LSD-Behandlung als Kur gegen Alkoholismus?

40 Jahre alte kanadische Studien zeigen heute unerwartete Ergebnisse

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So manche „Wunderdroge“ entpuppte sich später als großer Problemfall, so sollte Heroin ja nun gerade heldenhaft Opium- und Morphiumssucht kurieren und erwies sich dann als weit schlimmer. Auch Kokain wurde von Sigmund Freud einst in den größten Tönen gelobt und hat auch heute immer noch sinnvolle Einsatzzwecke in der Medizin. LSD wurde von Dr. Albert Hofmann ebenfalls bei wissenschaftlichen Versuchen entdeckt und konnte die "Pforten der Wahrnehmung" erweitern. Süchtig machte LSD nicht, die Gefahr lag eher in unerwarteten Flashbacks, Nachwirkungen lange nach der Einnahme. Dass LSD allerdings andere Süchte kurieren sollte, so wie man es einst von Heroin erhofft hatte, nahmen nur wenige an. Unter anderem Forscher in Kanada.

Dr. Erika Dyck, Assistenzprofessor für die Geschichte der Medizin an der Universität von Alberta in Kanada, hat in den letzten fünf Jahren einige unerwartete Ergebnisse aus Studien ermittelt, die Psychiater in Saskatchewan in Kanada in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts durchgeführt hatten. Unter anderem hatten die damaligen Forschungen ergeben, dass eine einmalige Gabe von LSD, die in einer Klinik unter kontrollierten Bedingungen und mit fortlaufender Betreuung der Patienten verabreicht wird, bereits eine effektive Behandlung von Alkoholismus darstellen kann. Sie wird diese Untersuchungen diesen Monat in der Fachzeitschrift Social History of Medicine publizieren.

Dr. Erika Dyck, University of Alberta

Auslöser der damaligen Untersuchungen war, dass die Erfahrungen von Leuten, die auf einem LSD-Trip waren und jenen, die ein Delirium Tremens infolge übermäßigen, chronischen Alkoholkonsums durchlitten hatten, ähnlich waren. Alkoholiker, die ein Delirium Tremens durchlebt hatten, waren von dieser Erfahrung oft so geschockt, dass sie ihr Leben änderten und das Steuer herum rissen, weshalb die kanadischen Psychiater daran dachten, dass eine LSD-Erfahrung ähnliche Auswirkungen auf die Alkoholkranken haben könnte, ohne ihnen die großen körperlichen Schmerzen eines Delirium Tremens zumuten zu müssen, das zudem ja auch nicht steuerbar ist und sehr negative Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit hat.

Damals konnte diese Vermutung nicht wirklich belegt werden, weil nicht genügend Zeit blieb, bevor LSD verboten wurde. Heute, 40 Jahre später, hat Erika Dyck jedoch einige der damaligen Versuchsteilnehmer besucht und interviewt und dabei erfahren, dass diese tatsächlich nie wieder einen Tropfen Alkohol angerührt hatten.

The LSD somehow gave these people experiences that psychologically took them outside of themselves and allowed them to see their own unhealthy behavior more objectively, and then determine to change it.

Dr. Erika Dyck

Die aus einer Studie im Jahr 1962 seinerzeit festgehaltenen Ergebnisse ergaben immerhin, dass nach einer Dosis LSD 65% der Alkoholiker der Studie zumindest für anderthalb Jahre (= der Dauer der Studie) dem Alkohol fern blieben. Vergleichsgruppen zeigten nur 25% Erfolg mit Gruppentherapie anstelle der LSD-Behandlung und weniger als 12% Erfolg mit den damals üblichen traditionellen psychotherapeutischen Methoden.

Doch die Untersuchung wurde schon zu ihrer Zeit in Frage gestellt, weil die Ärztegruppe vom umstrittenen britischen Psychiater Dr. Humphry Osmond (1917 – 2004) geleitet wurde, der ab 1953 bereits mit Meskalin und LSD experimentiert und Aldous Huxley zu diesen Drogen und damit zu dem Essay „Die Pforten der Wahrnehmung“ (The doors of perception) geführt hatte. Stattdessen verabreichte eine andere Ärztegruppe aus Toronto das LSD nicht in einer umsorgten Umgebung wie Osmond – es gilt er als wichtig, dass jemand, der einem LSD-Trip macht, dabei umsorgt ist und nicht alleingelassen wird –, sondern sie fesselten ihre Patienten ans Bett oder verbanden ihnen die Augen, bevor sie ihnen das LSD verabreichten. Sie konstatierten, dass LSD auf diese Art nicht gegen Alkoholismus wirksam war. Und die Studie aus Saskatchewan verschwand aus den medizinischenArchiven.

Ende der sechziger Jahre wurde dann LSD aufgrund der steigenden Beliebtheit als Straßendroge generell verboten, auch für wissenschaftliche Experimente. Dies scheint sich erst in der letzten Zeit wieder zu ändern, zumindest einigen Forscher unter anderem an der Universität von Harvard wurde es in letzter Zeit gestattet, wieder mit LSD zu experimentieren.

Dr. Dyck zieht das Fazit, dass es ein großes Problem ist, dass in Medizin und Gesellschaft durchaus einige Drogen, auch gefährliche, akzeptiert werden, doch speziell LSD mit seinen einzigartigen Möglichkeiten nicht mehr weiter untersucht werden durfte:

The LSD experience appeared to allow the patients to go through a spiritual journey that ultimately empowered them to heal themselves, and that's really quite an amazing therapy regimen. Even interviewing the patients 40 years after their experience, I was surprised at how loyal they were to the doctors who treated them, and how powerful they said the experience was for them – some even felt the experience saved their lives.

Dr. Erika Dyck