Der Troll, der ihr folgte

Wirklich besserer Schutz für Stalking-Opfer?

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Die Bundesregierung verspricht mit einem neuen Paragraphen 238 des Strafgesetzbuches Stalking-Opfern einen besseren Schutz. Das Ziel ist angesichts der um sich greifenden Verbreitung derartiger Verhaltensformen lobenswert, doch erhöhen neue Strafnormen nicht automatisch auch das Schutzniveau der Betroffenen, wie die Bundesjustizministerin selbst einräumt. Nachfolgend wird im Anschluss an frühere Ausführungen ("Der Troll, der mich liebte") analysiert, inwieweit und ob diese Norm geeignet ist, den Schutz von Stalking - Opfern wirklich zu verbessern.

Der Bundestag hat einen spezifischen strafrechtlichen Schutz gegen Stalking als neuen § 238 des StGB beschlossen, nachdem der Bundesrat zunächst einen eigenen Entwurf präsentierte, der von dem vom Bundesparlament verabschiedeten Norm nicht unerheblich abweicht.

Damit hat eine jahrelange rechtspolitische Diskussion ihren Abschluss gefunden. Die jetzt verabschiedete Textfassungberuht auf einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern und tritt am Tage nach Verkündung durch den Bundespräsidenten in Kraft, löst aber immer noch Kritik aus, die im Rahmen der Auslegung dieser Norm teilweise aufzugreifen ist.

Dass den parallel zum Mobbing massiv im Vordringen befindlichen Stalking-Verhaltensweisen auch strafgesetzlich entgegen getreten werden muss, steht grundsätzlich außer Zweifel. Eine vergleichbare Norm ist mit § 107 a öStGB in Österreich bereits in Kraft getreten. Österreich verfolgt mit dem Antistalkinggesetz ein ähnliches Konzept wie der deutsche Gesetzgeber, setzt aber teilweise etwas andere Akzente. Der neue § 107a Strafgesetzbuch soll künftig die "beharrliche Verfolgung" – der Begriff scheint mir passender als der Terminus „Nachstellen“ in § 238 StGB – von Menschen durch Briefe, Telefonanrufe, SMS, E-Mails oder Auflauern unterbinden, die mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden können. Abs. 2 des § 107 a Abs.2 öStGB weist sprachliche Übereinstimmungen zu § 238 Abs.1 StGB auf, ist aber insgesamt präziser gefasst, in den Sanktionen jedoch deutlich milder. Die geringe Strafdrohung scheint insoweit für schwere Fälle rechtspolitisch kritikwürdig. Sie liegt in Deutschland deutlich höher.

Österreichisches Stalkinggesetz besser definiert als deutsches

Allerdings stößt die sprachlich in Österreich wie in Deutschland teilweise wenig präzise Gesetzesfassung trotz grundsätzlicher Begrüßung dieser Normen auf erhebliche Bedenken. Der Blick auf das Strafrecht verstellt aber möglicherweise ein wenig den Blick auf zivilrechtliche Abwehrmöglichkeiten und vollstreckungsrechtliche Folgen im Sinne durchsetzbarer Kontaktverbote wie sie seit kurzem in Österreich optimiert worden sind, sowie auf den sozialrechtlichen Opferschutz nach dem deutschen Opferentschädigungsgesetz. Das deutsche Gewaltschutzgesetz soll insoweit als eine Art „Scharnier“ zwischen Straf- und Zivilrecht fungieren.

Ein effektiver Opferschutz auch für Stalkingopfer verlangt jedenfalls eine Ergänzung des strafrechtlichen Schutzes durch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, der sich angesichts des Schutzzweckes des § 238 StGB nunmehr über § 823 Abs.2 BGB leichter realisieren lässt, da dieser Norm wegen ihrer individualschützenden Funktion der Charakter eines Schutzgesetzes zukommt, dessen Verletzung Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Abs.2 BGB begründen kann.

Im Bereich des Internet-Stalkings kommt den Staatsanwaltschaften hier insoweit eine besondere Rolle zu, da Täter oftmals erst über Auskunftsansprüche gegenüber Providern identifiziert werden können, die nur über die Strafverfolgungsbehörden erlangt werden können. Wie langwierig dieses Verfahren sein kann, ist hinlänglich bekannt.

