Beamen, Sex und Cyborgs

Ein Gespräch mit dem Physiker hinter Star Trek: Lawrence Krauss

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Vor vierzig Jahren schwebte das Raumschiff Enterprise zum ersten Mal über die Fernsehschirme. Die Serie hatte anfangs schwache Einschaltquoten, entwickelte sich dann aber zur populärsten Science-Fiction auf dem Bildschirm und wurde ein ganz eigener Kult. Ein guter Zeitpunkt, um mit Lawrence Krauss, Wissenschaftler und Autor von zwei Büchern über die Physik von und jenseits von Star Trek, über Science Fiction, Wirklichkeit und Wissenschaft zu plaudern.

Der Vorspann der ersten Serie steckt ab, worum es in Star Trek geht: "Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat." Die Welt des Raumschiffs Enterprise und seiner Nachfolger steht für eine Zukunftsutopie, in der die Vernunft die Menschheit friedlich geeint hat. Religion hat diese Gesellschaft ebenso hinter sich gelassen wie Kriege oder nationale Regierungen. Der Planet-Erde ist Teil einer universalen Föderation, die Menschheit erforscht den Weltraum und sucht den friedlichen Kontakt zu anderen Wesen.

Am 08. September 1966 wurde in den USA die erste Star-Trek-Episode Das letzte seiner Art (The man trap) im Fernsehen gesendet. Seitdem entstanden insgesamt fünf Fernsehserien (Raumschiff Enterprise, Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert, Deep Space Nine, Raumschiff Voyager und Enterprise) mit mehr als 700 Episoden, die in aller Welt gezeigt wurden (plus eine Trickfilmserie). Außerdem spielten die bislang zehn Kinofilme mehr als eine Milliarde Dollar ein und ein elfter ist in Arbeit.

Lawrence Krauss diskutiert gerne im Kreis seiner Freunde über Physik. (Bildnachweis)

Lawrence M. Krauss ist Professor für Physik und Astronomie an der Case Western Reserve University in Cleveland. Neben seiner Forschung ist es ihm ein Anliegen, die Erkenntnisse der Physik einem breiten Publikum amüsant und anschaulich zu vermitteln. Er veröffentlichte diverse Bücher, darunter zwei Standardwerke nicht nur für jeden naturwissenschaftlich interessierten Trekkie: Die Physik von Star Trek und Jenseits von Star Trek. Außerdem ist Lawrence Krauss ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Lehre des Kreationismus bzw. des Intelligent Design (vgl. Gott oder die Evolution 21700), die religiöse Schöpfungslehre, die vor allem in den USA immer mehr um sich greift und die naturwissenschaftliche Evolutionstheorie zu verdrängen sucht (vgl. How to Make Sure Children Are Scientifically Illiterate oder On the side of the angels).

Bezeichnen Sie sich selbst als Trekkie)?

Lawrence Krauss: Nun, ich fahre nicht verkleidet zu Star Trek Convention [Lachen]. Als ich aufwuchs, habe ich Raumschiff Enterprise im Fernsehen gesehen, aber ich habe überhaupt viel ferngesehen. Als ich dann an meinem Buch schrieb, habe ich mir viele, viele Folgen auf Video angeschaut, meistens nachts - und dass ich nie auf Schnellvorlauf gegangen bin, verdeutlicht, dass mich die Serie wirklich interessiert und angesprochen hat.

Wie sieht ihrer Meinung nach das Verhältnis zwischen Science und Science Fiction aus? Wird die Wissenschaft durch Science Fiction inspiriert?

Lawrence Krauss: Es gibt meiner Meinung nach keine direkte Beziehung zwischen Wissenschaft und Science Fiction, zumindest keine kausale Beziehung. Science Fiction benutzt natürlich wissenschaftliche Erkenntnisse und entwirft daraus Szenarien, und umgekehrt lesen Wissenschaftler Science Fiction. Aber das ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei, was war zuerst? Ich mag Science Fiction, aber ich weiß nicht, ob ich Science Fiction mag, weil ich ein Wissenschaftler bin, oder ob ich Wissenschaftler bin, weil ich Science Fiction mag. In jedem Fall fördert Science Fiction die Kreativität, die Art verschiedene Probleme zu betrachten. Science Fiction und Wissenschaft imitieren einander und manchmal gelingt es Science Fiction wissenschaftliche Entwicklungen vorherzusagen. Meistens gibt es aber keine direkte Inspiration von Wissenschaft durch Science Fiction-Werke, das geschieht nur ganz selten.

