Startvorbereitungen für Themis in vollem Gange

Die Göttin der Gerechtigkeit möchte das Geheimnis der spektakulären Polar-Lichter lüften

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Schon immer faszinierten, aber auch ängstigten die berauschend schönen Polarlichter die Menschheit. Viele Mythen, geprägt durch Aberglaube und Unwissenheit, ranken sich schon seit der Frühzeit um diese Leuchten, das als Vorboten des Weltuntergangs, des Todes und des Unglücks oder als Aktivitäten der Götter bezeichnet wurde. Später erklärte man dieses Leuchten als ein außergewöhnliches Naturschauspiel. Erst im späten 19. Jahrhundert entdeckten Wissenschaftler und Physiker den Zusammenhang zwischen Sonneneruptionen und dem ungewöhnlichen Leuchten auf der Erde.

Obwohl dieses Phänomen wissenschaftlich schon sehr weit erforscht und das Grundprinzip klar ist, gibt es immer noch eine Vielzahl offener Fragen um dieses geheimnisvolle Leuchten, beispielsweise: wie und wann entstehen Sonnenstürme und welche Auswirkungen hat dies auf die Satelliten, Kommunikations- und Energiesysteme auf der Erde?

Faszination Polarlichter (Bild: NASA/ SSL/UCB/ Dennis C. Anderson)

Antworten darauf soll die neue Nasa-Mission Themis (Time History of Events and Macroscale Interactions During Substorms) liefern. Am 15. Februar 2007 startet die aus insgesamt fünf identischen Sonden bestehende Mission Themis von Cape Canaveral aus mit einer Delta II-Rakete, um Licht in das Dunkel um Aurora borealis (Nordlichter) und Aurora australis (Südlichter) zu bringen. Mit dieser Mission werden auch erstmalig mit nur einem Raketenstart gleichzeitig fünf Satelliten in den Orbit transportiert.

Polarlichter

Ein komplexer Prozess ermöglicht das phantastische Lichtschauspiel auf unserer Erde. Geladene Teilchen, der Sonnenwind, sausen in hoher Geschwindigkeit - im Durchschnitt ca. 500 km/s - auf unsere Erde. Dort treffen sie auf unser Erdmagnetfeld, das uns normalerweise vor diesem starken "Teilchen-Beschuss" schützt. Es wird durch ihn aber auch beeinflusst: Während es auf der Tageseite zusammengestaucht wird, bildet sich auf der Nachtseite ein Magnetschweif mit einer Länge von mehreren hunderttausend Kilometern aus.

Ein Blick auf die Magnetosphäre der Erde. Diese Form wird durch die Interaktion des Solarwinds mit dem magnetischen Erdfeld verursacht. (Bild: NASA/JPL)

Ein Teil dieses Sonnenwindes wird jedochentlang der Feldlinien des irdischen Magnetfeldeszu den Polarregionen geleitet und trifft dort auf die äußeren Schichten der Atmosphäre. Dabei kollidieren sie in Höhen von etwa 70 bis 1000 km mit den Stickstoff- und Sauerstoffatomen der sehr dünnen Lufthülle. Bei diesen Zusammenstößen wird Energie frei und die Atome werden zum Leuchten angeregt. Treffen einfallende Elektronen auf Sauerstoffatome in Höhen um 100 km entsteht ein grünes und in Höhen von ca. 200 km und mehr ein rotes Polarlicht. Werden Stickstoffatome zum Leuchten angeregt, sind vorwiegend bläulich-lila Farbtöne zu beobachten.

Obwohl das Polarlicht am häufigsten in einer ovalen Form um die beiden magnetischen Pole der Erde auftritt, da die äußeren magnetischen Feldlinien an den magnetischen Polen ein- bzw. austreten, kann auch ab und zu in Mitteleuropa dieses außergewöhnliche Phänomen beobachtet werden. Grund hierfür sind außergewöhnlich starke Sonnenaktivitäten. Etwa alle elf Jahre erreicht die Sonnenaktivität ein Maximum (das nächste wird wieder 2012 erwartet), dann entfachen Sonneneruptionen regelrechte Teilchenstürme, die auch in niedrigeren geographischen Breiten noch in die Atmosphäre eindringen. Diese können nicht nur Probleme bei den in unserem All herumfliegenden Satelliten, sondern auch auf der Erde in unseren Kommunikations- und Energiesystemen verursachen.

