US-Gericht verhandelt Verantwortlichkeit von Rumsfeld und Co. für Folter

Das Pentagon besteht auf der Immunität der US-Regierungsangehörigen, was aber dann die gegen eben diese bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereichte Strafanzeige desto triftiger machen würde

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In den USA wurde im März 2005 von den amerikanischen Bürgerrechtsorganisationen ACLU und Human Rights First und neun ehemaligen Häftlingen aus Afghanistan und dem Irak eine Klage gegen den gestern von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetretenen Donald Rumsfeld und General Ricardo Sanchez, Brigadegeneral Janis Karpinski, and Oberst Thomas Pappas eingereicht. Alle werden für Folter, Misshandlungen und andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, denen die Ankläger in Abu Ghraib, Baghram, Guantanamo und in anderen Gefängnissen unter US-Leitung unterworfen wurden. Gestern wurde erstmals in einem Bundesgericht verhandelt, ob amerikanische Regierungsangehörige für die von ihnen angeordnete oder gedeckte Folter zur Rechenschaft gezogen werden können.

Karpinski, die frühere Kommandeurin von Abu Ghraib, ist der einzige höhere Pentagonmitarbeiter, der wegen der Foltervorwürfe belangt worden ist. Sie wurde letztes Jahr degradiert. Karpinski weist aber alle Schuld von sich und wirft dem Verteidigungsministerium und explizit Rumsfeld sowie dem Unterstaatssekretär für Geheimdienste Cambone vor, im Sommer 2003, als der Widerstand zunahm, General Geoffrey Miller aus Guantanamo mit dort erfahrenen "Verhörspezialisten" nach Abu Ghraib geschickt zu haben, um den Gefangenen Informationen zu entlocken. Danach hätten die Misshandlungen begonnen. Karpinski wirft der Pentagon-Führung "Feigheit" vor, weil diese sich vor der Verantwortung für den Folter-Skandal drücke.

Sie hat sich zuletzt der Strafanzeige gegen Rumsfeld, Justizminister Gonzales u.a. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeschlossen, die zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen aus der ganzen Welt, wie das Center for Constitutional Rights, (CCR) und der Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV), bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereicht haben. Rumsfeld habe in einem Memorandum die in Abu Ghraib und Guantanamo praktizierten Methoden autorisiert oder ermöglicht. Die Klage wurde in Deutschland erhoben, weil die amerikanische Justiz nicht gegen die Verantwortlichen vorgegangen ist und zudem ein Gesetz in Kraft getreten ist, das diesen Immunität gewährt. Durch den Beitritt Deutschlands zum Rom-Statut können aufgrund der "universellen Gerichtsbarkeit" Klagen wegen Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen, die von anderen Staaten begangen werden, angenommen oder an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) verwiesen werden.

Die US-Regierung hatte noch schnell vor den Kongresswahlen den Military Commissions Act im mehrheitlich von Republikanern beherrschten Kongress durchgeboxt (Kongress legitimiert das von Bush eingeführte Unrechtssystem). Im Nachhinein wurde damit vom Kongress die Praxis legalisiert, willkürlich zu feindlichen Kämpfern erklärte Menschen festzunehmen, zu verschleppen, auf unbegrenzte Zeit festzuhalten und Verhören mit "kreativen Methoden" zu unterziehen. Mit dem neuen Gesetz wurde eine Militärgerichtsbarkeit eingeführt und vor allem eine Immunität für alle an den Vorgängen beteiligten Personen und Behörden in den USA geschaffen. Klagen von Gefangenen können nach diesem Gesetz nicht von amerikanischen Gerichten eingereicht werden, so dass unschuldig Eingesperrte und Misshandelte weder Anspruch auf eine Entschädigung noch auf einen Freispruch oder eine Entschuldigung haben. In Deutschland und in den USA geht es nun in erster Linie darum, ob Rumsfeld und andere Pentagon- und Regierungsmitglieder weiterhin Immunität genießen und ob dies dann ein Tatbestand wäre, der eine Klage nach der "universellen Gerichtsbarkeit" und vor dem ICC möglich machen würde. Sollte das US-Gericht die Klage abweisen, könnte die Bundesanwaltschaft nicht wieder so leicht die Strafanzeige zurückweisen, wie sie dies 2005 schon einmal machte.

