Hoher Medienkonsum führt zu schlechten Schulnoten

Nach einer Studie könnten sich durch die Unterschiede in der Medienausstattung und Mediennutzung nicht nur die wachsende Kluft zwischen der Leistung von Jungen und Mädchen, sondern auch zwischen dem Bildungsniveau der südlichen und nördlichen Bundesländer erklären lassen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Möglicherweise findet die digitale Spaltung, vor der Bill Gates die Deutschen gerade warnte, zumindest im frühen Alter während der Schulausbildung auf eine andere Weise statt. Nach einer vom Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KNF) durchgeführten Studie Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen könnten schlechte Schulleistungen auch mit extensiver Mediennutzung zu tun haben. Zumindest scheint es einen Zusammenhang zwischen der Schulleistung und dem Vorhandensein von Fernsehgeräten und Spielekonsolen in den Kinderzimmern zu geben.

Für die Studie, die Christian Pfeiffer und sein Team durchgeführt haben, wurden während der Schülerbefragung 2005 17.000 Neuntklässler und 4.000 Viertklässlerzu ihrer Mediennutzung befragt. Einer der Kernpunkte der Studie war das in der PISA-Untersuchung festgestellte Aufklaffen der Leistungen zwischen Mädchen und Jungen, ein anderer die Auswirkung von „entwicklungsbeeinträchtigenden“ Gewaltdarstellungen in Filmen und Computerspielen.

Der Unterschied zwischen den Leistungen von Jungen und Mädchen lässt sich auch schon daran sehen, dass bei den Neuntklässlern anteilig mehr Jungen die Hauptschule und mehr Mädchen Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien besuchen. Auch bei den Schulabbrechern liegen die Jungen im Verhältnis von 64 zu 36 weit vorne. Zudem müssen Jungen nach Statistiken eher die Klasse wiederholen als Mädchen. Die Kluft zwischen Mädchen und Jungen wächst seit Ende der 80er Jahre. Hatten 1990 noch etwa gleich viele jungen Frauen und Männer das Abitur gemacht, so ergab sich 2004 bereits ein Verhältnis von 57 zu 43 zugunsten der jungen Frauen. In der vom KNF durchgeführten Befragung spiegelte sich die Kluft in den Schullaufempfehlungen wider. Die Lehrer schlugen Mädchen stärker den Besuch eines Gymnasiums, den Jungen stärker den der Hauptschule vor.

Auffällig ist nach der Studie, dass Mädchen der vierten Klasse sehr viel weniger Bildschirmgeräte in ihren Zimmer haben als Jungen. Besonders bei Spielekonsolen wird dies deutlich. Haben 38,1 Prozent der Jungen Spielekonsolen in ihren Zimmern, so nur 15,6 Prozent der Mädchen. Bei PCs und Fernseher beträgt der Unterschied etwa 10 Prozent. An der Ausstattung mit Geräten zeigt sich auch, wenn man das so wie Christian Pfeiffer interpretieren will, das in der PISA-Untersuchung festgestellte Gefälle zwischen südlichen und nördlichen Bundesländern. 15 Prozent weniger Viertklässler aus München, Schwäbisch-Gmünd und Stuttgart haben gegenüber ihren Kollegen aus Kassel, Oldenburg und Dortmund einen Fernseher in ihrem Zimmer, 10 Prozent weniger eine Spielekonsole und 5 Prozent weniger einen PC. Die Ausstattung ist abhängig vom Bildungsniveau der Eltern. Je schlechter ausgebildet, desto eher haben die Kinder Bildschirmgeräte in ihren Zimmern, besonders auffällig ist dies bei Fernsehgeräten und Spielekonsolen.

Natürlich wirkt sich die Medienausstattung auch auf den Medienkonsum aus. Kinder ohne Fernseher schauen durchschnittlich an einem Wochentag 70 Minuten in die Glotze, wer einen Fernseher im eigenen Zimmer hat, sitzt schon mehr als zwei Stunden davor. Zudem sieht er doppelt so oft Filme, die erst ab 16 Jahren freigegeben sind. Viertklässler mit eigener Spielekonsole spielen täglich durchschnittlich 50 Minuten, 20 Minuten mehr als die übrigen. An Wochenenden wird dies noch extremer. Zudem spielen sie vier Mal so häufig Spiele, die ab 16 oder ab 18 Jahren freigegeben sind. Mit dem Bildungshintergrund der Eltern sinken vor allem Fernseh- und Spielekonsum. Kinder, deren Eltern eine hohe Ausbildung (Abitur, Studium) besitzen, fernsehen täglich durchschnittlich 58 Minuten und benutzen 19 Minuten eine Spielekonsole, Kinder von Eltern mit geringen Bildungsgrad (höchstens Hauptschulabschluss), fernsehen hingegen 134 Minuten und spielen 41 Minuten. Dass sich der Zeitunterschied beim Medienkonsum von zwei Stunden auf Verhalten und Lernen auswirken, dürfte auf der Hand liegen. Für Pfeiffer sind die Zusammenhänge klar, wie er der Süddeutschen Zeitung sagte:

Je mehr Zeit Kinder mit Computerspielen verbringen und je brutaler die Inhalte sind, desto schlechter sind die Schulnoten. Dies betrifft vor allem die Jungen, weil sie doppelt bis dreimal so viel spielen und brutalere Inhalte bevorzugen. Die Sucht nach Bildern des Schreckens verdrängt das Schulwissen, das zunächst nur flüchtig im Kurzzeitgedächtnis gespeichert ist. Besonders Jungen aus sozialen Randlagen sind gefährdet.

Die ungeklärte Frage ist, ob die Verbindung zwischen Medienausstattung, Medienkonsum, Gewaltdarstellungen und Schulleistung direkt gekoppelt. Vermutlich dürfte der längere Medienkonsum stärker für das Absinken der Schulleistungen verantwortlich sein als die Gewaltdarstellungen. Nach der Befragung schneiden jedoch die Schüler im Klassendurchschnitt am schlechtesten ab, die stärker für sie nicht freigegebene Filme sehen oder solche Computerspiele nutzen.

Allerdings kommt noch ein weiteres, wichtiges Moment mit der Schulausbildung der Eltern hinzu. So könnte das in der PISA-Untersuchung festgestellte Nord/Süd-Gefälle bei den Schulnoten auch eine Folge der unterschiedlichen Einwohnerschichten sein. Ist in München das Bildungsniveau bei den Viertklässlern zu 52,8 Prozent hoch, so beispielsweise in Dortmund nur zu 24,7 Prozent. Bei den Neuntklässlern zeigte sich, dass die Arbeitslosigkeit und relative Armut in Dortmund gleichfalls sehr viel höher liegt. In Dortmund verbringen die Jungen an einem Schultag 3,3 Stunden mit Fernsehen und Computerspielen, in München nur 1,8 Stunden. In Dortmund empfehlen die Lehrer 29,9 Prozent der Jungen und 38,4 Prozent der Mädchen den Besuch des Gymnasiums, in München 48,5 Prozent der Jungen und 51,2 Prozent der Mädchen. Natürlich sind die Kinder von Eltern mit hohem Bildungshintergrund ganz allgemein in der Schule besser als Kinder von Eltern mit geringer Ausbildung.

Pfeiffer und Kollegen führen die schlechteren Schulleistungen der Jungen, der Schüler aus den nördlichen Bundesländer und mit Eltern, die ein geringeres Ausbildungsniveau haben, primär auf den gesteigerten Medienkonsum zurück, das alleine schon viel Zeit von der Beschäftigung mit Schulinhalten und anderen Tätigkeiten abzieht. Dazu gesellt sich weniger Bewegung, was Auswirkungen auf Kognition, Gewicht und Leistungsfähigkeit haben kann. Angeblich wird nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen in jungem Alter die Durchblutung des Gehirns und die Plastizität der Gehirnzellen durch Sport begünstigt. Starke emotionale Erfahrungen können auch, so spekulieren die Wissenschaftler, Lernprozesse beeinträchtigen und Vergesslichkeit von aktuell Gelerntem fördern. Sie weisen zudem auf mögliche Verbindungen zwischen Medienkonsum und dem Auftreten von Aufmerksamkeitsstörungen hin.

Ganztagsschulen, so die Autoren der Studie, könnten hier neben einer größeren Verantwortlichkeit der Eltern für die Medienkonsum, eine gewisse Korrektur im Hinblick auf größere Chancengleichheit schon deswegen mit sich bringen, weil dann die Kinder einige Stunden nachmittags weniger vor den Bildschirmen verbringen würden – falls der Umgang mit Medien nicht weiter in der Schule zunimmt, sollte man hinzufügen.