Die Farbenlehre des Open Access

Open-Access-Befürworter verfolgen zwei Strategien, um einen entgeltfreien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen zu erreichen: Die Green Road (oder das Self-Archiving) und die Golden Road (oder das Self-Publishing)

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Die Green Road (Self-Archiving) bezeichnet das Veröffentlichen von wissenschaftlichen Dokumenten (vor allem Artikel in wissenschaftlichen Journalen, sog. Postprints) oder deren Vorabversionen (Preprints) auf Repositories. Davon zu unterscheiden ist das Self-Posting genannte Veröffentlichen solcher Dokumente auf der eigenen Homepage. Self-Posting findet keine Anerkennung mehr, da weder Langzeitarchivierung, Erschließung noch systematisches Retrieval gewährleistet sind. Dokumente, die via Self-Archiving bereitgestellt werden, haben den Status einer zusätzlichen Zugänglichmachung. Der zuweilen verwandte Begriff der Zweitveröffentlichung ist umstritten, da unter Veröffentlichung eine formale Publikation in einem Verlag oder Journal verstanden wird. Repositories sind aber meist keine originären Publikationsangebote, so dass der Begriff der zusätzlichen Zugänglichmachung die Zweit-Verwertung exakter beschreibt. Dokumente, die auf einem Repository abgelegt werden, wurden in der Regel auch nicht mit dem Ziel der Speicherung auf diesem Repository erstellt, sondern meist als Teil einer Prüfungsleistung oder zur Veröffentlichung in einem Journal.

Repositories verfügen nur sehr selten über eine eigene Qualitätskontrolle. Die Qualität wird daher aus der Genese der Dokumente abgeleitet: Bei Schriftenreihen geht man von einer Editorial Review, also der Prüfung durch die Herausgeber, aus. Magister-und Diplomarbeiten werden oft nur mit Gutachterempfehlung auf Repositories gespeichert. Bei Dissertationen und Habilitationen wird angenommen, dass Qualität qua Dokumentart vorliege. Bei Preprints wird in der Regel davon ausgegangen, dass die Qualität durch die überprüfbare Reputation des Autors aus früheren Veröffentlichungen ebenso sichergestellt ist wie durch die spätere formale Publikation des Dokuments im konventionellen (Nicht-Open-Access-)Verlag. Bei Postprints gestaltet sich die Ableitung am einfachsten: Hier kann eine Begutachtung aus erster Hand durch Verlage unterstellt werden.

Diese Aufzählung spiegelt auch das Spektrum der Dokumenttypen wider, die sich auf Repositories finden. Da die meisten Open-Access-Repositories in Deutschland aus Hochschulschriftenservern entstanden sind, finden sich dort zahlreiche Hochschulschriften. Im Rahmen des 1998 bis 2000 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts „Dissertationen Online“ wurden Vorgaben und Standardisierungen zum elektronischen Publizieren von Dissertationen entwickelt. Das Projekt mündete unter anderem in der Einrichtung der Koordinationsstelle Dissonline an der Deutschen Nationalbibliothek und hatte die flächendeckende Einrichtung von Hochschulschriftenservern an deutschen Universitätsbibliotheken zur Folge.

Diese Hochschulschriftenserver dienten früher ausschließlich der elektronischen Veröffentlichung von Dissertationen, heute werden sie meist zusätzlich als Open-Access-Repositories genutzt. Diese Historie führt dazu, dass auf den Repositories in Deutschland oft graue Literatur (solche, die nicht über den Buchhandel zu beziehen ist) und weiße Literatur (die über den Buchhandel bezogen werden kann, hierzu zählen auch Publikationen in wissenschaftlichen Journals) vermischt sind. Um dieser Vermischung zu entgehen, gibt es an einigen Hochschulen Bestrebungen, graue und weiße Schriften zu trennen und eigene Repositories für graue Literatur einzurichten. Diese Strategie wird als Grey Road bezeichnet, sie findet derzeit allerdings in Deutschland kaum Umsetzungen. Da Dokumente von Open-Access-Repositories zunehmend Eingang in wissenschaftliche Datenbanken finden, Wissenschaftler verstärkt wissenschaftliche WWW-Suchmaschinen nutzen und der Zugang zu Dokumenten verstärkt über Linkresolver erfolgt, wird sogar über eine Aufhebung der Trennung zwischen weißer und grauer Literatur spekuliert.

