Weniger als nichts

Mit "Enviga" bringen Coca Cola und Nestlé ein Getränk auf den Markt, das Kalorien verbrauchen soll. Man hofft auf ähnlichen Erfolg wie bei "Diet Coke"

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Light-Getränke sind in die Jahre gekommen. Heute ist sowieso alles „Ultra-Light“ und irgendwie nebenbei auch noch „healthy“. In Lausanner Forschungslabor des weltweit größten Nahrungskonzern Nestlé werkelten die Forscher daher seit längerer Zeit, um den laut Nestlé-Chef Peter Brabeck nötigen Schritt in Richtung „Wellness“- und „Gesundheitsunternehmen“ zu vollziehen. In Kooperation mit Coca Cola entstand ein Softdrink, der in den nächsten Monaten seine Probezeit auf dem US-Markt absolviert. Der Name: Enviga. Der Slogan: „Be positive. Drink negative“ und: „The Calorie Burner“. Die wundersame Wirkung: Verbrennt mehr Kalorien, als er enthält. Die Formel dafür: Grüner Tee und verdammt viel Koffein.

In diesen Wochen stellt der Konzern die silbergrünen Dosen in die Testläden, ab Januar startet der Verkauf in den gesamten USA. Wenn alles nach Plan läuft, könnten die Büchsen schon Ende 2007 in Europa zu kaufen sein. Coca Cola und Nestlé suchen den Erfolg in einem Markt, der seit Jahren Zuwächse im Mineralwassersektor und „functional food“–Sektor verbucht. Man hofft auf ähnliche Umsätze wie nach der Einführung der „Diet Coke“ im Jahre 1984.

Wie aber kann ein Mixgetränk den Kalorienverbrauch eines Menschen anregen, so wie es Coca Cola und Nestlé behaupten? Tatsächlich enthält eine Dose (0,35 ml) nur fünf Kalorien. Weil zugleich der Stoffwechsel durch bestimmte Ingredienzien angeregt würde, so Coca Cola, sei es nun möglich „mehr zu verbrennen, als zu konsumieren“. So käme es dazu, dass man „das erste Mal 'negativ trinken'“ könne.

Das Wundermittel für den angeregten Stoffwechsel und den daraus resultierenden Kalorienverbrauch ist ein Inhaltsstoff des Grünen Tees mit der kryptischen Bezeichnung Epigallocatechingallat, kurz EGCG. Dieses Catechin nimmt in grünem Tee rund ein Drittel von dessen Trockenmasse ein. Es gilt als antikarzinogen, in den letzten Jahren gab es zudem Hinweise darauf, dass sein Konsum zudem Wirkung auf den Fettgehalt im menschlichen Körper hat.

2005 veröffentlichten japanische Wissenschaftler eine Studie, die rund 30 gesunde Landsleute in zwei Gruppen aufteilte. Alle lebten 12 Wochen lang kontrolliert gesund, aber die eine Gruppe trank zwei Wochen lang viel Grünen Tee. Am Ende wartete sie mit besseren Körperwerten auf, selbst der Bauchumfang hatte sich verringert.

Das Schweizer Nestlé-Labor führte nun mit einem Enviga-Prototyp, der in einer Dose rund 90 mg EGCG enthielt, ebenfalls eine klinische Studie an 32 Probanden durch. Auf diesen statistisch schmalen Schultern ruht nun das Marketing-Konzept der Konzerne. Der Effekt laut Nestlé: Ein gesunder Mensch, der eine Dose Enviga trinkt, verliere 20-30 Kalorien. Dieser Verbrauch kommt nicht nur durch das einarmige Stemmen der Büchse zustande, sondern sei auf die gewiefte Kombination von EGCG mit Koffein zurückzuführen.

Marketing-Gag

Kann man also zukünftig auf Dauerlauf und Mucki-Bude verzichten? Eine Dose wird zwischen 1,30 und 1,50 Dollar kosten, also einfach hinlegen, 300 Dollar investieren und ein Kilo abnehmen? Die Kommunikation der Beteiligten ist vorsichtig, niemand behauptet ein diätetisches Lebensmittel unters Volk bringen zu wollen. Die Probleme der Couchpotatoes dieser Welt will Coca Cola nicht lösen. Der beste Weg, sein Leben gesund zu gestalten, sei „gute Ernährung und Aktivität“, heißt es auf der Enviga-Webseite. Von Gewichtsverlust ist nirgendwo die Rede. Auf der Rückseite des Softdrinks wird sogar darauf hingewiesen, dass mehr als drei Dosen täglich keinen zusätzlichen positiven Effekte haben.

Gleichwohl wirbt das Produkt mit dem Slogan „The Calorie Burner“ und zielt damit auf die Riege der übergewichtigen Mitmenschen, von denen einige glauben werden, sich schlank saufen zu können. Dabei baut Enviga laut eigener Studie Fett nicht ab, allein der Metabolismus wird angeregt.

Natürlich ist Enviga ein Marketing-Gag, denn selbst Wasser regt den Stoffwechsel an. Die Berliner Charité füllte schon vor drei Jahren neun übergewichtige Probanden mit kaltem Leitungswasser ab. Der Genuss von rund 2,0 Litern Trinkwasser täglich, so die kleine Studie1, kann den Energieumsatz auch bei Übergewichtigen erhöhen. „Bei zwei Litern täglich verbraucht man 200 Kalorien zusätzlich“, sagte Studienleiter Michael Boschmann.

Fast könnte man vermuten, dass das Trinken jedweder Flüssigkeit Arbeit für den Körper bedeutet und er daher anfängt, Energie zu verbrauchen. Enviga durchbricht diese Regel nicht. Und da es bis auf Wasser, Calcium, Süßstoff (Aspartam) und EGCG wenig zu bieten hat, macht man bei Enviga zumindest weniger falsch als bei den anderen zucker- oder süßstoffhaltigen Softdrinks.

Wenn da nicht der hohe Anteil von Koffein wäre. Der zukünftige Erfolg von Enviga dürfte weniger in dem beworbenen EGCG-Gehalt, sondern im hohen Anteil an aufputschendem Koffein liegen. Um den Kreislauf richtig in Gang zu bringen, enthält jede Dose um die 100 mg der Substanz (28 mg in 100 ml), also erheblich mehr, als beispielsweise in der klassischen Coca Cola (10 mg in 100 ml) und ungefähr so viel wie in Red Bull (32 mg in 100 ml) - in der Caffiene-Database finden sich weitere Vergleichswerte zwischen Getränken. Vielleicht kann die koffeininduzierte Bewegungsaufregung zusammen mit der bekannten Anregung des Darmtraktes zu Gewichtsverlust führen.