Gähnende Kluft

Der ärmeren Hälfte der Menschheit gehört nur ein Prozent des globalen Reichtums

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Nach einem Bericht des World Institute for Development Economics Research an der UN University ist der Reichtum auf der Welt extrem ungleich verteilt. Die Analyse der Haushaltseinkommen ergab, dass die Hälfte des globalen Reichtums einer reichen, aber winzigen Superschicht von zwei Prozent der Weltbevölkerung gehört, während die ärmere Hälfte praktisch leer ausgeht und nur über ein Prozent verfügt. Aus dieser Perspektive gesehen ist es eigentlich erstaunlich, dass es so wenige Konflikte und keinen globalen Aufstand der Armen auf der Welt gegen die vergleichsweise winzige Schicht der Superreichen im feudalistischen Kapitalismus gibt.

Die Autoren des Berichts erklären, dass ihre Studie die bislang umfangreichste ihrer Art ist. Man habe ausgehend von vorliegenden aktuellen Daten oder von statistischen Schätzungen alle Länder einbezogen und dabei das Vermögen, nicht das Einkommen, aller Haushalte für das Jahr 2000 zu erfassen versucht. Zum Vermögen gehören Ländereien und Grundstücke, Häuser, Geld, Wertpapiere und Schulden sowie andere Besitztümer.

Ab einem Vermögen von 2.200 US-Dollar gehört man zur reichern Hälfte der Erdbevölkerung. Um bei den 10% der Reichsten zu sein, denen 85% des Reichtums gehören, braucht man „nur“ 61.000 US-Dollar Vermögen. Das reichste Prozent, dem 40% des globalen Gesamtvermögens gehört, muss schon mehr als eine halbe Million Dollar besitzen. Das sind immerhin 37 Millionen Menschen. Das globale Vermögen beträgt laut der Studie insgesamt 125 Billionen Dollar, würde es gleichmäßig verteilt, hätte jeder ein Vermögen von 20.500 Dollar.

Grafik: UNU-WIDER

Global und regional sind die Ungleichheiten teilweise sehr verschieden verteilt. Die reichen Länder liegen in Nordamerika, Europa und einigen Ländern des asiatisch-pazifischen Raums wie Japan, Singapur oder Australien. Sie besitzen 90% des Vermögens. Afrika besitzt ebenso wie Indien danach nur jeweils ein Prozent, China gerade einmal drei Prozent. Ganz an der Spitze befinden sich Japan mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Vermögen von 181.000 US-Dollar und die USA mit 144.000 US-Dollar. Danach kommt Großbritannien und mit einem weiteren Abstand die Niederlande, Italien, Singapur, Frankreich und Deutschland.

Auch innerhalb der Länder ist die Kluft teils riesig. Der Gini-Koeffizient, mit dem die ungleiche Verteilung bemessen werden kann, liegt normalerweise zwischen 0,65 und 0,75, weltweit allerdings bei 0,892, was, so die Autoren des Berichts, damit vergleichbar wäre, dass in einer Gruppe aus zehn Menschen eine Person 1000 US-Dollar besitzt und die übrigen nur jeweils einen. Je höher der Wert, desto ungleich ist das Vermögen verteilt. In Japan liegt der Koeffizient relativ niedrig bei 0,547, die höchsten Werte und damit die höchsten Ungleichheiten findet man in Simbabwe und Namibia mit 0,845, gefolgt von den USA mit 0,801 und erstaunlicherweise auch der Schweiz mit 0,803.

Ein Viertel der reichsten 10 Prozent lebt in den USA, ein Fünftel in Japan. Deutschland liegt hier an dritter Stelle mit 8 Prozent. Beim reichsten Ein-Prozent ist die Verteilung noch einseitiger. Hier leben 37% in den USA, 27% in Japan, an dritter Stelle liegt Großbritannien mit 6%, in Deutschland leben 4% oder in der Schweiz 1%. China dürfte allerdings, wie es im Bericht heißt, in den letzten Jahren stark aufgeholt haben und nun auch einige Prozent der reichsten Bevölkerungsschicht stellen.

Grafik: UNU-WIDER

Interessant ist auch die sehr unterschiedlichen Vermögensanteile. Die asiatischen Haushalte sind beispielsweise kaum verschuldet, während die kanadischen und deutschen relativ hoch verschuldet sind, mehr als die US-amerikanischen. Paradoxerweise sind daher manche Menschen in den reichen Ländern viel ärmer, weil verschuldeter, als die Menschen in armen Ländern, die kaum Schulden haben. Aber sie leben trotz höherem Negativeinkommen trotzdem wohl besser als unverschuldete Slumbewohner in Afrika. In Indien und Indonesien besteht das Vermögen vor allem aus Immobilien, in Japan und in den USA sind die finanziellen Vermögenswerte hingegen stärker.