Themis

Forscher wissen, dass das Leuchten der mehrfarbigen Lichter erzeugt wird, wenn ein energiereicher Teilchenstrom, bestehend aus Elektronen und Protonen (Sonnenwind), mit einer sehr hohen Geschwindigkeit auf die Erde trifft und dort ein Teil entlang der Feldlinien des Erdmagnetfeldes an den Polen in die die obere Atmosphäre eindringt. Aber sie wissen nicht, wann, wie und warum dieser Sonnenwind entsteht, sich innerhalb des Magnetfeldes der Erde beschleunigt und die Teilchen in der oberen Erdatmosphäre freigibt, um diese phantastischen Polarlichter entstehen zu lassen.

Die fünf Themis-Satelliten werden alle vier Tage auf ihren elliptischen Umlaufbahnen ausgerichtet. Diese umrunden die Erde in unterschiedlichen Distanzen, beginnend mit einer Distanz von ca. 190.000 km (halbe Mond-Erde-Distanz) bis zum sechsfachen der Mond-Erde Distanz. Diese Positionen helfen den Wissenschaftlern exakt zu fokussieren, wenn ein Sonnensturm auftritt. (Bild: NASA/JPL)

Aufschluss darüber soll die zweijährige Themis-Mission mit ihren fünf identischen Satelliten, den 25 wissenschaftlichen Instrumenten und den daran beteiligten 20 Sternwarten liefern; bisher konnten Studien des Erdmagnetfelds und des Weltraumwetters diese Fragen nicht lösen. Während der Mission sollen ca. 30 Sonneneruptionen genauer unter die Lupe genommen werden, um u. a. den Ursprung dieser Energiefeuer herauszufinden. Jeder Satellit verfügt über fünf hoch- und niederfrequenzmagnetische und elektrische Instrumente sowie thermische und superthermische Ionen- und Elektronendetektoren.

Es ist bekannt, welche Prozesse in der Magnetosphäre der Erde auftreten, wenn Sonneneruptionen stattfinden, aber bisher konnte niemand exakt den Prozessablauf bestimmen. Wissenschaftler glauben, dass nachfolgende Ereignisse in einer von zwei Reihenfolgen auftreten, Themis soll aufzeigen, welches Modell richtig ist:

Modell 1
0 Sekunden Current Disruption
30 Sekunden Auroral Disruption
60 Sekunden Magnetic Reconnection

Modell 2
0 Sekunden Magnetic Reconnection
90 Sekunden Current Disruption
120 Sekunden Auroral Disruption

Wenn die Satelliten in einer Linie ausgerichtet auf ihren jeweiligen Umlaufbahnen alle vier Tage für ca. 15 Stunden ein magnetisches Diagramm des nordamerikanischen Kontinents erstellen, werden parallel dazu 20 Erdstationen in Nordkanada und Alaska automatisch von der Erde aus mit speziellen Kameras die Sonnenwinde dokumentieren. Dieses ermöglicht den Wissenschaftlern den ersten kompletten Blick auf dieses Phänomen, einmal von der Erde aus, einmal vom Weltraum aus, um damit festzustellen wo und wann ein Sonnensturm beginnt. Zusätzlich sind Forschungs-Magnetometer in elf landwirtschaftlichen Schulen im Norden der USA installiert worden, um auch dort die großräumigen Effekte der elektrischen Ströme in der Magnetosphäre der Erde zu überwachen.

Das exakte Wissen um den Prozess der Entstehung von Sonneneruptionen und -winde liefert uns ein grundlegendes Verständnis über das Weltraumwetter und damit auch, wie es Satelliten und zukünftige Menschen im All beeinflusst. Es kann uns auch Einblicke in physikalische Prozesse liefern, wie sie auf den Planeten Merkur, Jupiter und Saturn auftreten. Die Magnetosphäre der Erde ist der einzige Ort, an dem wir diese Prozesse routinemäßig antreffen können

Vassilis Angelopoulos, UC Berkeleys Space Sciences Laboratory in Berkeley, Kalifornien, wissenschaftlicher Leiter der Themis-Mission
Die fünf Themis-Satelliten während einer Testanordnung im Jet Propulsion Laboratory in Pasedena (Bild: NASA/JPL)