Linkresolver ermöglichen eine Verfügbarkeitsanzeige wissenschaftlicher Publikationen. Grob skizziert funktioniert ein Linkresolver wie folgt: Der Linkresolver wird über Metadaten (etwa über eine OpenURL) angesprochen, fragt Informationen über lokale Bestandsdaten und Lizenzinformationen ab und generiert einen Link auf passende Dokumente oder Angebote, etwa Dokumentenlieferdienste oder Bibliothekskataloge. Da bei dieser Technik die Herkunft des aufgerufenen Dokuments - Journal oder Repository - in den Hintergrund treten kann, wird die Grenze zwischen grauer und weißer Literatur etwas durchlässiger.

Anforderungen an Betreiber

Die Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen spezifiziert die Zugänglichmachung und die Anforderungen an Repositorybetreiber wie folgt:

Eine vollständige Fassung der Veröffentlichung samt aller zugehörigen Begleitmaterialien wird zusammen mit einer Kopie der oben erwähnten Erlaubnis [der entgeltfreien Nutzung U.H.] in einem geeigneten elektronischen Format auf mindestens einem online zugänglichen Archivserver mit geeigneten technischen Standards (wie die von Open Archive) hinterlegt und damit veröffentlicht. Der Archivserver muss betrieben werden von einer wissenschaftlichen Institution oder Gesellschaft, einer öffentlichen Institution oder einer anderen etablierten Organisation, die das 'Prinzip des offenen Zugangs', uneingeschränkte Verbreitung, Interoperabilität und Langzeitarchivierung zu verwirklichen sucht.

Zur Sicherstellung der Langzeitarchivierung arbeiten die Betreiber der Repositories, meist Hochschulbibliotheken oder Rechenzentren, mit Institutionen zusammen, die entsprechende Techniken entwickeln und anbieten: Nationalbibliotheken und in Deutschland zusätzlich die Bibliotheksverbünde. Erwähnenswert sind auch die Projekte nestor, das Kompetenznetzwerk zur Langzeitarchivierung, und kopal, das Techniken zur Langzeitarchivierung und -nutzbarkeit elektronischer Dokumente entwickelt und anbieten wird.. Eine weitere Anforderung an Repositories wird durch die Bereitstellung einer Schnittstelle nach Modell der Open Archives Initiative (OAI) formuliert. Die OAI entwickelte eine Harvestingtechnik zum Austausch der Metadaten wissenschaftlicher Dokumente. Darauf aufsetzende Suchmaschinen bieten den Vorteil, auf einen rein wissenschaftlichen Informationspool zuzugreifen. Auch wenn die OAI lediglich festlegt, dass die Metadaten entgeltfrei nutzbar sind, sind dennoch nahezu alle der nachgewiesenen Volltexte unter Open-Access-Konditionen zugänglich. Sowohl Nutzen als auch Zugänglichmachen von Dokumenten auf Repositories ist entgeltfrei möglich.

Grüne Schattierungen

Die Green Road zum Open Access verfügt über zwei Ausprägungen: Zum einen kann das Self-Archving auf einem Institutional Repository erfolgen. Ein solches Repository ist lokal und multidisziplinär ausgerichtet: Es bietet allen Wissenschaftlern einer Hochschule die Möglichkeit, wissenschaftliche Dokument zugänglich zu machen. Die fachliche Selektion der Dokumente (etwa für Datenbankanbieter oder disziplinäre Suchmaschinen) ist auf aggregierter Ebene sinnvoll und kann zum Beispiel via OAI-Protokoll erfolgen.