Das Star Trek-Universum ist - genau wie andere Science-Fiction-Werke - voller verschiedener Formen von Aliens und Außerirdischen. Werden wir Kontakt zu anderen intelligenten Lebensformen im Universum aufnehmen? Und sind wir (die Menschheit) auf den ersten Kontakt vorbereitet?

Lawrence Krauss: Wir sind nicht auf den Erstkontakt vorbereitet. Aber wir sind ja auch kaum darauf vorbereitet, mit uns selbst in Kontakt zu treten. Das Universum ist ein riesiger Raum, unsere Galaxis ist ein riesiger Raum, es ist wahrscheinlich, dass da draußen intelligentes Leben existiert, aber es ist unwahrscheinlich, dass wir es entdecken. Die Chance auf Erfolg ist sehr klein, es lohnt sich aber in jedem Fall trotzdem, es zu versuchen. Aber was den Erstkontakt angeht: Es gibt aus der menschlichen Geschichte kein Beispiel, dass zwei Zivilisationen sich wirklich erfolgreich auf einen Erstkontakt vorbereitet hätten.

Beam me up Scotty - die Frage nach der Teleportation. Wissenschaftler sagen, dass wir niemals Menschen "beamen" werden, aber die Teleportation ist in der Quantenphysik bereits eine Realität (vgl. Quantenfluss unter der Donau 18150).Ist das Hauptproblem der Heisenberg-Kompensator ?1

Lawrence Krauss: Ja, genau so ist es. Teleportation ist eine Realität in der Quantenphysik, sie ist möglich mit den kleinen Einheiten der Quantenmechanik wie den Photonen, Elektronen oder Atomen. Auf der kleinsten Skala der subatomaren Welt funktioniert das. Aber menschliche Wesen sind klassische und keine Quantenobjekte. Wie bräuchten also wirklich einen Heisenberg-Kompensator, um einen Menschen zu beamen [Lachen].

Commander Data. (Bildnachweis)

Der Android Data ist eine Form künstlicher Intelligenz, die sich selbst reflektieren und weiterentwickeln kann. Heute spielen Roboter bereits ihre eigene Fußballweltmeisterschaft - werden wir im Jahr 2016 Androiden wie Data haben?

Lawrence Krauss: Ich glaube nicht, dass es schon 2016 so weit sein wird, aber vielleicht 2516. Dann wird es vielleicht intelligente Roboter geben, die ein Ich-Bewusstsein besitzen werden. Aber ich denke nicht, dass wir diese Roboter haben werden, sondern dass sie uns haben werden....

Die Raumstation Deep Space Nine in der dritten Generation von Star Trek wird vor dem Eingang eines Wurmlochs errichtet. Das Konzept von Wurmlöchern basiert auf der Relativitätstheorie von Albert Einstein. Wissenschaftler wie Kip S. Thorne und Michael S. Morris haben nachgewiesen, dass Wurmlöcher existieren könnten (vgl. Durch ein Wurmloch ans andere Ende der Galaxis 12622). Werden wir mit der Hilfe von Wurmlöchern eines Tages durch Raum (oder Zeit) fliegen?

Lawrence Krauss: Ja, Kip Thorne und Michel Morris haben die theoretische Existenz von Wurmlöchern nachgewiesen, aber sie haben auch gezeigt, dass dafür eine sehr exotische Energie nötig ist, die sogenannte "negative Energie". Deswegen wird es keine Wurmlöcher geben, durch die wir fliegen könnten. Das ist aber wohl auch ganz gut so, denn Wurmlöcher würden Zeitreisen ermöglichen und die potenziellen Szenarien von Zeitreisen verursachen den Physikern sehr heftige Kopfschmerzen.

Captain Kirk und Spock. (Bildnachweis)

Die Besatzung des ersten Raumschiff Enterprise oder der Voyager kann eine wundervolle Krankenstation nutzen, auf der die Diagnosen rein durch Scans des Körpers erstellt werden. Die Computertomografie ist nicht so weit fortgeschritten wie die Geräte in Star Trek - aber auch nicht mehr sehr weit davon entfernt. Ist das ein gutes Beispiel dafür, wie aus Science Fiction Realität wurde?

