Vergiftetes Wasser und kranke Kinder

Widerstand gegen den Goldrausch der Bergbaukonzerne in Mittelamerika

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Ein Bombengeschäft wittern die transnationalen Minenkonzerne wie Glamis Gold, denn die weltweite Nachfrage nach Silber und Gold ist groß wie selten zuvor. Sie drängen nach Mittelamerika, wo sie unerschlossene Vorkommen vermuten. Ihre Versprechungen von Entwicklung für die Länder und Arbeitsplätzen fallen dabei allerdings nicht immer auf fruchtbaren Boden. Indígenas und Umweltschützer leisten Widerstand, denn die Erfahrungen mit Bergbau fallen für Anwohner und Natur in der Regel negativ aus. Gutbezahlte Arbeitsplätze gibt es zumeist nur für internationale Spezialisten, höchstens Hilfsarbeitertätigkeiten fallen für die Menschen ab, die in Bergbauregionen leben. Auch Steuern bezahlen die Minenkonzerne nur selten. Im besten Falle führt die Firma ein oder zwei Prozent der Gewinne ab an nationale oder regionale Regierungen; der Löwenanteil davon verschwindet dann oft in dubiosen Kanälen.

Die Tagebaugoldmine Marlin in San Marcos, Guatemala, erstreckt sich über mehr als 22 Quadratkilometer. Foto: Simonetta Vallifuoco

Der Honduraner Don David ist seit vielen Jahren aktiv gegen den Bergbau in seinem Land. Er zieht sich den Cowboyhut tiefer ins Gesicht. Mit seinen Begleitern vom Umweltschutzkomitee Valle de Siria - zwei Autostunden von Honduras Hauptstadt Tegucigalpa entfernt - ist er auf eine kleine Anhöhe geklettert. Von hier haben sie einen besseren Blick auf die Goldmine Entremares. Don David deutet mit der Hand auf einen Teich, halb so groß wie ein Fußballfeld, der sich auf der anderen Seite des Natodrahtstarrenden Sicherheitszaunes befindet.

„Früher war das ganze Gelände die Hacienda von Capitan Torres, der natürliche Teich war ein Ententümpel“; der Blick des alten Mannes verfängt sich einen Moment in dem Gelände jenseits des brutalen Zaunes. Die Minengesellschaft erweiterte den Ententeich und vergiftet das Wasser mit Zyankali, welches zur Goldgewinnung im Zyanidlaugeverfahren benötigt wird.

Indígenas wehren sich. Im Juli stimmten 99,8 % in fünf Wahlbezirken der Region Huehuetenango im hohen Westen Guatemalas gegen die Pläne der Bergbaukonzerne. Foto: Simonetta Vallifuoco

Der energiegeladene alte Mann erinnert sich nur zu gut an die Zeit von Hacendado Torres, denn Don David hat immer in dieser Nachbarschaft gelebt. Das Unglück begann mit der Verwüstung, die Hurrikan Mitch im Jahr 1998 anrichtete. Sieben mächtige Flüsse waren die Lebensader der Landwirtschaft im Valle de Siria gewesen. Nur einer fließt heute noch, seitdem der Wirbelsturm die Landschaft umgepflügt hat. Vor sieben Jahren begann der kanadische Minenkonzern Glamis Gold den Tagebau im Valle de Siria mit dem Versprechen von vielen Arbeitsplätzen.

Wasseranschluss haben hier die wenigsten Anwohner. Lebensader ist der übrig gebliebene Rio Playas. Hierher kommen die Frauen, um die Wäsche zu waschen, Kinder planschen und Viehbauern füllen schwere Behälter mit kühlem Nass für ihr Vieh. Die Bedrohung ist auf den ersten Blick nicht sichtbar: Flussaufwärts befindet sich die Mine, dort arbeiten sie mit einer Lösung aus Zyankali und Quecksilber, um das Gold aus dem Gestein zu lösen.

Nach Angaben der Minengesellschaft gelangen diese Chemikalien aber nicht in das Trinkwasser. Don Davids Blick verfinstert sich, er kramt eine Sammlung unappetitlicher Fotos aus der Tasche:

Und wie erklärt der Konzern sich das? Diese Fotos zeigen Erwachsene und Kinder mit allergischem Hautausschlag. Hier sieht man Kleinkinder, die Haarausfall haben. Kinder mit Glatze, die aussehen wie ich, wie ein alter Mann.

Don David, Umweltschutzkomitee Valle de Siria, Honduras

Wütend schüttelt er den Kopf. Mehr als 70.000 Liter Wasser verbrauche die Mine pro Stunde, soviel wie zehn Bauernfamilien in einem Jahr.

Don David vom Umweltschutzkomitee Valle de Siria (Honduras) kämpft seit vielen Jahren gegen die Goldmine. Foto: Simonetta Vallifuoco

Don David und seine Mitstreiter wollen die Mine stoppen, er arbeitet für die katholische Caritas, eine der Organisationen, welche die Anwohner in ihrem Kampf unterstützt. Nach sieben Jahren Erfahrung mit der Mine können sie ihren Verbündeten in den Ländern in denen der Bergbau erst beginnt ganz genau berichten, was auf sie zukommt. Deshalb seien internationale Treffen so hilfreich, sagt Don David.