Stalking wird von Zivil- zu Strafsache

Ziel des § 238 StGB n.F. Norm ist es, insbesondere sog. Strafbarkeitslücken zu schließen und einen effektiveren Opferschutz zu ermöglichen, der indessen mit einigen Fragezeichen zu versehen ist. Der Gesetzgeber will insbesondere zum Ausdruck bringen, dass Stalking keine Privatsache ist, sondern strafwürdiges Unrecht. Im Kern handelt es sich um eine schwerwiegende Form von Persönlichkeitsrechtsverletzungen, deren rein zivilrechtliche Ahndung sich als unzureichend erwiesen hat. Dies war letztlich auch unter der bislang geltenden Rechtslage so, nur dass es keine spezielle Strafnorm zum Stalking gab.

Ob diese Norm hinreichende Abschreckungswirkung erzielen wird, ist bei dieser Strafnorm so fragwürdig oder sicher wie bei jeder anderen Strafnorm, denn keine Strafnorm hält bestimmte Täter von Taten ab, ohne andererseits deshalb generell nutzlos zu sein. Ausschnitte aus dem Lebenssachverhalt Stalking waren bislang schon als Bedrohung (§ 241 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB), Erpressung (§ 353 StGB) und anderen Strafnormen – etwa der Computerkriminalität – strafrechtlich relevant. Inzwischen hat sich diesbezüglich auch bei den Polizeibehörden und den Staatsanwaltschaften ein erhebliches Know-how herausgebildet, dass sich etwa in der Einsetzung spezieller Arbeitsgruppen ausdrückt.

Unter Opferschutzaspekten stellt sich durchaus die Frage, ob diese Norm tatsächlich die Situation von Stalking-Opfern verbessert und wie sie sich zum bisherigen Schutzniveau verhält. Es könnte sich dabei – wie im Strafrecht häufiger anzutreffen – durchaus um symbolische Rechtspolitik handeln, die einen Schutz zwar verspricht, aber letztlich praktisch kaum einlöst, um ein höheres Sicherheitsgefühl der Bürger im Projekt „Sicherheitsstaat“ zu suggerieren.

Antragsdelikt

Bei verdeckten Formen des Stalkings stellt sich oftmals das Problem, den Täter identifizieren können, gerade bei Ausnutzung der Medien des Internets für Stalkingverhaltensweisen. Jede Strafnorm setzt aber die Identifikation des Täters voraus und überlässt die Methoden der Identifikation dem Strafverfahren und der Kriminalistik, so dass diese Problematik auf der Ebene des Strafrechts nicht lösbar ist. Ohnehin ist der Grundtatbestand des § 238 Abs. 1 als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet, so dass die Verfolgungsbehörden ohne Strafantrag in diesem Bereich nicht tätig werden. Strafverfolgungsanträge in diesem Bereich dürften deutlich ansteigen.

Ob der neue § 238 StGB den Interessen der Medien und den Rechercheinteressen der Presse angemessen Rechnung trägt, ist entgegen der Pressemitteilung des BMJ mit mehreren Fragezeichen zu versehen und war schon Gegenstand kontroverser Debatten bei der Einführung des § 201 a StGB. Einerseits haben Journalisten sich bei Recherchen unlauterer Methoden zu enthalten, die als Stalking gewertet werden können. Andererseits können auch zulässige Recherchemethoden subjektiv als Verfolgung aufgefasst werden, so dass eine Grenzziehung im Grenzbereich schwierig sein kann, da § 238 Abs. 1 Nr. 1 sehr weit gefasst ist und überdies auch der Anwendungsbereich des § 201 a StGB berührt sein kann, wenn Recherchen zu verdeckten Bildaufnahmen führen.

Das BMJ macht es sich jedenfalls mit der Behauptung etwas einfach, dass, wer sich presserechtlich korrekt verhält, nicht Gefahr läuft, als Stalker verfolgt zu werden. Angesichts durchaus fragwürdiger Recherchemethoden gerade auch der Boulevardpresse besteht allerdings kein Anlass, ein umfassendes Presseprivileg in dieser Norm einzuführen, da ein Schutz der Intim- und Privatsphäre auch gegenüber Veröffentlichungsinteressen mancher Medien gegeben sein muss, wobei allerdings im Einzelfall eine Abwägung mit der Medienfreiheit des Art. 5 Grundgesetz auf der Rechtfertigungsebene unumgänglich ist.