Lawrence Krauss: Das ist eines der besten Beispiele. Es ist offensichtlich eine gute Idee, den Körper durchleuchten und auch die weichen Anteile abbilden zu können, ohne ihn dafür aufschneiden zu müssen. Star Trek hat die Vision des Tricorders und seiner Einsatzmöglichkeiten gezeigt, noch bevor Ultraschall-Untersuchungsgeräte auf dem Markt waren. Deswegen ist der medizinische Tricorder ein gutes Beispiel dafür, wie Science Fiction wissenschaftliche Entwicklungen vorwegnimmt.

In Star Trek erholen sich die Raumfahrer auf dem Holodeck, wo verschiedenste virtuelle Umgebungen geschaffen können. Virtuelle Realität ist heute schon keine Science Fiction mehr, mit entsprechenden Helmen und Datenhandschuhen bewegen sich Spieler durch dreidimensionale Räume. Sind wir auf dem direkten Weg in den Cyberspace, den ein Mensch mit all seinen Sinnen erleben kann? Oder lassen wir unsere Körper hinter uns, um Cyborgs zu werden?

Lawrence Krauss: Beides stimmt. Ohne jeden Zweifel werden wir uns dreidimensionale virtuelle Umgebungen erschließen. Allerdings irrt Star Trek, oder lässt zumindest aus, was da sicherlich das erste Anwendungsgebiet sein wird. Denn diese Technik wird für Cybersex verwendet werden, ganz gefahrlos und anonym - also eine gute Gelegenheit für Sex. Das wollte Star Trek im Fernsehen wohl nicht zeigen. Andererseits wird die Biologie sicherlich in Zukunft durch Technik aufgewertet, nicht zuletzt durch die Verbindung mit künstlicher Intelligenz. Es wird Cyborgs geben.

In den letzten 50 Jahren hat eine Technologie-Revolution stattgefunden. Besonders die Computertechnik hat den Alltag von Millionen Menschen zwischen San Francisco, Bangalore und Tokio verändert. Wissenschaftler simulieren heute mit digitalen Programmen, wie das Universum entstand und expandiert. Aber was, wenn das Universum selbst eine Simulation ist, ein gigantisches Simulacron-3?

Lawrence Krauss: Es ist im Grunde eine sinnlose Frage, ob das Universum eine Simulation ist. Eine ganze Menge Leute denken, es könnte so sein, aber es macht im Grund keinen Unterschied. Jedenfalls so lange nicht, bis jemand beweisen kann, dass wir tatsächlich in einer Simulation leben. Alles, was wir tun können, ist weiter das Universum erforschen und versuchen, hinter seine Geheimnisse zu kommen. Es ist faszinierend, aber so lange die Gesetze der Physik funktionieren, wird es reine Spekulation bleiben, ob das alles nicht eine Simulation sein könnte.

Star Trek ist mehr als nur Fiktion über die Wissenschaft der Zukunft - es ist auch eine Gesellschaftsutopie. Es spielt in einer Zukunft in der die Erde keine Kriege mehr kennt und nur eine globale Regierung hat. Rasse und Klasse (und zunehmend auch Geschlecht) sind keine fundamental wichtigen Unterschiede mehr, es gibt keine Diskriminierung. Die Werte der Vereinigten Förderation der Planeten sind universale Freiheit, Gleichheit, Frieden und Kooperation. Die oberste Direktive der Sternenflotte verbietet die Einmischung in die inneren Angelegenheiten weniger weit entwickelter Gesellschaften (solcher ohne Warp-Antrieb). Sollten nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Politiker mehr Science Fiction lesen oder anschauen?

Lawrence Krauss: Ich denke, dass es für alle gut ist, Science Fiction zu lesen oder entsprechende Filme zu sehen, auch für Wissenschaftler und Politiker. Letztere könnten dadurch verstärkt eine globale Perspektive gewinnen. Das Schöne an Star Trek ist, dass diese Serie die kleinteiligen Strategien und Beengtheiten nationaler Perspektiven hinter sich lässt. Gerade daran fehlt es in der heutigen Politik. Und Star Trek zeigt, dass mithilfe wissenschaftlicher Forschung die Welt verbessert werden kann. Das ist vielleicht ein bisschen unrealistisch, aber wunderschön. Ich hoffe nicht, dass sich das als Irrtum herausstellt.

