Eine Bibel in "gerechter Sprache"

Auf der Frankfurter Buchmesse wurde die nach fünf Jahren Übersetzungstätigkeit fertig gestellte Bibel präsentiert, die nicht diskriminierend und zugleich für Zeitgenossen verständlich sein soll

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Finanziert wurde das von der Evangelischen Akademie Arnoldshain unterstützte Projekt über fünf Jahre hinweg von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). An der Übersetzung wirkten zweiundvierzig Bibelwissenschaftlerinnen und zehn Bibelwissenschaftler mit, die jeweils einen bestimmten Text der Bibel übersetzten. Auf einen vereinheitlichende Abgleich der Einzelübersetzungen wurde verzichtet, um den einzelnen Texten gerecht zu werden. Die angefallenen Kosten von 400.000 € wurden über Gelder abgedeckt, die von über 1.200 Spendern zur Verfügung gestellt wurden. Pfarrerin Hanne Köhler, die für die Arbeit am Projekt freigestellt wurde, betont, dass die neue Übersetzung der Bibel notwendig sei, um sich mit einer zeitgemäßen Sprache an die Menschen zu wenden.

Gen 2,23 – 3,1
BIBEL in gerechter Sprache Stand Feb. 2006

23 Da sagte der Mensch als Mann: „Dieses Mal ist es Knochen von meinen Knochen, und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Ischscha, Frau, genannt werden, denn vom Isch, vom Mann, wurde die genommen!“
24 Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich mit seiner Frau verbinden. Sie werden ein Fleisch sein. 25 Und obwohl die beiden nichts an hatten, der Mensch als Mann und seine Frau, schämten sie sich nicht.
3 1 Die Schlange hatte weniger an, aber mehr drauf als alle anderen Tiere des Feldes, die Adonaj, also Gott, gemacht hatte.

Analog dem Projekt der Bibel in gerechter Sprache finden sich in den USA schon Bibelübersetzungen in „inclusive language“, wie die 1989 erschienene New Revised Standard Version. Auch dort wird ein besonderes Augenmerk auf die „gender neutrality“ gelegt. Ob der Ausdruck der „gerechten“ Sprache glücklich gewählt ist, soll dahingestellt sein, am englischen „inclusive“ ist in jedem Fall die Tendenz abzulesen, möglichst wenig Anstoß zu erregen. Der Leitfaden der neuen Übersetzung wird in einer Presseerklärung als Gerechtigkeit bezeichnet, zumal diese auch wichtiges Thema der Bibel sei. Die Hemmschwelle, sich mit dem Buch der Bücher zu beschäftigen, soll gesenkt werden. Schwerpunkte der neuen Übersetzung sind neben der sozialen Gerechtigkeit die Rücksichtnahme auf die Ergebnisse der feministischen Forschung und des jüdisch-christlichen Dialogs.

Alle Übersetzenden haben sich verpflichtet, neben der traditionellen historisch-kritischen und literaturwissenschaftlichen Exegese feministische und befreiungstheologische Diskurse und die Diskussion des christlichen Antijudaismus zu berücksichtigen […]. Es wird möglich sein, die Ergebnisse feministisch-theologischer und sozialgeschichtlicher Forschung, sowie Erfahrungen aus dem jüdisch-christlichen Dialog über die üblichen Kreise hinaus bekannt zu machen und auch – kontrovers – zu diskutieren. Der eher zufällige Auftakt am deutschen Reformationstag erweist sich also durchaus als programmatisch. Mit dem Projekt verknüpft ist die Hoffnung, die Bibel ins Gespräch zu bringen und für eine neue Generation attraktiver und zugänglicher zu machen. Dies ist ein vielversprechender Ansatz, auch dem weithin beklagten Traditionsabbruch entgegenzuwirken.

Auf den Einwand, dass es zu Zeiten Jesu eine Männerherrschaft gab, die in der Übersetzung nicht zu leugnen sei, verteidigt sich Pfarrerin Köhler: „Das leugnen wir nicht. Doch deswegen ist sie noch nicht verfälschend.“ Eine Richtigstellung verspricht man sich zum Beispiel bei den Bibelstellen, in denen Frauen nur „mitgemeint“ sind, also dort, wo – wie in manchen Sprachen – die männliche Form benutzt wird, wenn auch ein Bezug auf anwesende Frauen statt findet. In der neuen Übersetzung heißt es hier „Jüngerinnen und Jünger“, es ist die Rede von „pharisäischen Männern und Frauen“. Dabei ist aber nicht in allen Fällen sicher, ob auch von Frauen die Rede ist, wie bei jeder Übersetzung müssen auch hier Entscheidungen zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten Interpretation fallen.

Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist die, ob es möglich ist, die historisch-kritische Exegese zusammen mit der feministischen durchzuführen und dabei zugleich in einer zeitgenössischen Sprache zu schreiben, die dem Leser angenehm ist. Die Gesellschaftsform der Zeit, der die Texte entstammen, hätte diesen Ansprüchen mit Sicherheit nicht genügt. Sie an einen Text, der diesem Boden entstammt, hineinzutragen, muss zu einer Verschiebung nicht nur der Textgestaltung, sondern auch seines Inhalts führen. Auch wenn die ursprüngliche Übersetzung Luthers durch ihre Sprache abschreckend wirken und ihre Korrektheit teilweise angezweifelt werden kann, gibt es andere, revidierte Übersetzungen, die zu Rate gezogen werden können und die um wissenschaftliche Genauigkeit bemüht sind. Und dass sich der potentielle deutsche Leser durch das Frauenbild oder die Darstellung des Judentums in der Bibel von der Lektüre derselben abschrecken lässt, darf laut in Frage gestellt werden. Die Deutschen sind im Besitz von Bibeln, sogar die Ausgaben von Bild und Weltbild-Verlag finden immer wieder Absatz.

Vielleicht besteht die Sorge zu Recht, dass die Bibeln der Deutschen in den Regalen stehen, aber nicht gelesen werden. Eine zeitgenössische Übersetzung, die den Zugang zum Text erleichtern soll, könnte eine Lösung für dieses Problem darstellen. Bei der vorgelegten Übersetzung steht aber zu befürchten, dass durch einen Wechsel bei den Personalpronomen, die Gott vertreten, oder die Übersetzung des Tetragrammes, das für Gottes Namen steht, mit Wörtern, die optional am oberen Textrand stehen, das nötige Maß an Irritation hinzusteuert, das die Auseinandersetzung mit dem Text nicht unbedingt erleichtert.

Nicht übersetzbar ist jedoch der Eigenname Gottes, und dies wird in der „Bibel in gerechter Sprache“ deutlich gemacht. Im Alten Testament (AT) wird der Eigenname mit den vier Konsonanten j-h-w-h (dem Tetragramm) geschrieben und nicht ausgesprochen. Um den Gottesnamen zu heiligen, wird etwas anderes gelesen. „Adonaj“ gehört zu den Worten, die an die Stelle des nicht ausgesprochenen Namens treten. In vielen Bibelübersetzungen wird „Adonaj“ mit „Herr“ wiedergegeben. Das Wort ist aber eine Gott allein vorbehaltene Herrschaftsbezeichnung und gerade nicht – wie Herr im Deutschen – eine höfliche Anrede für jeden Mann. In der „Bibel in gerechter Sprache“ werden Lesevarianten des Gottesnamens vorgeschlagen, so z. B. neben dem auf den Deutschen Evangelischen Kirchentagen eingeübten „Adonaj“ und dem in jüdischen Übersetzungen gebräuchlichen „der Ewige“, auch „die Ewige“, „der Name“, „GOTT“, „der Lebendige“, „DU“, „der Heilige“, „die Heilige“. Die Stellen, an denen in der Bibel der Eigenname Gottes gemeint ist, sind deutlich hervorgehoben.

Aus der Presseerklärung des Herausgeberkreises

Ein Verfahren, das sich dem Text mit den bestehenden Ansprüchen nähert, ist zudem aus Gründen der Hermeneutik bedenklich. Es ist nichts Neues, dass ein Text mit der Lektüre immer wieder neu erschlossen werden muss. Hier scheint aber der Text bewusst dem Exegeten angepasst zu werden, was dann in der Re-Lektüre zu bestätigenden Ergebnissen und vielleicht zu einem anderen Verständnis von Gott und Kirche führen kann. Dies ist kein Nebenprodukt der Arbeit, sondern scheint als implizites Ziel des Projektes mit beabsichtigt zu sein, es scheint auch ein neues Verständnis des Glaubens vorgeschlagen zu werden. Eine Unterstützung bei der Lektüre der bereits existierenden Übersetzungen könnte in diesem Falle vielleicht mehr leisten, als eine Ausgabe, die unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden und zugleich der Verständlichkeit dienen möchte.

Ob die Hoffnung, durch die neue Übersetzung, die vielen Herren zugleich dienen möchte, ein neues Interesse am Werk zu stiften, trügerisch ist, und was von ihr zuletzt bleibt, muss sich zeigen, die erste Auflage wurde schon einmal von zehn- auf zwanzigtausend Exemplare erhöht.