Presse-Problematik

Es wäre zwar verfehlt, eine Art gesetzlichen Anspruch auf einen durchaus um sich greifenden Paparazzi-Journalismus zu schaffen. Im Privatbereich herumgeschnüffelt wird in dieser Republik schon genug. Allerdings muss der Presse ein Raum für einen Journalismus verbleiben, der Missstände entsprechend aufdeckt.

Der neue Straftatbestand § 238 StGB Nachstellung soll folgenden Wortlaut haben:

§ 238 Nachstellung

(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich

1. seine räumliche Nähe aufsucht,

2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,

3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,

4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht, oder

5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt, und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Das zentrale Tatbestandsmerkmal des „Nachstellens“ wirft allein schon Auslegungsprobleme auf. „Nachstellen“ ist nichts anderes als der etwas unbeholfene Versuch einer Übersetzung des Begriffes "Stalking" ins Deutsche. Da es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der hinsichtlich seiner hinreichenden Bestimmtheit nach Art. 103 Abs.2 GG an sich fragwürdig ist, operiert der Gesetzgeber mit einer Konkretisierung in verschiedenen Tathandlungsvarianten in § 238 Abs. 1 Nrn. 1- 4, so dass vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen werden soll.

Teile der Norm erwecken Bedenken wegen ihrer hinreichenden Bestimmtheit. Der Grundsatz der Bestimmtheit des Strafgesetzes besagt hinsichtlich der Strafbarkeitsvoraussetzungen, dass die Bürger aus der Strafnorm ablesen können, welches Verhalten konkret mit Strafe bedroht wird. Rechtsstaatlichkeit und Opferschutz müssen dabei in ein angemessenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen ist nicht grundsätzlich verboten, sofern sich durch verfassungskonforme Auslegung ermitteln lässt, welches Verhalten nicht erlaubt ist und welche Strafsanktion an einen Verstoß geknüpft wird. Je schwerer die Strafdrohung, desto restriktiver muss die Auslegung bei Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe erfolgen. In einem gewissen Umfang kann der Gesetzgeber daher die Konkretisierung durch Auslegung der Rechtsprechung überlassen.

Nachstellen?

Die Problematik liegt hier in einer begrifflichen Beschreibung dessen, was die Phänomene des Stalkings ausmacht, da diese nicht abschließend begrifflich erfasst werden können. Die Phänomene des Stalkings sperren sich einer abschließenden Definition. Das Tatbestandsmerkmal des "Nachstellens" wurde schon im Gewaltschutzgesetz verwendet, findet sich aber auch in den hier nicht einschlägigen §§ 292 Abs. 1 Nr. 1 (Jagdwilderei), § 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB (Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete). Der österreichische Terminus der „beharrlichen Verfolgung“ in § 107 a Abs. 1 öStGB erscheint demgegenüber treffender und präziser, weil er ein gewisses Zeitmoment und eine gewisse Intensität berücksichtigt, dass auch in Abs. 2 dieser Norm ausdrücklich zum Ausdruck kommt. Wahrscheinlich wird die Rechtspraxis das „Nachstellen“ als beharrliche Verfolgung begreifen und eine restriktive Auslegung wählen, um dem Verdikt der Unbestimmtheit zu begegnen.

Im Gewaltschutzgesetz umfasst dieser Begriff das Anschleichen, Heranpirschen, Auflauern, Aufsuchen, Verfolgen, Anlocken, Fallen stellen und das Treibenlassen durch Dritte und damit eine ganze Reihe von Tathandlungsalternativen, die letztlich nicht abschließbar erfasst werden können. Vom Gesetzeszweck her erfasst der Begriff mehr oder weniger alle Handlungen, die darauf gerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an eine bestimmte Person in deren persönlichen Lebensbereich einzugreifen, um die Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Person zu beeinträchtigen oder ganz auszuschalten. Es geht dabei um Handlungsformen, die unterhalb von Bedrohungs- und Nötigungshandlungen liegen, aber einen deutlichen Belästigungscharakter haben und in das Persönlichkeitsrecht des Opfers eingreifen. Das Verhältnis des § 238 StGB zu §§ 240, 241 StGB ist wegen Überschneidung der Anwendungsbereiche relativ offen und bislang ungeklärt.

Ist normaler Liebeswahn schon Stalking?

