Jäger der erdähnlichen Welten

ESA-Weltraumteleskop COROT startet in wenigen Wochen, um terrestrische ferne Exoplaneten zu entdecken

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Auf der Spurensuche nach Exoplaneten könnte die Europäische Raumfahrtagentur ESA schon im nächsten Monat die alles entscheidende Zäsur markieren, indem sie den ersten erdähnlichen Planeten außerhalb des Sonnensystems ans Land zieht. Wenn die NASA im nächsten Jahr mit dem Kepler-Satelliten ihren ersten Jäger nach Exoplaneten in die Erdumlaufbahn schießt, wird das europäische Pendant COROT bereits eine neue Seite im Buch der bisher noch recht jungen Geschichte der Exoplaneten-Forschung aufgeschlagen haben. Noch im November soll COROT ins All starten und gezielt nach erdähnlichen Planeten suchen…und auch solche finden.

Wenn in ihren Fangnetzen ein kleiner Fisch zappelt, ist ihnen ein großer Fisch ins Netz gegangen. So könnte man die Lebensphilosophie der Planetenfischer, die nach terrestrischen Welten trachten, getrost umschreiben: Denn je kleiner und erdähnlicher die gefangene Beute, desto wertvoller der Fund, weil sich dadurch die Wahrscheinlichkeit auf biologisches Leben erhöht.

Bislang 210 Exoplaneten

Ausgehend von dieser Maxime fahnden und jagen Astronomen seit mehr als einer Dekade nach extrasolaren Sterntrabanten – mit einer erstaunlichen Erfolgsquote: Seitdem Michel Mayor und Didier Queloz vom Genfer Observatorium im Jahr 1995 bei dem Stern 51 Pegasi b den ersten Planeten einer Sonne entdeckten, beläuft sich der Katalog der Exoplaneten derzeit auf 210 bestätigte planetare Welten fernab des Sonnensystems – und es werden wöchentlich immer mehr.

Michel Mayor (rechts) und Didier Queloz (links) – die Entdecker des ersten Exoplaneten, der eine noch „aktive Sonne“ umkreist. (Bild: DR, Geneva University)

Während sich das Gros der bislang bekannten Exoplaneten im kalten All als heiße, massereiche Gasbälle Abkühlung zu schaffen versucht, kennen die Planetenjäger gegenwärtig nur eine Handvoll extrasolare kleinere „kühlere“ Vertreter. Nur eine zweite Erde, die dem Namen zur Ehre gereicht, eben noch nicht. Aber das könnte sich alsbald ändern – sehr bald. Ja, alsbald wird der Zahlwert des Jean Schneider Katalogs, der gewissenhaft alle Exoplaneten und alle angehenden Kandidaten verzeichnet, in die Höhe schnellen.

Nachweis erdähnlicher Planeten möglich

Denn wenn der 4,20 Meter hohe und 670 Kilogramm schwere COROT-Satellit (COnvection ROtation and planetary Transits) Ende dieses Jahres in einer polaren Umlaufbahn in 826 Kilometer Höhe Position bezieht und alle weiteren Manöver gelingen, beginnt eine insgesamt zweieinhalb Jahre währende Mission, bei der Hunderte von neuen, weitaus masseärmeren Exoplaneten entdeckt werden – hierunter auch erdähnliche Exemplare, wie Günther Wuchterl von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg vermutet:

Eines ist klar, COROT wird weit unter die Radien der Gasplaneten kommen. Und ein Planet mit zum Beispiel zwei Erdradien ist für mich ein erdähnlicher, terrestrischer Planet. Mit etwas Glück wird der erste erdähnliche extrasolare Planet von COROT entdeckt werden. Ich glaube, dass COROT die Chance hat, nachzuweisen, dass erdähnliche Planeten etwas Verbreitetes sind.

Corot – sollte schon längst auf Mission sein (Bild: CNES)

Unsichtbares sichtbar machen

Aus der Erdumlaufbahn heraus wird der High-Tech-Späher fünf Himmelssektoren für jeweils etwa fünf Monate anvisieren. Für diese Prozedur ist das satelliteneigene 27-Zentimeter-Teleskop zuständig, das zwischen 30.000 und 60.000 Sterne nach so genannten Transits durchforstet. Das hierbei zur Geltung kommende Grundprinzip ist ebenso einfach wie genial. Denn bei dieser Methode werden die Helligkeitsschwankungen eines Sternes gemessen, die hervorgerufen werden, wenn ein Planet vor ihm vorbeizieht. Steht der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne, wird das Licht, das der Heimatstern aussendet, geringfügig abgeschwächt, ist aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten indirekt sichtbar zu machen.

Zwei erdähnliche Exoplaneten in engem Orbit. Auch derartige planetare Konstellationen sind denkbar (Bild: ESA – Illustration by Medialab)

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei diesem Prozedere alles perfekt aufeinander abgestimmt sein muss. Denn die Jagd nach extrasolaren Planeten via Transit gleicht einer Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen, der selbst nur aus Nadeln besteht, weil das von dem Zentralgestirn ausgestrahlte Licht so ziemlich jedes Photon überstrahlt, das der Exoplanet zu reflektieren vermag.

Geringe Lichtfluktuation

Wie geringfügig dabei die Intensität der Lichtabschwächung tatsächlich ist, die der an seinem Heimatstern vorbeiziehende Sterntrabant verursacht, zeigte sich am 8. Juni 2004 beim Venus-Transit. Als die Nummer zwei im Solarsystem für knapp sechs Stunden als dunkler Fleck vor der Sonnenscheibe entlang zog (Der Pickel auf der Sonne), schwächte sich das Licht der Sonne ab, wenngleich auch nur um den Faktor 1000. Bei extrasolaren Planeten, die Hunderte von Lichtjahren entfernt liegen, sind solcherlei Lichtfluktuationen derart minimal, dass diese nur extrem sensible Weltraumobservatorien detektieren können. Wer also mehr von dem planetaren Licht- und Schattenspiel sehen will, muss in den Orbit. Hier, abseits der störenden irdischen Atmosphäre, lassen sich kleinste exosolare Helligkeitsschwankungen einfach präziser analysieren.