Multiversen , Paralleluniversen - diese Idee gab es bei Star Trek schon in der Originalserie in den 60er Jahren ("Mirror, Mirror" 1967) - heute hält ein beachtlicher Teil der Wissenschaftsgemeinde diese theoretische Modell nicht mehr nur für Fiktion und diskutiert es ernsthaft (vgl. Unendlich viele Weltenblasen und Doppelgänger 14702). Sehen Sie andere Universen hinter dem Spiegel?

Lawrence Krauss: Das ist eine sehr umfassende Frage, darüber habe ich letztes Jahr ein Buch geschrieben, "Hiding in the Mirror" heißt es, ich weiß nicht, ob es schon eine deutsche Übersetzung gibt [leider nein]. Ein faszinierendes Gebiet. Es könnte sich vieles hinter dem Spiegel verstecken. Deswegen lege ich den Lesern ans Herz: Kaufen Sie mein Buch! [Lachen]

Star Trek thematisiert auch neue Technologien, die viele Leute ängstigen wie Nanotechnologie oder Genmanipulation. Science Fiction-Romane wie "Beute" von Michael Crichton (vgl. Die Angst des Lesers vor der Nanotechnologie 13897) oder Filme wie "Star Trek II: Der Zorn des Khan" oder "Gattaca" heizen die Angst der Öffentlichkeit an. Die daraus folgenden Diskussionen können für die Wissenschaft üble Konsequenzen haben, wie z.B. rechtliche Begrenzungen oder weniger finanzielle Mittel. Sollten die Autoren von Science Fiction sich dieser Fakten bewusster sein oder sollten sie sogar kontrolliert (zensiert) werden? Oder ist es gut, wenn wir Visionen der furchterregendsten Fantasien über neue Technologien vor Augen haben?

Lawrence Krauss: Nein, auf keinen Fall irgendeine Art von Zensur. Schriftsteller sollen die Leute dazu bringen, neue Perspektiven zu entwickeln, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Auf keinen Fall sollten sie sich selbst zensieren, geschweige denn zensiert werden. Sie sollten alle Möglichkeiten aufzeigen, die ihre Fantasie ihnen eingibt. So bringen sie uns dazu, über mögliche Probleme oder mögliche Folgen nachzudenken und uns mit denkbaren Strategien zu befassen. Das gilt für alle Schriftsteller, nicht nur die Science Fiction-Autoren, genauso gilt es aber auch für Wissenschaftler.

Gerade endete die Mission "Smart 1" der ESA (vgl. Lunarer Crash im Dienst der Wissenschaft 23478) mit einem Aufprall auf dem Mond. Der Orbiter flog mit einem Ionentriebwerk (solar-elektrisches Antriebssystem), das bei zukünftigen interplanetaren Reisen eingesetzt werden soll (klingt wie Star Trek). Verschieden Nationen planen bemannte Missionen zum Mars. Werden wir bald zu Nachbarplaneten fliegen - und danach zu Planeten außerhalb unseres Sonnensystems wie Captain James T. Kirk und Mr. Spock?

Lawrence Krauss: Der Aufbruch in den Weltraum und Wissenschaft im Weltraum kann sich auch ohne menschliche Anwesenheit entfalten. Menschen sind in der Raumfahrt einfach zu teuer. Für ihre Lebenserhaltung müssen unglaubliche Summen aufgewendet werden, der absolut überwiegende Teil der Kosten wird dafür verwandt, sie zu schützen. Unsere Zukunft liegt im All. Die nächsten Ziele werden sicher wieder der Mond und dann der Mars sein. Vielleicht werden wir noch darüber hinausgehen, aber ich bin der Meinung, dass wir Roboter entsenden werden. Zuletzt wird die Menschheit als Spezies die Erde verlassen müssen, um zu überleben. Aber ich denke, das wird dann ein Aufbruch ohne Rückkehr sein.