Da es sich um ein sehr weites Tatbestandsmerkmal handelt, ist es verfassungskonform restriktiv auszulegen. Es muss sich um Verhaltensformen handeln, die eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit zum Ausdruck bringen und eine erhebliche Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Opfers zum Ausdruck bringen, mit der gleichzeitig eine gewisse Gefahr weiterer Wiederholungen vermutet werden kann. Dies bringt § 107 a öStGB im Gegensatz zu § 238 StGB deutlich und klar zum Ausdruck. Letztlich verlangt dieses Tatbestandsmerkmal eine Interessenabwägung und eine Würdigung des Gesamtkomplexes, für den die Intensität des Eingriffes und der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Handlungen sowie deren innerer Zusammenhang entscheidende Kriterien darstellen, so dass man eine Verfolgung mit gewisser Beharrlichkeit verlangen muss. Eine Tathandlung wird daher nur in Ausnahmefällen ausreichen.

Die Tathandlungsvariante des § 238 Abs. 1 Nr. 1 ist indessen erst im Zusammenhang mit dem Begriff des „Nachstellens“ in Kombination mit dem Tatbestandsmerkmal der „räumlichen Nähe“ anwendbar, so dass es sich um das Aufsuchen einer räumlichen Nähe zum Zwecke des Nachstellens handeln muss. Reicht es in Zeiten der „political correctness“ schon aus, wenn jemand einmal oder mehrfach unter dem Fenster einer anderen oder eines anderen steht oder ist mehr erforderlich?

Ist die bösartige Verwendung von Suchmaschinen Stalking?

Auch die bloße Kontaktsuche allein kann nicht hinreichen. § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB gibt darauf keine Antwort und überlässt derartige Konkretisierungen der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur. Hinsichtlich der ersten Alternative bestehen erhebliche Bedenken gegen die Wahrung des Bestimmtheitserfordernisses, so sinnvoll eine Optimierung des rechtlichen Schutzniveaus auch sein mag. Daher sollte der Belästigungscharakter bei der Auslegung entsprechend herausgestellt werden.

§ 238 Abs. 1 Nr. 2 bietet ebenfalls eine geringe sprachliche Präzision und ist zu weit gefasst. Das Tatbestandsmerkmal Verwendung von Telekommunikationsmitteln – jede Internetanbindung setzt Festnetz- oder Mobilfunkanbindung voraus – wäre bereits bei sog. Personenrecherchen in Suchmaschinen erfüllt. Richtigerweise wird man die Verhaltensweisen des Internet- Stalkings in eine Gesamtbetrachtung einstellen müssen, in dessen Rahmen sog. „Google-Stalking“ (das letztlich kein Stalking ist) als ein Element unter mehreren beachtlich sein kann, jedoch für sich genommen nicht ausreicht, um ein Nachstellen mit Hilfe von Telekommunikationsmitteln zu begründen.

Ist hartnäckige Telefon- und Faxwerbung Stalking?

Da Stalking weder auf sexuellen noch emotionalen Motiven beruhen muss, könnte darunter auch beharrliches Telefon-, E-Mail- oder Telefaxspamming fallen, wenn man den Tatbestand nicht entsprechend dem Gesetzeszweck auslegt und insoweit telelogisch reduziert. Ähnlich konturlos gestaltet ist die Kontaktaufnahme über Dritte, für die wenigstens die Nutzung eines Telekommunikationsanschlusses eines Dritten zu fordern ist.

Offen ist indessen dessen Haftung als Gehilfe nach § 27 StGB, wenn er den Anschluss in Kenntnis der Möglichkeit überlässt, dass ein anderer möglicherweise Handlungen des Internet-Stalkings begehen könnte, was sich letztlich ohne Kontrolle nie völlig ausschließen lässt. Hier liegt auch für Internetcafes eine Gefahr. Auch hier wird es letztlich wieder der Rechtsprechung überlassen, der Auslegung entsprechende Konturen zu verleihen, auf Kosten der Rechtssicherheit im Strafrecht. Demgegenüber ist § 238 Abs. 1 Nr. 3 präzise gefasst, wobei allerdings das Verhältnis zu Datenschutz- und Computerdelikten völlig offen ist.