COROT befindet sich derzeit in Baikonur und ist bereit zum Start (Bild: CNES)

Neben dem Aufspüren von Exoplaneten widmet sich COROT übrigens auch der hochgenauen Sternenphotometrie. Um Fragen der Astro-Seismologie, der Sternbebenkunde zu beantworten, misst dabei das auf dem Satelliten montierte Teleskop ebenfalls den Lichtkurvenverlauf heller Sterne; hieraus kann COROT Rückschlüsse auf deren innere Strukturen ziehen.

Gerechtfertigter Optimismus

Von daher könnte COROT als erster den Coup landen, einen extrasolaren Planeten von nur wenigen Erdradien Größe zu entdecken, der sich auf einer relativ nahen Bahn um seine Sonne bewegt. Immerhin halten selbst Experten diesen Optimismus für berechtigt. "Wir erwarten von COROT die erstmalige Entdeckung kleiner, terrestrischer Planeten", sagt die Leiterin des Instituts für Planetenforschung und Extrasolare Planeten und Atmosphären, Prof. Heike Rauer vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Berlin. „Die Abschätzungen sagen eine Messgenauigkeit von Planeten ab wenigen Erdradien Größe voraus. Diese müssen aber kürzere Umlaufzeiten als die Erde um die Sonne haben, da COROT ja nur 5 Monate kontinuierlich auf ein Bildfeld schaut und man einen Transit mindestens drei Mal beobachten möchte um sicher zu sein“, so Frau Rauer.

Der bislang kleinste aller detektieren Planeten ist nur fünfmal massereicher als die Erde (Bild: ESO)

Wann COROT in den Orbit gehievt wird, hängt von letzten Endes nur von dem Trägersystem ab. Während der Forschungssatellit gut verstaut bereits seit mehreren Wochen ungeduldig in den Startlöchern sitzt, musste die vorgesehene Trägerrakete, eine ältere Version der Sojus, aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden, da sie im Sommer eine technische Qualifikation nicht erfüllte. Hinzu kommen die klimatischen Verhältnisse in Baikonur, die einem baldigen Bilderbuchstart nicht gerade entgegenkommen. „Weil es nun vermutlich ein Winter-Start in Baikonur wird, muss der Satellit auch ‚auf Temperatur’ gehalten werden“, sagt Günther Wuchterl. „Offiziellen Informationen zufolge soll der Start am 15. November dieses Jahres erfolgen. Das Startfieber ist schon voll da.“

ESA weckt falsche Hoffnungen

Insgesamt fiebert ein europäisches Team von Wissenschaftlern aus fünf Nationen, aber auch die Europäische Raumfahrtorganisation ESA dem Tag X entgegen. Außer deutschen Wissenschaftlern vom DLR und der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg, der Universität Köln und dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching partizipieren an dem unter der Federführung der französischen Raumfahrtagentur CNES laufenden Projekt Forscher aus Frankreich, Österreich, Belgien und Spanien sowie Experten der ESA.

COROTs Stunde naht (Bild: CNES)

Ob COROT sich jedoch angesichts des ganzen Aufwandes als ET-Jäger qualifizieren wird, so wie es die ESA in einer älteren Pressemeldung verlautbarte, darf getrost negiert werden, weil COROT die Atmosphären ferner Welten nicht via Spektralanalyse seziert. Dafür sind seine Instrumente nicht ausgelegt; dafür reicht seine Sensibilität bei weitem nicht aus. Diesen Schritt werden erst COROTs Nachfolgemissionen Darwin und Terrestrial Planet Finder wagen.

Gewagte Prognose?

Wenn COROT die neue Ära der weltraumgestützten Planetensuche einläutet, stehen die Nachfolgemissionen bereits in den Startlöchern. Denn als erste Satellitenmission auf diesem jungen Gebiet der Planetenforschung dient COROT zu guter Letzt der Vorbereitung nachfolgender ESA- und NASA-Missionen Kepler (2007) und eben Darwin bzw. Terrestrial Planet Finder.

Das Konzept der Darwin-Mission sieht ein Geschwader von sechs großen Infrarot-Weltraumteleskopen vor, die in einem Abstand von 1,5 Millionen Kilometern von der Erde im so genannten Lagrange-Punkt 2 zu einem Interferometer zusammengeschaltet werden, um eine sehr hohe Trennschärfe zu erreichen (Bild: ESA/Alcatel Space Industries)

Die gezielte Suche nach Spuren von biologischer Aktivität auf fernen Welten via Weltraumteleskop steckt (abstrakt gesehen) selbst noch in den Startlöchern, mit denen COROT derzeit vorlieb nehmen muss. So richtig los geht es erst in der nächsten Dekade. Dann schlägt für Astrobiologen die Stunde X. Dann gelingt – diese Prognose wagt der Autor dieses Beitrages frohen Mutes – der erste Nachweis einer außerirdischen Lebensform. Warum auch nicht. Schließlich ist das Weltall voll von Leben. Mag die Erde ein Hort biologischen Lebens sein – das Universum indes, das zu keinem Zeit- und Raumpunkt um Kreativität verlegen war, ist ein unglaublich großer Hort, in dem nicht nur biologische, sondern auch nichtbiologische Lebensformen eine planetare Nische gefunden haben.