"Is’sich komisches Film aus Kasachstan in Kino ab heute!"

"Borat": Wenn die Leningrad Cowboys auf Michael Moore treffen

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Michael Moore wird oft als Journalist oder Politiker missverstanden, doch in seinen Fernsehshows und Buchtouren erkennt man ihn als politisch nicht immer korrekten Komiker. Sacha Baron Cohen muss dagegen wirklich nicht befürchten, für einen Journalisten gehalten zu werden, selbst wenn er als „Borat“ einen spielt.

So manches Medienereignis wird heute gezielt als Skandal aufgezogen, um den Umsatz des zu verkaufenden Produkts zu steigern. Meist klappt das auch, ob nun die brave Tagesschau-Sprecherin, die 30 Jahre Emanzipation mit einem noch braveren Buch rückgängig macht und dafür das Fernsehen aufgeben muss oder die attraktive Anwältin, die nachts als Domina arbeitet und damit ins Fernsehen kommt. "Borat" hat solche Mätzchen allerdings nicht nötig, er ist längst eine Skandalfigur im Fernsehen und tut alles dafür, nicht zu attraktiv zu sein.

Nach dem pakistanischen Rapper Ali G. spielt der englische Komiker und Schauspieler Sacha Baron Cohen nun also den kasachischen Fernsehreporter Borat, der sich mindestens ebenso kurios und politisch und auch sonst absolut unkorrekt verhält, was bereits ernsthafte politische Verstimmungen ausgelöst hat – Kasachstan, aus dem Borat angeblich stammt, ist sauer. Die USA, die im Film von Borat bereist wird, um daraus etwas für zuhause zu lernen, werden allerdings noch viel mehr durch den Kakao gezogen.

Borat beim fachlich bewanderten Autokauf

Empfindlich sollte man nicht sein, wenn in „Borat“ im fernen Kasachstan das „Judenei“ zertrampelt wird – als Kind einer jüdisch-multikultureller Familie „darf“ Sacha Baron Cohen jede Menge völlig undiskutable Witze über Minderheiten, Randgruppen, Zigeuner und Juden machen und in hysterischer Panik vor einem alten jüdischen Ehepaar flüchten. Dass er dann allerdings Kasachstan so massiv auf die Schippe nimmt, weil das Land im Westen ja vermeintlich völlig unbekannt ist, sorgt nun für den politischen Zündstoff, während die USA seit Michael Moores TV-Shows derartigen Kummer gewohnt sind.

Tatsächlich erinnert „Borat“ an eben jene frühen Fernsehshows von Michael Moore (Moore TV) wie "The Awful Truth", in denen jener sich als kommunistischer Fernsehstar gegen die westlichen Medienimperien präsentierte und bei den fortgesetzten Bemühungen, seine Landsleute vorzuführen, nur wenige derbe Scherze ausließ. Doch wenn Michael Moore einem Schwule hassenden Prediger ein Geburtstagsständchen von einem Schwulenchor im rosa Wohnwagen spendierte, so war dies noch überlegt geplant – Borat stolpert dagegen nur noch von einer Szene des „wahren Amerika“ in eine andere und wirkt wie Charlie Chaplins „Ein König in New York“ auf Acid.

Statt bei einer Corvette oder einem "Hummer" mit "Muschimagnet" endet Borats Suche nach einem Fortbewegungsmittel bei einem Eiswagen – mit Bär

Auch für die Kunstfigur Borat Pate gestanden hat ohne Zweifel die Band "Leningrad Cowboys", die in Wirklichkeit ja aus Finnland ist, aber bereits 1989 im Film "Leningrad Cowboys go America" die Mission Borats vorwegnahm, das fremde Land im Westen zu bereisen und zu scheitern. "Borat" wurde auch im Stil der frühen Michael-Moore-Filme gedreht: die in die Szenen involvierten Normalbürger wussten nicht, was sie erwartet, was etliche Auseinandersetzungen mit Hotelmanagern, Polizei und sogar dem FBI zur Folge gehabt haben soll. Das Filmteam bestand nur aus acht Mann, alle anderen Personen im Film demnach keine Schauspieler und mitunter ziemlich empört, so der Filmverleih.

In Sneak-Previews, bei denen die Zuschauer beim Kauf der Kinokarte nicht wussten, was sie erwartet, spaltete Borat bereits in den ersten Sekunden, in denen der Film anlief und sich zu erkennen gab, das Publikum: während einige aufstöhnten, „für diesen Schwachsinn Geld ausgegeben zu haben“, brachen andere spontan in Standing Ovations aus. Im Film lachte dann fast jeder, doch nachher war dies jenen, die den Film eigentlich nicht hatten sehen wollen, sehr sehr peinlich...

Immer modebewusst: Borat