US-Justizministerium besteht auf "absoluter Immunität" für Regierungsangehörige

Schon vor der parlamentarischen Weihe der Immunität hatten sich die Pentagon-Juristen in einer 50-seitigen Schrift darauf berufen, dass Rumsfeld nicht belangt werden könne. Vorwürfe, die eine Verletzung des internationalen Rechts betreffen, könnten sowieso nicht vor amerikanischen Gerichten verhandelt werden, weil sie dafür nicht zuständig seien. Hier würden Rumsfeld und die anderen Beschuldigten "absolute Immunität" besitzen. Ausländische Gefangene hätten, so wurde hier nochmals bestätigt, wenn sie nicht auf dem Boden der USA gefangen gehalten werden, keine Verfassungsrechte. Die Kläger kritisierten, dass danach kein Regierungsangehöriger zur Verantwortung gezogen werden könne, der Folter und Menschenrechtsverletzungen beauftragt oder gedeckt hat. Die neun ehemaligen Häftlinge beschuldigen die Beklagten, dafür verantwortlich zu sein, dass sie gefoltert, gequält, grausam und entwürdigend behandelt worden seien. Sie seien wiederholt geschlagen, mit Messern verletzt, sexuell gedemütigt worden, man habe Scheinexekutionen durchgeführt, sie mit dem Tod bedroht und sie schmerzhaften Zwangsstellungen ausgesetzt. Alle ehemaligen Gefangenen wurden ohne Anklage, aber auch ohne Entschädigung entlassen.

Rumsfelds Verteidigung führte schließlich eben das neu verabschiedete Militärkommissionen-Gesetz an, das eine Klage, wie die eingebrachte, von vorneherein von einem amerikanischen Gericht abgewiesen werden muss und eine Verletzung der Genfer Konventionen nicht vor einem amerikanischen Gericht eingeklagt werden kann. Am letzten Freitag fand die erste Anhörung zu diesem Fall vor einem Bezirksgericht statt, dessen Ergebnis weitreichende Folgen haben könnte.

Die Kläger argumentieren, dass das Oberste Gericht kürzlich deutlich gemacht habe, dass selbst ein Krieg keine rechtsfreie Zone schaffe. Es müsse auch für hohe Regierungsangehörige keine Ausnahmen geben, sie gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie Folter angeordnet oder zugelassen haben. Das verletze "die fundamentalsten Rechtsnormen unserer Gesellschaft", sagte Lucas Guttentag von der ACLU. Zudem haben die US-Truppen in Afghanistan und im Irak Immunität, so dass sie einzig für Vergehen in den USA belangt werden könnten, wenn es keine rechtsfreien Räume geben soll.

Während der Anhörung betonte Staatsanwalt C. Frederick Beckner III erneut, dass die Beklagten nicht wegen angeblicher Folter vor einem amerikanischen Gericht zur Rechenschaft gezogen werden können: "Ausländer genießen im Ausland keine Verfassungsrechte." Aber das Gericht müsse auch schon deswegen die Klage abweisen, weil ansonsten die Macht des Präsidenten bei der Kriegsführung beschränkt und die Türe für eine Vielzahl von Klagen gegen die US-Regierung geöffnet würde. Tatsächlich gäbe es Tausende von Menschen, die in einem rechtlichen Ausnahmezustand in Afghanistan, im Irak und anderswo willkürlich festgenommen, inhaftiert und womöglich misshandelt wurden.

Der Richter hat die Klage jedenfalls nicht gleich zurückgewiesen. Er sagte, die Kläger verlangen eine Klärung, "die zuvor noch nie von einem Gericht entschieden wurde". Und er räumte der Klage auch Berechtigung ein, da einige Prinzipien des internationalen Rechts nicht verletzt werden dürften. Allerdings bringe es große Probleme mit sich, wenn Ausländer Klagen gegen Regierungsangehörige in den USA stellen könnten.