Zum anderen gibt es das Self-Archiving auf einem Disciplinary Repository. Ein solches Repository ist überregional und fachlich ausgerichtet: Es gibt allen Wissenschaftlern eines Faches, ohne Rücksicht auf den Standort ihrer Hochschule, die Möglichkeit, Dokumente zugänglich zu machen. Disziplinäre Angebote sind sehr attraktiv für Nutzer, Datenbank- und Suchmaschinen-Betreiber, da sich hier gebündelte Fachinformationen finden, die zudem recht einfach in Suchssysteme zu integrieren sind. Aus diesem Grund sind Disciplinary Repositories auch für Wissenschaftler attraktiv: die Aufnahme ihrer Dokumente in relevante Datenbanken ist sehr wahrscheinlich.

Die Golden Road

Die Golden Road (oder das Self-Publishing) bezeichnet die Herausgabe wissenschaftlicher Open-Access-Journale bzw. das Publizieren in solchen Zeitschriften oder das Publizieren anderer Dokumentarten wie etwa Monografien in einem Open-Access-Verlag. Dokumente die nach diesem Modell bereitgestellt werden, haben den Status einer originären Veröffentlichung. Die Rechte an solchen Publikationen verbleiben beim Autor, Open-Access-Journals und Verlage verwenden häufig Creative Commons oder ähnliche Lizenzen. Mittels der Creative Commons können Wissenschaftler sehr genau Nutzungsoptionen für ihre Dokumente einräumen oder vorenthalten. Die Lizenzen werden dem Dokument beigefügt und liegen in einer laienverständlichen, juristisch ausformulierten und - zur Indexierung durch spezielle Suchmaschinen - maschinenlesbaren Variante vor. Bei Veröffentlichungen via Self-Publishing findet in der Regel eine eigene Qualitätssicherung Anwendung, meist Peer Review.

Prinzipiell verzichten zahlreiche Golden-Road-Publikationsangebote auf eine Druckausgabe, ermöglichen aber Publishing-on-Demand, dies schließt eine qualitativ hochwertige Druckausgabe, ISBN-Vergabe und Nachweis in Buchhandelskatalogen ein. Die Finanzierung von Golden-Road-Publikationen erfolgt häufig über Publikationengebühren, die Autoren oder deren Institutionen tragen (sogenannte Author oder Institutional Fees) und die oft durch Druckkostenzuschüsse der Verwertungsgesellschaft Wort oder der DFG abgedeckt werden. Immerhin verlangen aber 52% der im Directory of Open Access Journals (DOAJ), einer Liste mit qualitätskontrollierten Open-Access-Journalen, aufgeführten Angebote keine Veröffentlichungsgebühren.

Goldene Schattierungen

Genau wie bei der Green Road existieren bei der Gold Road komplementäre Strategien. Zum einen existiert das Self-Publishing von Büchern in einem Open-Access-Universitätsverlag. Solche Universitätsverlage verlegen wissenschaftliche Publikationen der lokalen Hochschule meist ohne explizite fachliche Ausrichtung. Die elektronische Variante des Volltextes ist kostenlos, Einnahmen erfolgen über kostenpflichtige Druckausgaben. Die Qualitätssicherung liegt oft in Händen eines Steuerungs- und Herausgebergremiums aus Fakultätsangehörigen und Lehrstuhlinhabern. Zudem existieren auf Journals spezialisierte Open-Access-Verlage. Solche Verlage sind häufig international ausgerichtet, meist existiert eine disziplinäre Ausrichtung durch Bündelung von Fachjournals.

Beispiel eines Open-Access-Journal Verlags ist BioMed Central. BioMed Central verlegt 164 Journals aus den Fächern Biologie und Medizin, circa 20 davon mit einem Journal Impact Factor von bis zu 9.71. Die Qualitätskontrolle erfolgt durch Peer Review. Die Finanzierung des Verlags basiert auf Author Fees von zwischen 490 und 1405 € pro Dokument. Diese Autorengebühren können durch Support Memberships wissenschaftlicher Einrichtungen von 1649 bis 8247 € jährlich vergünstigt werden, die 15% Nachlass auf die Author Fees bedeuten.