Justiz mit Beißhemmung

Im Fall al-Masri müssen sich nicht nur die USA, sondern auch europäische Stellen kritische Fragen gefallen lassen

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Am Donnerstag ging es BND-Untersuchungsausschuss hoch her. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele forderte die Münchner Staatsanwaltschaft auf, endlich weniger Beißhemmung zu zeigen und gegen die mutmaßlichen Entführer des Deutsch-Libanesen Khaled al-Masri Haftbefehl zu erlassen.

Der deutsche Staatsbürger war am 31. Dezember 2003 in Mazedonien entführt und nach Afghanistan gebracht werden. Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, kennt die deutsche Justiz längst die Namen der CIA-Agenten, die für die Entführung verantwortlich waren. Die Staatsanwaltschaft München habe eine Liste mit 12 Namen aus Spanien erhalten. Dabei soll es sich aber um Tarnnamen gehandelt haben.

Das NDR-Magazin Panorama berichtete am Donnerstag, dass drei der mutmaßlichen Entführer von al-Masri enttarnt worden seien. Es habe sich um US-Piloten gehandelt, die unter den Decknamen Eric Fain, James Fairing und Kirk James Bird nach Spanien gereist waren.

Laut Panaroma hat sich die CIA bei der Tarnung der Männer wenig Mühe gegeben. „Die Männer durften ihre Vornamen behalten, die Geburtsdaten wurden teilweise mit Hilfe von Zahlendrehern verändert, das Datum für die regelmäßige medizinische Pilotenuntersuchung blieb manchmal sogar komplett erhalten“, so der Bericht. Zwei Verdächtige leben im US-Bundesstaat North Carolina, wo sie bei der Firma Aero Contractors angestellt sein sollen, die nach Angaben von Panorama eine Nachfolgefirma von Air America ist. Die wiederum soll nach Angaben von CIA-Experten Stephen bis in die 70er Jahre die geheime CIA-Airline gewesen sein soll.

Mallorca scheint der CIA bei ihren Verschleppungen als eine Art Urlaubs- und Erholungsstation gedient zu haben. So hat die Agenten wie zuvor in Italien auch ihr Luxusleben enttarnt: „Die Crew stieg im "Gran Melia Victoria" ab, einem Fünf-Sterne-Hotel mit Blick auf den Yachthafen von Palma. Die Rechnung weist diverse spanische Edel-Weine aus, mit denen sich die Geheimdienstler offenbar die Zeit vertrieben - und außerdem die nur notdürftig verschleierten Namen der US-Agenten, die mit ihren Kreditkarten bezahlten.“ An Hand des Personenregisters habe die spanische Polizei dann die Personen enttarnt. Davon hat auch die Münchner Staatsanwaltschaft Kenntnis, wie sie mittlerweile auch bestätigt hat. Es gebe aber noch weiteren Informationsbedarf, wiegelt man dort ab, und habe daher entsprechende Fragen an die spanische Justiz gestellt.

Kritik vom Ausschuss

Das hat allerdings zu Kritik bei den Vertretern verschiedener Parteien im BND-Untersuchungsausschuss geführt. „In jeden anderen Fall hätte es schon Haftbefehle gegeben“; meinte der Grüne Ströbele. Sein freidemokratischer Kollege Max Stadtler sekundierte ihm mit dem Einwand, dass es keine Sonderechte für die USA geben dürfe. Dabei wird auf das italienische Beispiel verwiesen. Dort hat die Justiz bereits Haftbefehle gegen mutmaßliche Entführer eines islamistischen Predigers gestellt (Haftbefehl für CIA-Agenten). Das geschah sogar noch zur Zeit, als Berlusconi Regierungschef war. Unter der neuen Mitte-Links-Regierung, die wenig von Sonderbeziehungen zu den USA hält, wie sie Berlusconi pflegte, ist die Aufklärung weiter fortgeschritten (Die Machenschaften des italienischen Geheimdienstes Sismi). Dabei wurde ein großer Lauschskandal mit innenpolitischen Folgen aufgedeckt (100.000 Seiten Dossiers).

In der deutschen Debatte zeigt man hingegen bislang nur mit dem Finger auf die USA. Hier könnte auch ein Motiv für die neuerliche Aufregung zu finden sind. Die nach dem Irakkrieg notdürftig gekitteten Risse in den Beziehungen zwischen den USA und verschiedenen europäischen Ländern beginnen wieder aufzureißen. Auch in der Frage des Umgangs mit dem Iran und dem Atomprogramm werden die Risse deutlich. Während die USA auf schnelle Sanktionen drängen, hat sich vor allem Frankreich dagegen gewandt und fordert weitere Gespräche mit dem Regime in Teheran.

Bei dem Fingerzeig auf die USA wird allerdings die Beteiligung europäischer Stellen weitgehend ausgeblendet. Das scheinbar unvorsichtige Verhalten der CIA-Agenten in Spanien und in Italien könnte darauf hindeuten, dass sie eine wirkliche Tarnung gar nicht nötig hatten, weil sie auch von europäischen Stellen protegiert wurden. Außerdem haben sich die Vermutungen über geheime CIA-Gefängnisse in Europa erhärtet. So könnte eine gründliche Untersuchung der Umstände der El-Masri-Entführung nicht nur für die USA unangenehm werden.