§ 238 Abs. 1 Nr. 4 ist erheblich weiter gefasst als § 241 StGB. Die derzeitige Gesetzeslage führt dazu, dass die vom Tatbestand her engere Norm des § 241 StGB einen niedrigeren Strafrahmen aufweist als § 238 Abs. 1 Nr. 4, dessen Anwendungsschwelle deutlich niedriger liegt. Auch hier wird letztlich wieder eine seitens des Gesetzgebers klärungsbedürftige Frage der Rechtsprechung überlassen.

Grauzonen bleiben unklar

Problematisch ist unter dem Aspekt des Bestimmtheitsgebotes § 238 Abs. 1 Nr. 5, der zunächst das Vorliegen einer vergleichbaren Handlung fordert. Diese Norm will dem Umstand Rechnung tragen, dass die Handlungsformen des Stalkings nicht abschließend definiert werden können. Es fehlen aber sämtliche Kriterien für eine Vergleichbarkeit. Dem wird damit begegnet, dass zunächst zwei unbestimmte Rechtsbegriffe – nachstellen und vergleichbare Handlung zu den Handlungen der § 238 Abs.1 Nrn. 1 - 4 – aufgestellt werden, wobei die Vergleichbarkeit ohne jeden gesetzlichen Parameter an sich zu unbestimmt ist.

Um dies zu kompensieren, wird die Erfüllung des § 238 Abs. 1 Nr. 5 daran gekoppelt, dass durch die vergleichbare Handlung die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt werden muss, wobei wiederum offen bleibt, ob hierfür objektive oder subjektive Maßstäbe Anwendung finden sollen. Die Beeinträchtigung kann sich je nach Opfer subjektiv vom persönlichen Erleben her völlig anders darstellen. Angesichts des Opferschutzcharakters dieser Norm wird man eine subjektive Beeinträchtigung genügen lassen müssen, sofern sie sich in vergleichbaren Fällen als Lebensbeeinträchtigung schwerwiegender Art darstellt. Dazu kann es hinreichen, wenn ein Opfer aufgrund der Beeinträchtigungen seine Lebensweise wenigstens teilweise und für eine bestimmte Zeit völlig verändert, sofern dies auf die beharrliche Verfolgung zurück zu führen ist.

Gegenüber diesen Unsicherheiten sind die § 238 Abs. 3 - 5 klar und sachgerecht. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr in § 112 a StPO wird um § 238 StGB ergänzt, so dass künftig in schwerwiegenden Fällen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Möglichkeit eröffnet wird, Untersuchungshaft gegen gefährliche Stalking-Täter anzuordnen. Durch eine Ergänzung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr in § 112a StPO wird es künftig die Möglichkeit geben, Untersuchungshaft gegen gefährliche Stalking-Täter anzuordnen, was im Grundsatz auch sinnvoll ist. Damit wird für extreme Fallkonstellationen die Möglichkeit geschaffen, gefährliche Täter in Haft zu nehmen, um schwere Straftaten zu verhüten, da Stalking der Einstieg in Gewaltkriminalität sein kann. Diese Ergänzung hat insoweit auch präventiven Charakter. Daran zeigt sich aber, dass das Strafrecht immer mehr in den Dienst einer Sicherheitskonzeption gestellt wird, die durch Isolierung von Tätern Schaden von der Gesellschaft abwenden will.

Nicht wirklich gelungen

Die neue Norm des § 238 StGB hinterlässt einen gemischten Eindruck. Einerseits ist es rechtspolitisch richtig und wünschenswert den strafrechtlichen Schutz für Stalking-Opfer zu vertiefen und unterhalb der Anforderungen an Nötigungs- und Bedrohungshandlungen eine entsprechende Strafnorm zu fassen. Andererseits ist § 238 Abs. 1 StGB weitgehend gesetzestechnisch misslungen, weil erhebliche Bedenken unter dem Aspekt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes verbleiben.

Letztlich wird die Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen, so dass sich erst im Verlauf der nächsten Jahre erweisen wird, wie diese Norm wirklich wirkt und ob sie den Opferschutz wirklich angemessen erhöht. Für die Verteidigung von Stalkern bietet diese Norm jedenfalls erhebliche Ansatzpunkte, so dass die Gefahr droht, dass Opfer in derartigen Verfahren erheblichen Belastungen ausgesetzt sind, die bei einer präzisieren Gesetzesfassung bis zu einem gewissen Grade hätten vermieden werden können. Die Norm hinterlässt eine tiefe Skepsis angesichts der Erfüllung der hehren Ziele des Gesetzesgebers.