Hat sich Chavez in einen Hersteller von US-Wahlcomputern eingekauft?

Kurz vor den Kongresswahlen in den USA gedeihen Verschwörungstheorien, Verdunkelungsgefahr besteht wohl eher bei den üblichen Praktiken internationaler Konzerne

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In den USA kursiert seit Frühjahr dieses Jahres ein Verdacht, der auf das weit verbreitete Misstrauen gegenüber den Wahlcomputern hinweist und der Sorge vor dem Betrug mittels der Black Box der Maschinen nun auch noch eine internationale Verschwörungstheorie anheftet. Nachdem im März 2005 die kalifornische Firma Sequoia Voting Systems von Smartmatic, seit 2000 mit Sitz in Florida, aufgekauft wurde, kam die Vermutung auf, dass damit möglicherweise die Regierung von Hugo Chavez die Kongresswahlen am 7.11. beeinflussen oder stören könnte. Wahlcomputer von Sequoia werden in 17 US-Bundesstaaten eingesetzt. Von Smartmatic stammten die 24.000 Wahlcomputer, die 2004 für das Referendum in Venezuela eingesetzt wurden, bei dem Chavez bestätigt wurde (Hugo Chávez Frías bleibt Präsident Venezuelas). Die Opposition warf der Regierung Wahlbetrug vor. Am 3. Dezember finden wieder Wahlen statt, was das Thema über die amerikanischen Kongresswahlen hinaus interessant macht.

Heckt der von der US-Regierung ungeliebte Präsident Venezuelas, der sich gerne mit anderen Gegnern der USA verbündet, einen Anschlag auf die Kongresswahlen aus?

Der Verdacht ist nicht nur eine der üblichen Verschwörungstheorien. Nachdem die demokratische Abgeordnete Carolyn Maloney aus New York über die Information gestolpert war, dass seit 2003 der venezolanische Regierung durch eine Investition von 200.000 US-Dollar 28% der Softwarfirma Bizta gehören, die zusammen mit dem venezolanischen Telekomkonzern CANTV und Smartmatic 2004 die Wahllokale in Venezuela mit Wahlcomputern ausstatteten, hatte sie einen Brief an den Finanzminister geschrieben. Danach hatte sich auch das Committee on Foreign Investment (CFIUS) des Falls angenommen. Das Komitee untersucht unter dem Vorsitz des US-Finanzministers die Folgen von ausländischen Investitionen in amerikanische Firmen im Hinblick auf mögliche Folgen für die nationale Sicherheit untersucht. Mittlerweile hat, so der Miami Herald, das Komitee eine formelle Untersuchung eingeleitet. Die venezolanische Regierung weist durch den Botschafter in den USA die Behauptung ebenso entschieden zurück wie Smartmatic.

Bizta entwickelte die Programme für die Smartmatic-Wahlcomputer. Zudem gab es mit den Venezolanern Antonio Mugica Rivero, Gründer und CEO von Smartmatic, und Alfredo Anzola Jaumotte, Mitbegründer von Smartmagic, personelle Überscheidungen in der Führung der beiden Firmen. Überdies war nach der Investition der Regierung und vor dem Auftrag, die Wahlcomputer zu bauen, ein Vertreter des Wissenschaftsministeriums in den Beirat von Bizta eingetreten. Die Wahlcomputer waren allerdings bereits mit einem parallelen Papierausdruck ausgestattet, was die Opposition nicht davon abhielt, der Regierung Betrug vorzuwerfen. Von den internationalen Wahlbeobachtern gab es jedoch keine Kritik an der Durchführung der Wahlen oder Hinweise auf verdächtige Unregelmäßigkeiten. Maloney führt als Verdacht an, dass auch eine Auszählung der Papierausdrucke manipuliert werden könne, weil diese von der Wahlbehörde beaufsichtigt würde, die Pro-Chavez sei. Verdächtig sei auch, dass Chavez mit Smartmatic amerikanische Firmen aus dem venezolanischen Markt für Wahlcomputer verdrängt habe. Die bislang vorhandenen Wahlcomputer der US-Firma Election Systems & Software waren durch Maschinen von Smartmatic ersetzt worden.

Wahlcomputer von Sequoia

Das Geld, das vom Fondo de Credito Industrial in Bizta investiert wurde, soll diese noch vor dem Referendum zurückgezahlt haben. Smartmatic bezeichnet es ebenso wie die venezolanische Regierung als Kredit. Ausgestattet mit viel Geld durch weitere Aufträge konntte Smartmatic schließlich mit Sequoia einen der größten Wahlcomputer-Hersteller in den USA erwerben – mit dem Ziel, der führende Anbieter in Lateinamerika und dann auch in der Welt zu werden.

Schwierigkeiten mit Smartmatic bereiten allerdings die komplizierten Eigentumsverhältnisse, die allerdings den üblichen von transnationalen Konzernen entsprechen. Obgleich der Geschäftssitz der Firma in Florida ist, gehört diese drei Firmen: Smartmatic International in Delaware, Smartmatic International Holding in den Niederlanden und Smartmatic International Group in Curacao, die wiederum Pinate, Curaccao Corporation Co. and Netherlands Antilles Corporation Co. gehört. Das könnte natürlich nicht nur finanzielle und wirtschaftliche Vorteile bringen, sondern prinzipiell auch der politischen Verdunkelung dienen. Ein Sprecher von Smartmatic erklärte, dass die Diversifizierung nur dazu diente, die internationalen Geschäfte zu erleichtern. Der Familie von Murciga würden weiterhin 75% des Unternehmens gehören. Smartmatic sei ein völlig privates Unternehmen, keine Regierung sei in irgendeiner Form an ihr beteiligt.

Auch nach Recherchen des Miami Herald ergaben sich keine Hinweise auf eine Beteiligung der venezolanischen Regierung. Dafür aber ein kaum durchschaubares, weltweit verstreutes Geflecht an Beteiligungen, das wohl vornehmlich dazu dient, Steuern zu umgehen und Besitzverhältnisse zu kaschieren

Business records obtained by The Miami Herald in Willemstad's commercial registry provide no evidence of any Venezuelan government official or agency as director, associate, employee or proxy. What the records do show is the circuitous ownership structure with a paper trail leading from Willemstad to Amsterdam to Caracas to Delaware and then to Boca Raton and Oakland, Calif.

Steckt nun Chavez hinter Sequoia, Smartmatic und Bizta? Mit der kleinen, angeblich zurückbezahlten Beteiligung von 200.000 US-Dollar wäre der Einfluss der venezolanischen Regierung wohl auch dann, wenn es so wäre, ziemlich gering. Von den Eigentümern, die aus reichen Familien stammen, ist nicht bekannt, ob sie Chavez-Anhänger sind. Die Reichen in Venezueala gehören allerdings normalerweise nicht zu Unterstützern seiner Politik. Aber wenn es ums Geld geht, muss das bekanntlich nicht viel heißen. Viel wahrscheinlicher als die politische Verschwörungstheorie ist die bislang ganz legale und von Finanzexperten organisierte wirtschaftliche Verschwörung, durch möglichst komplizierte und internationale Beteiligungskonstruktionen möglichst dem Zugriff aller Staaten zu entgehen. Das US-Finanzministerium hätte also trotzdem viel zu tun, auch wenn der Feind aus dem Süden nicht über kapitalistische Methoden und Computertechnologien in das Herz des demokratischen Systems vordringt und die Wahlen manipuliert.