Nicht schon wieder: KI

Neben der Spur

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„Künstliche Intelligenz“ erinnert an den alten Witz: Wir können 50-EURO-Scheine herstellen, aber das kostet pro Lappen leider 56 EURO.

Weizenbaum hat Eliza damals ironisch gemeint. Da simuliert ein kleiner Chatbot einen Psychotherapeuten. Das sieht intelligent aus. Ist es aber nicht. Der Homunculus ist nicht tot zu kriegen, es taucht immer wieder diese Idee auf: Computer werden denken können, entscheiden, vielleicht sogar fühlen. Besser als Menschen. Alles eine Frage der Prozessoren und der Programmierung. Eine akadenische dazu.

Auf die Größe des Geräts kommt es dabei wohl nicht an. Das Hirn eines Elefanten wiegt viermal mehr als das eines Menschen. Elefanten erkennen sich im Spiegel, aber sonst sieht es schlecht aus im Benchmarking. Und „intelligent“ allein macht noch keinen Denker.

Nett ist zum Beispiel der „intelligent“-Button an einem Samsung Syncmaster 740 N Monitor, der neulich für Aufregung sorgte. Er ließ die Farben einer Website in einem so unglaublich hässlichen Grün erscheinen, dass die Abnahme eines Webprojekts beinahe daran gescheitert wäre. Vielleicht war das mehr ein „Humour boost“-Feature und niemand hatte es gemerkt. „Intelligenz“ sieht irgendwie anders aus. Das Wort ist ein wenig angebraucht.

Oder neulich in einem Zunfthaus in Zürich. Da präsentiert ein kluger Kopf eine Software, die selbstlernend ist. Und das solle man jetzt bitte testen. Wir geben dem neugierigen Stück Software Sätze wie „Der Schnee ist weiß“ und „Der Schnee ist kalt“ mit auf den Weg. Ach siehe da, auf die Frage, was es denn gelernt habe, plappert das neuronale Klugscheisserchen los, dass der Schnee kalt ist. Alle Achtung. Begeisterung, bis von schräg hinten eine Zwischenbemerkung kommt, das habe man dem Ding doch selbst gesagt. Vielleicht hat man es als künstliche Intelligenz nicht leicht.

Das liegt vielleicht schon am Begriff. Er ist viel zu hoch gegriffen. Am besten man nennt diese Maschinen einfach „Pattern Scanner“. Das können sie gut. Muster erkennen. Wie der Laserstrahl an einer Supermarktkette. Manchmal sogar besser als ein Mensch. Und damit meine ich nicht, dass wir alle keine Barcodes lesen können. Pisa hin oder her.

Und wir lassen die Spielereien weg, die seit dem mechanischen Türken nicht mehr wirklich witzig sind. Avatare sind ein nettes Puppenzeugs, aber sie haben auch in Zukunft so viel mit Intelligenz zu tun wie Ken & Barbie mit einem Universitätsabschluss.

Und selbst wenn die Erkennung von Pattern ein schönes Stück Rechnerleistung ist, selbst wenn daraus sinnvolle Entscheidungsprozesse von Menschen aufgebaut werden können, sie sind nur weitere Mechanik. Prozessoren, die exakt beliebig viele Nullen und Einsen aneinanderreihen können und dabei abgesehen von Intel damals kaum Rechenfehler machen, erlauben nicht den bewussten Fehler im System. Der ist aber notwendig, um sich intelligent in einem dynamischen Meta-System zu verhalten. Und das liegt als Subfolie unter allen Konzepten von Intelligenz – zumindest in der westlichen Kultur.

Zugespitzt: Es wird nie ein PC auf dem Dach eines Dresdner Gefängnisses stehen und die Maschinerie der sächsischen Justiz für einen Tag aufhalten. Gut, weil er nicht klettern kann, aber mehr, weil dieser Schritt scheinbar irrational war. Scheinbar nutzlos. Aber gegen den Strich gebürstet generiert dieses Verhalten Sinn: Dieser Mann ist vermutlich bald ein zu Recht verurteilter Sexualtäter. Und er hat sich scheinbar sinnlos aufgebäumt und mit einer überraschenden Handlung ein Gesicht und ein Zeichen gegeben. Durch einen Regelbruch. Das mag man gut oder schlecht finden, klug oder dämlich: Es war verdammt schlau, wenn er sich mit einem anhaltenden medialen Signal dekorieren wollte. Gegenlaufen zum Standardbild eines vermummten Beschuldigten im Spießrutenlauf von Blitzlichtgewittern. "Dachflucht", diese Headline nimmt ihm nun niemand mehr.