Die Machtansprüche des obersten Kriegsherrn

US-Präsident Bush hat auch bei der Unterzeichnung der Haushaltsgesetze für das Pentagon und das Heimatschutzministerium wieder Einschränkungen vorgenommen, die die Kontrolle des Kongresses über die Regierung mindern

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Am letzten Donnerstag hat US-Präsident das Haushaltsgesetz für das Heimatschutzministerium unterzeichnet, das damit einen Etat von 34 Milliarden Dollar erhält. 1,2 Milliarden Dollar wurden damit für den umstrittenen Bau eines Hunderte von Kilometern langen Grenzzauns an der mexikanischen Grenze bewilligt, um Immigranten aus dem Süden abzuhalten. Teile des Gelds können aber auch für andere Maßnahmen an der Grenze wie den Bau von Straßen oder die Einrichtung der „virtuellen Mauer“ mit Sensoren, Radar oder Infrarotkameras eingesetzt werden kann. Bush streicht bei der Gelegenheit erneut heraus, dass der Schutz der amerikanischen Bürger eine der Hauptaufgaben der Regierung sei. Mit dem Haushalt könne man nun an den Grenzen Systeme zur Erkennung von nuklearem Material aufstellen, chemische Fabriken besser sichern und die amerikanischen Städte vor Angriffen mit Massenvernichtungswaffen schützen. Mit dem Umbau der durch das Versagen beim Wirbelsturm Katrina in Verruf gekommenen Federal Emergency Management Agency soll den Menschen besser in Notfällen und bei Naturkatastrophen geholfen werden.

Viel Geld fließt auch in technische Systeme, beispielsweise werden 360 Millionen Dollar in das VISIT-System gesteckt, 451 Millionen in automatisierte Zoll- und Grenzschutzsysteme oder 240 Millionen in Systeme zur Sprengstoffentdeckung im Gepäck. Für Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechnologien sind stattliche 840 Millionen vorgesehen, 270 Millionen zusätzlich für Entwicklung, Test und Bewertung von Systemen zur Erkennung von radiologischem und nuklearem Material. Die Europäer, die nach der Einrichtung des US-Heimatschutzministeriums im Jahr 2003 und den großen Investitionen der US-Regierung in die Forschung auch die Sicherheitstechnologie als „Zukunftsmarkt“ entdeckt haben, können bei dieser Technik- und Wirtschaftsförderung ebenso wie in der Rüstung nicht mithalten.

Wie so oft, wenn US-Präsident Bush ein Gesetz unterzeichnet, macht er dabei Vorbehalte geltend, die die Macht des Kongresses einschränken und die seine erweitern. Ende September erst hat ein Bericht des Congressional Research Service die zweifelhafte Praxis, die seit Reagan zu einem beliebten Instrument wurde, herausgestellt, die Schritt für Schritt und vom Gesetz so nicht vorgesehen die Regierung aus der Kontrolle der Gesetzgeber löst. Oft nimmt der Präsident dafür sein angebliches Recht als oberster Kriegsherr in Anspruch, der während des „langen Krieges“ gegen den Terrorismus über viele Maßnahmen wie das Abhören der Telefongespräche durch die NSA eigenständig entscheiden könne.

Auch bei der Unterzeichnung des Pentagon-Haushaltsgesetzes (Der Irak-Krieg kostet in der Woche zwei Milliarden Dollar) hat Bush in 16 Fällen Einschränkungen vorgenommen. So sieht das Gesetz eigentlich vor, dass das Pentagon keine Informationen verwenden dürfe, die illegal gesammelt wurden, beispielsweise durch Überwachung der US-Bürger. Das Pentagon müsse, so schrieb Bush in seiner Erklärung bei der Unterzeichnung, das Gesetz aus der Warte der „verfassungsmäßigen Autorität des Präsidenten als obersten Kriegsherren“ sehen, wozu auch die „Durchführung von Überwachungsmaßnahmen und die Aufsicht über die einheitliche Exekutive“ gehören. Bush benutzt seit dem 11.9. systematisch die unter amerikanischen Verfassungsrechtlern umstrittene Unitary Executive Theory, nach der der Präsident weitreichende Befugnisse über die gesamte Exekutive ausüben könne, damit sie einheitlich oder geschlossen handlungsfähig ist (Das Gesetz bin ich). Damit hat Bush das Lauschprogramm der NSA, aber etwa auch die Einführung des Status der „feindlichen Kämpfer“ und das damit verbundene System der Willkürjustiz begründet – bislang vom Obersten Gericht im Kern nicht angefochten. Ein weiteres Beispiel für eine Einschränkung des Pentagon-Haushaltsgesetzes ist beispielsweise, dass das Verteidigungsministerium den Kongress informieren müsste, wenn es Gelder für neue Zwecke oder für ein geheimes Programm verwendet. Bush nimmt für sich in Anspruch, dass er als oberster Kriegsherr zum Schutz der nationalen Sicherheit selbst entscheiden kann, ob der Kongress informiert werden muss oder nicht.

Im Fall des Haushaltsgesetzes für das Heimatschutzministerium nimmt der Präsident für sich in Anspruch, Berichte des Heimatschutzministeriums auch als oberster Kriegsherr verändern zu können. In dem Gesetz heißt es (sec. 522), dass nur der Datenschutzbeauftragte Berichte über Maßnahmen, die den Datenschutz betreffen, oder über Beschwerden über die Verletzung des Datenschutzes an den Kongress verändern oder Streichungen vornehmen dürfe. Das betrifft nicht nur Beobachtungslisten wie die No-Fly-Liste (Saddam Hussein auf der No-Fly-Liste), sondern auch Überwachungsmaßnahmen, den Umgang mit biometrischen Daten oder die Verwendung von persönlichen Daten, die beispielsweise von Europäern durch das eben getroffene Abkommen über die Weitergabe von Flugpassagierdaten (PNR) an Behörden des Heimatschutzministeriums gelangen, die diese wiederum auch an weitere Behörden oder Geheimdienste geben kann. Dana Perino, Sprecherin des Weißen Hauses, sagte, dass die Regierung das Recht habe, die Datenschutzberichte einzusehen und sie zu prüfen.

Under the agreement, U.S. Customs and Border Protection will have new flexibility to share PNR data with other counter-terrorism agencies within the U.S. government, carrying out the President’s mandate to remove obstacles to counter-terrorism information sharing. The new flexibility will apply to agencies within DHS as well as to the Department of Justice, the FBI, and other agencies with counter-terrorism responsibilities; sharing will be allowed for the investigation, analysis, and prevention of terrorism and related crimes. We are pleased that this U.S.-EU agreement promotes our joint goal of combating terrorism while respecting our joint commitment to fundamental rights and freedoms, notably privacy.

US-Heimatschutzminister Chertoff zum Zwischenabkommen über die Flugpassagierdaten mit der EU

Marc Rotenburg von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center sieht darin einen weiteren Versuch des Weißen Hauses, die Kontrolle durch den Kongress zu unterlaufen: “Das Heimatschutzministerium hat Beobachtungslisten eingerichtet, um zu kontrollieren, wer in Flugzeuge einsteigt, wer Regierungsjobs bekommt, wer angestellt wird.“ Das Ministerium habe unter allen US-Ministerien den größten Einfluss auf die Privatsphäre der Menschen.