ZDF gegen Online-Magazin Sopos.org

Werbung für Kerners Show "Unsere Besten" darf nicht persifliert werden

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Mit Kanonen sollte man nicht auf Spatzen schießen. Das hat weder Stil noch macht es Sinn. Doch dem ZDF ist dies offenbar egal. Die große öffentlich-rechtliche Sendeanstalt hat jetzt nämlich das im Vergleich zu ihr doch eher kleine sozialistische Internetmagazin Sopos.org abgemahnt, weil es eine Anzeigenkampagne des Senders persifliert hat. Vorgeworfen wird den Betreibern der Netzseite unter anderem eine Markenrechtsverletzung. Und der Streitwert ist von den Anwälten des Senders mit 100.000 Euro ungewöhnlich hoch angesetzt worden.

Stein des Anstoßes ist ein Bild, das eine ZDF-Anzeige für die von Johannes B. Kerner moderierte populäre Sendereihe Unsere Besten karikiert. In dieser Show dürfen die Zuschauer abstimmen über eine Rangfolge der besten deutschen Sportler, Schauspieler, Schlagerlieder, Erfindungen, Bücher und eben auch der „größten Deutschen“. Statt wie das ZDF mit Bildern von Adenauer oder Mozart für die Wahl der „größten Deutschen“ zu werben, sieht man bei Sopos.org unter Verwendung des ZDF-Logos ein Bild vom Nazi-Reichsparteitag in Nürnberg - mit der Unterschrift: „Ohne das Zweite sieht man besser, warum es ohne Deutschland besser ist.“

Ohne Zweifel eine harte, allerdings satirisch vorgetragene Kritik. Dazu schreibt in einer Presseerklärung Marcus Hawel, Redakteur des Online-Magazins „Sopos“ und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leibniz-Universität Hannover, dass das ZDF „mit der Sendung eine positive Kontinuität einer deutschen Nation herstelle, in der die Zeit des Nationalsozialismus nur als Betriebsunfall erscheint.“ Hier werde, fügt der Soziologe hinzu, eine neue Normalität der deutschen Nation konstruiert, die die Lehren der deutschen Geschichte vergesse. Außerdem würden in der Sendereihe auch europäische Geistesgrößen wie beispielsweise die Österreicher Wolfgang Amadeus Mozart und Sigmund Freud gleichsam für Deutschland vereinnahmt. „Das ZDF“, so Hawel, „erträumt sich offenbar noch heute einen großdeutschen Kulturraum von der Maas bis an die Memel, den es historisch nicht gegeben hat.“

Das ZDF betont dagegen, dass es einen umfassenden Schutz am Titel „Unsere Besten“ genieße. Und die satirisch verfremdete Abbildung verunglimpfe ihre Werbekampagne in unzulässiger Weise. Damit verstoße das Internetmagazin gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Außerdem stünden aufgrund der zu den Plakaten des ZDF identischen Gestaltung urheberrechtliche Aspekte im Raum.

Vorwürfe, die Hawel energisch zurückweist. „Hier wird unter dem Deckmantel des Marken- und Urheberrechts versucht, kritische Stimmen mundtot zu machen. Natürlich eckt Kritik an. Täte sie das nicht, wäre sie nutzlos.“ Eine Marke, sagt er weiter, könne grundsätzlich nur bei geschäftlicher Nutzung geschädigt werden. Eine freie Meinungsäußerung ohne geschäftliche Absicht kann nicht aufgrund des Markenrechtes untersagt werden. Dies käme faktisch einer Abschaffung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gleich. Auf Grund des hohen Streitwerts hat das Online-Magazin das inkriminierte Plakat am 1. Dezember dennoch aus dem Netz genommen. Ob es trotzdem zu einer Auseinandersetzung vor Gericht kommt, sagt Hawel, sei noch völlig offen.