Bild versus Wikipedia

Wer macht die meisten Fehler?

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Wer im Glashaus sitzt, der sollte bekanntlich lieber nicht mit Steinen werfen. Doch bei Bild.de kennt man dieses alte Sprichwort offenbar nicht. Dieser viel gelesene Online-Ableger der „Bild-Zeitung“ neigt zwar, wie ein kurzer Blick in Bildblog.de fast täglich beweist, selbst gern zu Fehlern. Dennoch hat nun ausgerechnet Bild.de seine Leser aufgerufen, Fehler im Online-Lexikon Wikipedia.de zu suchen, um sie dann per E-Mail der Redaktion zuzuschicken.

Warum, weiß wohl allein der „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann, der in dem Lexikon übrigens auch schon mal recht derb hier oder hier beleidigt wurde.

Da bekanntlich jeder bei Wikipedia Einträge schreiben oder verändern kann, weiß man nie, folgert also Bild.de eiskalt, ob die jeweiligen Autoren Experten, Laien oder Spaßvögel sind. „Immer wieder schreiben Internet-Vagabunden mit erfundenen Identitäten absichtlich Fehler in Einträge.“ Und wie gefährlich das sein kann, wird mit einem Zitat des „amerikanischen Digital-Visionärs Jaron Lanier“ belegt, der in einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte: „Die Gefahr von Wiki-Lynchjustiz halte ich für sehr real. In der Wikipedia-Welt bestimmen jene die Wahrheit, die am stärksten besessen sind. Dahinter steckt der Narzissmus all dieser kleinen Jungs, die ihre Initialen an die Mauer sprayen, aber gleichzeitig zu feige sind, ihr Gesicht zu zeigen.“

Da mag ja durchaus etwas dran sein. Und nun hat Bild.de schon den ersten dicken Wikipedia-Skandal aufgedeckt. Das erste „Promi-Opfer“ von „Wikifehlia“ (lustiges Wortspiel!) ist demnach unser aller Dieter Thomas Heck, der im Internet-Lexikon wie folgt beleidigt wird:

So heißt es (...) in Hecks Lebenslauf, er habe „nach einem Bombenangriff drei Tage lang onanierend unter einer Kellertreppe“ gelegen: „Wegen dieses Traumas begann er nach seiner Rettung zu stottern.“ Weiter heißt es: „Heck nahm Gesangsunterricht, um seine Impotenz loszuwerden“ – und es wird sogar behauptet, Heck habe „vor dem Krieg als Verkaufsleiter einer Kondomfirma gearbeitet“!

Ziemlich unappetitliche Dinge, obwohl Verkaufsleiter einer Kondomfirma ja ein überaus ehrenwerter Beruf ist.

Inzwischen wurde dieser deftige Unsinn von Wikipedia gelöscht, dennoch kann man sich dort unter dem Punkt „Versionen“ noch jede Menge von Spaßvögel-Behauptungen über Heck anschauen. So hat kürzlich jemand geschrieben:

Dieter Thomas Schreck (* 29. Dezember 1837 in Flensburg) eigentlich „Carl-Dieter Wonneproppen“ ist ein deutscher Schlagersänger, Moderator, Möchtegernschauspieler, Showmaster, Produzent und Autoverkäufer.

Behauptungen, die allerdings auch ziemlich schnell gelöscht wurden - verbunden mit der Bitte, solchen Unsinn in Wikipedia-Artikel zukünftig nicht mehr einzufügen.

Dies wird als Vandalismus angesehen. Für Tests gibt es die Spielwiese. Danke.

Ob diese Bitte irgendetwas bewirken wird, ist allerdings mehr als fraglich. Dennoch sollte man im Glashaus lieber nicht mit Steinen werfen. Was natürlich auch auf die „Bild“-Zeitung zutrifft. Und dazu ein ganz kurzes Beispiel von Bildblog.de. Demnach schreibt also „Bild“ am Anfang der Woche über die Aufstellung des deutschen Teams für das Fußball-EM-Qualifikationsspiel: „Löws Entscheidung, Hannovers Robert Enke erst mal hinter Lehmann und Oliver Kahn als Nummer 3 zu nominieren, sorgte nicht nur in Dortmund für Verwunderung." Kein Wunder, dass nicht nur Dortmund verwundert ist, schließlich trat Kahn nach der WM als Nationalspieler zurück. Was der „Bild“-Schreiber übrigens auch bei Wikipedia hätte nachlesen können.