben ist ein Heidenspaß, für Christen ist das nichts!“ (Wolfgang Ambros)

Nicht alle Bürger sind begeistert, schließlich gibt es auch in Bayern unter anderem evangelische Christen, Moslems, Buddhisten und Atheisten. Proteste dürfen allerdings nur im Saale stattfinden: da das Chaos so schon groß genug ist und der Papst vor Attentaten geschützt werden soll, sind nur zwei kleine „Gegendemonstrationen“ erlaubt worden. Am Morgen des 6. September, also drei Tage vor der Ankunft des Papstes, wurden bereits zwei als „Papst Pius und sein Führer“ verkleidete Schauspieler von der Polizei von einem Spaziergang durch die Münchner Innenstadt abgehalten, wobei Flugblätter gegen das Konkordat beschlagnahmt und deren Verteiler festgesetzt wurden. Auf Nachsichtigkeit in solch einer ernsten Angelegenheit sollte also niemand bauen…

Gewagte Verkleidung… (Bild: BFG München)