In einem Interview sagten Sie vor einer Weile, es sei Teil ihrer Mission, die Diskrepanz zwischen der Naturwissenschaft und der Kultur zu überwinden. Wissenschaft existiert nicht in einem Vakuum, sondern ist in einen sozialen Kontext eingebettet - und wissenschaftliche Erkenntnisse bringen wichtige Implikationen für die Gesellschaft. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse waren Ihrer Meinung nach in letzter Zeit besonders wichtig? Und was sind die wichtigsten Fragen und wissenschaftlichen Herausforderungen von morgen?

Lawrence Krauss: Schwierig - klar ist nur, dass ich gerne diese wichtigen wissenschaftlichen Durchbrüche erzielen würde... [Lachen] In der Biologie war es sicher die Entzifferung und damit das Verstehen des menschlichen Genoms - ganz klar ein wichtiger Durchbruch. Global betrachtet fangen wir gerade erst damit an, die wesentlichen Fragen zu begreifen, wie das Universum begann und wie es sich entwickelt. Eine große Herausforderung ist sicher die Frage, ob es noch andere Universen gibt. Dann die Frage, was dunkle Energie ist - das ist sicher momentan in der Kosmologie die größte Frage. Wenn die Antwort darauf gegeben werden kann, wird das eine Revolution des Verständnisses von Raum und Zeit bedeuten. Aber ich rechne nicht damit, dass wir diese Antwort bald finden werden, das wird noch dauern.

Eine Menge neuen Wissens über das Universum (wie die Bedeutung der dunklen Energie und dunkler Materie), die String-Theorie mit ihren Extra-Dimensionen, oder die verwirrende Realität der Quantenmechanik beunruhigen den zeitgenössischen menschlichen Geist. Müssen wir unser Bild der Welt komplett überdenken?

Lawrence Krauss: Alle neuen Ideen beunruhigen den Zeitgeist, das menschliche Denken. Und das ist gut so. Wissenschaft sollte den Verstand aufrühren, es geht darum zu begreifen, wie die Welt funktioniert. Blickwinkel sollten ständig verändert werden, wir sind immer im Wandel und gewinnen immer wieder neue Perspektiven. Genau das macht die Wissenschaft ja so wundervoll.

Zunehmend beanspruchen Religionen (erneut) im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, die sich aus heiligen Büchern und göttlicher Vorsehung statt aus wissenschaftlicher Forschung ergibt. Die Diskussion über Kreationismus und Intelligent Design ist ein Beispiel dafür. Erreichen wir das Ende der Wissenschaft, ist das der Beginn von düsteren Science-Fiction-Zukunftsszenarien wie in Fahrenheit 451?

Lawrence Krauss: Ach, darüber könnte ich jetzt stundenlang sprechen. Tatsächlich finden die düsteren Zukunftsszenarien des "New Dark Age" leider bereits an manchen Orten der Welt statt. Das ist die aktuelle Entwicklung. Trotzdem hoffe ich weiterhin, dass es der Wissenschaft und der Demokratie gelingen wird, diese Entwicklung zu stoppen. Einer der Gründe, warum ich Wissenschaft betreibe, ist dieser Düsternis Einhalt zu gebieten. Es ist wichtig, zu verdeutlichen, dass wissenschaftliche Auseinandersetzung keine Bedrohung darstellt. Ganz im Gegenteil. Die Aufklärung muss in Schwung gehalten werden.

Was sind ihre aktuellen Projekte, an was arbeiten sie? Und werden Sie einen Science-Fiction-Roman schreiben?

Lawrence Krauss: Ich habe gerade darüber geschrieben, dass Schwarze Löcher überhaupt nicht existieren. Mal sehen, wie die Reaktionen aussehen, wie die Diskussion darüber verlaufen wird. Ansonsten beschäftige ich mich mit Dunkler Materie und Dunkler Energie, ich versuche zu verstehen, was sie darstellen und wie Dunkle Materie aufgespürt werden könnte. Es bleibt weiter mein Ziel, das Universum von Anbeginn bis zum Ende zu begreifen. In Sachen Science Fiction habe ich tatsächlich den Plan, einen Roman zu schreiben. Wissenschaft wird darin natürlich eine Rolle spielen, den Plot habe ich schon im Kopf. Ob das ein Science-Fiction-Roman sein wird, weiß ich nicht, das sollen dann andere beurteilen. Aber erstmal muss ich noch einiges ganz Unfiktionales schreiben.

Danke für das Gespräch. Live long and prosper!