Mathematische Zauberei

Unsichtbarmachen von Gegenständen ist nach Berechnungen eines Mathematikers möglich

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Der Tarnanzug ist ein alter Traum von Spionen und Taschendieben sowie Militärs. Erstere denken daran, nur sich selbst unsichtbar zu machen, letztere würden dies auch mit einem ganzen Flugzeug machen wollen. Metallzylinder kann man bereits verschwinden lassen, doch nur zweidimensional und bei einer bestimmten Mikrowellenfrequenz. Ein Wissenschaftler will nun mathematisch bewiesen haben, dass sich auch bei beliebigen Wellenlängen Gegenstände unsichtbar machen lassen, selbst dann, wenn diese selbst aktiv Strahlung aussenden. Der Weg zu abhörsicheren Computern?

Die technischen Entwicklungen der letzten Monate, einen Gegenstand nicht nur durch optische Tricks (Die Technik, etwas unsichtbar zu machen), sondern tatsächlich unsichtbar zu machen, haben noch relativ wenig praktischen Nutzen gebracht: Das einzige, was tatsächlich unsichtbar gemacht werden konnte, war ein Metallzylinder bei einer bestimmten Radar-Wellenlänge - und auch dies nur in zwei Dimensionen, also in der Ebene. Beim „Überfliegen“ des Zylinders würde dieser sichtbar.

Mathematische Tarnkappe

Dass es möglich ist, diese Technik auf ein größeres Wellenlängenspektrum auszudehnen, beispielsweise auf die gängigsten Radarfrequenzen und den Bereich des sichtbaren Lichts, wurde bislang eher bezweifelt. Doch nun kommt ein Ansatz nicht aus der Ingenieurpraxis, sondern aus der mathematischen Theorie: Allan Greenleaf von der University of Rochester hat theoretisch dargelegt, dass es möglich sein muss, Gegenstände bei allen verfügbaren Wellenlängen unsichtbar werden zu lassen – auch dann, wenn diese nicht nur passiv daliegen wie der Metallzylinder, sondern aktiv strahlen oder Strahlen absorbieren wie ein eingeschalteter Computer oder ein Mobiltelefon.

Die mathematischen Grundlagen für den bisher als unmöglich angesehenen Trick hat Greenleaf mit Kollegen bereits vor drei Jahren entwickelt. Der Anlass war dabei weder Zauberei noch militärische Entwicklung, sondern die Medizin: Es ging um die mathematischen Grundlagen der Entdeckung von Krebstumoren im Körper. Dazu hatten die Forscher sich auch überlegt, unter welchen Umständen ein Tumor für die Untersuchungsgeräte – egal, ob diese nun mit Ultraschall, Mikrowellen oder Röntgenstrahlen arbeiten würden – aufgrund seiner inneren Struktur unsichtbar und somit nicht erkennbar sein könnte. Konkret berechnet wurde es für die Technik der Electrical Impedance Tomography (EIT), was einer elektromagnetischen Wellenlänge von Unendlich beziehungsweise einer Frequenz nahe Null, also der Verwendung von Gleichstrom entspricht.

Tatsächlich konnten sie eine derartige Struktur berechnen, die für einen Tumor im Körper jedoch äußerst unwahrscheinlich war. Als rein theoretische Konstellation legten sie deshalb ihre Berechnungen nach zwei Veröffentlichungen über das Thema (On Nonuniqueness for Calderon's Inverse Problem, Mathematical Research Letters 10, 685-693, 2003, und Anisotropic Conductivities that cannot be Detected by EIT, Physiological Measurement 24, 413-419, 2003) zu den Akten.

Ursprünglich ging es um Medizin

Erst als Greenleaf und seine Kollegen letzten Sommer über die Forschungen an der Duke University stolperten, die explizit das Ziel hatten, einen Gegenstand unsichtbar werden zu lassen (Ich sehe, dass du mich nicht siehst), fiel ihnen auf, dass diese ihren eigenen Berechnungen stark ähnelte. Als dann im Oktober tatsächlich ein entsprechendes Gerät konstruiert werden konnte (Der unsichtbare Zylinder), holte Greenleaf seine Berechnungen wieder aus dem Schrank. Er wollte untersuchen, was genau innerhalb des durch die Anlage unsichtbar gemachten Bereichs vor sich geht.

Solange er die Helmholtz-Gleichungen benutzte, die üblicherweise auf Fragen der Lichtausbreitung angewendet werden, schien alles klar verständlich. Als er jedoch zu den deutlich anspruchsvolleren Maxwell-Gleichungen überging, die auch die Polarisation elektromagnetischer Wellen mit in Betracht ziehen, stieß er auf Probleme: Mit dem im Versuchsaufbau benutzten Kupferzylinder war auch hier alles berechenbar, doch gab es Probleme, sobald das Objekt in der Tarneinrichtung selbst aktiv strahlen würde. Ob ein Mobiltelefon, eine einfache Digitaluhr oder auch eine Taschenlampe: Ein von dem versteckten Objekt ausgehendes, noch so kleines elektromagnetische Feld würde sich an der Grenze des "Tarnvorhangs" ins Unendliche steigern und damit die Barriere durchbrechen und die Unsichtbarkeit zunichte machen.

Als weitere Überraschung errechneten die Forscher, dass der Zaubervorhang nach innen ebenfalls undurchdringlich wäre und wie ein Spiegel wirkt: Wer also sich im Zauberumhang versteckt, kann nicht mehr nach draußen sehen.

Von innen undurchdringlich

Doch einigen Konstruktionsschwächen des bisherigen Tarnkappenansatzes ist nach der Berechnung von Greenleaf und seinen Kollegen beizukommen: Zusätzliche Schichten von elektrisch leitenden Materialien innerhalb und außerhalb der Tarnvorrichtung würden dazu führen, dass die Pegel der elektromagnetischen Strahlung an der Grenze des Tarnbereichs nicht mehr auf Unendlich steigen. Weil damit die Sicht von innen nach außen immer noch gleich Null wäre, bliebe der militärische Nutzen für einen unsichtbar bleiben wollenden Beobachter gering. Aber ein so verstecktes Objekt könnte von außen unsichtbar sein. Flugzeuge oder Raumschiffe im Einsatz ließen sich so nicht verstecken, aber sehr wohl ein havariertes Flugzeug am Boden, das unentdeckt repariert werden soll, oder eine auf der Startrampe wartende Maschine, die nicht vor dem Einsatz vom Gegner abgeschossen werden soll.

Eine Tarnkappe zu konstruieren, die tatsächlich im gesamten sichtbaren Wellenlängenbereich funktioniert, erscheint momentan noch ziemlich schwierig, jedoch das Abschirmen von Geräten auf verschiedenen Funkwellenlängen halten die Mathematiker für relativ bald realisierbar. Dass ein derartig abgeschirmtes Funktelefon nicht mehr funktioniert, weil auch hier wie bei der Taschenlampe alle Strahlung nach innen zurückgeworfen wird, lässt sich allerdings nicht vermeiden.