Konzern lockt mit falschen Versprechungen

In der Hauptstadt Tegucigalpa laufen die organisatorischen Fäden bei ASONOG zusammen, einem Dachverband von Nichtregierungsorganisationen in Honduras. Sonya Sanchez arbeitet hier hauptamtlich. Sie berichtet, dass in Honduras bereits 315 Konzessionen zur Bodenerkundung und 57 zur Ausbeutung von Gold- und Silbervorkommen erteilt worden seien. Ihrer Rechnung zufolge seien 335.359 Quadratkilometer praktisch in Händen der Minengesellschaften, was fast 30 Prozent des nationalen Territoriums entspräche.

Ich kümmere mich vor allem um Aufklärung in Kommunen, in denen es bislang noch keine Minen gibt. Die Minengesellschaft denkt sie hat leichtes Spiel, wenn sie in solche Kommunen kommt und den Menschen viel verspricht und billige Geschenke macht. Sie bringen Bleistifte und minderwertige Stoffschuhe für die Kinder, versprechen Bildung und Stipendien und natürlich Arbeitsplätze. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die Menschen vorbereitet sind darauf.

onya Sanchez, ASONOG Honduras

Die junge Frau kennt viele Fälle, in denen die Minengesellschaft ihre Versprechen nicht gehalten hat. Zum Beispiel San Andres im Westen des Landes. Die Anwohner wurden vom Minenkonzern umgesiedelt. Seit Jahren müssten sie bereits warten auf die Eigentumstitel der Gründstücke, die sie im Tausch für ihr altes Land versprochen bekamen. Die neuen Häuser seien schlecht ausgestattet, es fehle am nötigsten. Vom versprochenen Gesundheitszentrum immer noch keine Spur und zugesagte Stipendien für die Kinder zahle das Unternehmen auch nicht, kritisiert Sanchez.

Danke für Nichts! Die Goldmine Entremares im Valle de Siria, Honduras, wirbt damit in diesem Jahr noch keine Steuern bezahlt zu haben. Foto: Simonetta Vallifuoco

Nur wenige Wochen nach der Verwüstung durch Hurrikan Mitch sprachen im Jahr 1998 Vertreter des Minenkonzernes GlamisGold beim damaligen Bürgermeister von Porvenir im Valle de Siria vor. Reynaldo Oseguera hörte sich die Versprechen von Entwicklung und gut bezahlten Arbeitsplätzen an, blieb aber skeptisch.

Die haben versucht, uns für dumm zu verkaufen und reingelegt haben sie uns auch. 1999 folgten die Bürgermeister der angrenzenden Gemeinden und ich einer Einladung von GlamisGold in die USA. Dort zeigte man uns in Arizona eine Goldmine, die weder die Umwelt verschmutze noch Menschen gefährde. Zum Totlachen: Die Mine befindet sich dort mitten in der Wüste, hier bei uns im Valle de Siria leben zahlreiche Menschen und Tiere in der Nähe. Das Schlimmste aber war, dass der Konzern unsere Abwesenheit nutzte, um hier die Tagebaumine in Betrieb zu nehmen. Als wir nachhause kamen, war das Areal bereits abgesperrt und die schweren Maschinen hatten ihre Arbeit begonnen.

Reynaldo Oseguera, Ex-Bürgermeister von Porvenir im Valle de Siria, Honduras

Entrüstet legte der Mann damals sein Mandat nieder und ist heute aktives Mitglied des Umweltschutzkomitees von Valle de Siria.

Trinkwasser in Zyankalibehältern

Eine schlimme Erkenntnis brachte im vergangenen Juli der Besuch eines Antiminenaktivisten aus Nicaragua. Ihm waren die merkwürdigen Behälter aufgefallen, mit denen Familien Wasser schöpften, und fragte, wo die Menschen diese herhätten. Der Besucher aus Nicaragua war sich sicher: In diesen Behältern wird Zyankali verkauft, welches zur Goldgewinnung benötigt wird. Die europäische Vertreiberfirma nimmt die Behälter kostenlos zurück, um sie erneut mit der hochgiftigen Substanz zu befüllen. Die Entsorgung dieses Sondermülls gilt als höchstgefährlich, von einer Wiederverwertung ganz zu Schweigen. Irgendjemand in der Mine gebe sie weiter, so dass sie den Menschen als Wassergefäße verkauft werden können, sagt Oseguera.

Am 25.07 stimmten 30.000 Guatemalteken gegen neue Goldminen auf ihrem Terretorium im hohen Nordwesten des Landes. Foto: Edgar Morales, Prensa Latina

Und wofür das alles? „Bei der Förderung der Goldmenge, welche für einen einzigen Ring benötigt wird, fallen nicht weniger als 12 Tonnen Abfall an (mit Zyankali, Blei und Quecksilber verseuchtes Gestein und Erde). Fast 80 Prozent der weltweiten Goldgewinnung sind für die Schmuckproduktion bestimmt“, heißt es in einer Infobroschüre der Umweltschutzorganisation CESTA (Honduras), das Anti-Minen-Netzwerk gegründet. Die internationalen Organisationen Lutherischer Weltbund und Oxfam America unterstützen das Netzwerk, das unter dem Motto „Ja zum Leben, Nein zu Goldminen“ agiert.