Mit der eiligen Exekution Husseins wird viel zugedeckt

Das schnell und medienwirksam verhängte Todesurteil dient der irakischen und amerikanischen Regierung, aber ob das als unfair kritisierte Ende des Prozesses das Land versöhnen wird, darf bezweifelt werden

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Die plötzliche Hinrichtung von Hussein zum Jahresende und nach Beginn der Mekka-Wallfahrt (Hadsch) sowie vor dem islamischen Opferfest war ein symbolischer Akt, der politisch motiviert war (Saddam Hussein hingerichtet). Das Gericht war auch in dieser Sicht nicht unabhängig von der irakischen und der US-amerikanischen Regierung. Vermutlich sollte aus durchaus nachvollziehbaren Gründen die Ära Hussein damit abgeschlossen werden, um das neue Jahr auch neu in der Hoffnung angehen zu können, dass nach einem kurzen Aufflammen der Gewalt diese dann womöglich nachlässt. Das dürfte aber, wie die meisten Experten sagen, vermutlich nicht der Fall sein, weil sich die Gewalt bereits zu sehr verselbständigt und diversifiziert hat, längst nicht mehr nur von Anhängern des Hussein-Regimes getragen wird und auch mit lokalen und kriminellen Strukturen verschmolzen ist.

Saddam Hussein kurz vor seinem Tod. Bild: al-arabiya

Das Weiße Haus, das vermutlich auch auf einen frühen Termin gedrängt hat und endlich wieder eine Erfolgsmeldung aus dem Irak benötigte, zeigte sich erfreut von der Exekution. US-Präsident Bush verwies in einer Erklärung zu Beginn und damit mit Nachdruck auf den "fairen Prozess" hin, den Hussein erhalten habe. Solche Prozesse seien unter Hussein unmöglich gewesen. Auf den Prozess selbst und den Grund zur Verurteilung ging Bush nicht weiter ein, sondern hob die Exekution nur als "wichtigen Meilenstein auf dem Weg des Irak zu einer Demokratie" hervor.

Ob es jedoch so geschickt war, vor allem auf den "fairen Prozess" abzuheben, dürfte fraglich sein, auch wenn der Zeitpunkt kurz vor Jahresende medienstrategisch wieder einmal geschickt gewählt war. Die Nachricht über die Exekution geht durch alle Medien. Und man hat auch schon für erste Bilder gesorgt. Genauso spektakulär war die Gefangennahme Husseins vor zwei Jahren inszeniert worden (US-Regierung erneut im Propagandakrieg?).

Jowaffak al-Rubaie, der irakische Sicherheitsberater, der während der Exekution anwesend war, versuchte sich an der offiziellen Sprachregelung. Mit dem Tod Husseins sei "die dunkle Zeit" vorüber und das Hussein-Regime abgeschlossen. Natürlich muss auch Hussein heruntergespielt werden. Er sei, so Rubaie, ein "gebrochener Mann" gewesen, in dessen Gesicht man die Angst habe sehen können. Allerdings hatte er sich auch geweigert, eine Kapuze überzuziehen, und sprach Rubaie auch davon, dass er ruhig und gefasst gewesen sein soll. Ganz wichtig war es Rubaie herauszustreichen, dass das Todesurteil und die Vollstreckung mit den Amerikanern nichts zu tun gehabt haben soll: "Es war von A bis Z eine irakische Angelegenheit. Die Ameriukaner waren bei der Exekution nicht anwesend. Sie waren nicht einmal in dem Gebäude."

Rumsfeld traf Hussein am 20.12.1983. Der Diktator wurde damals gegen den Iran unterstützt

Verurteilt wurde Saddam Hussein, der 30 Jahre lang diktatorisch und brutal über den Irak herrschte, wegen der Hinrichtung von über 148 Schiiten in Dujail 1982. Eine Vielzahl anderer Verbrechen, mitsamt den Kriegen gegen Iran und Kuwait bleibt also ungesühnt und wurde nicht aufgearbeitet. Schnell einen Schlussstrich zu ziehen und einen Mantel über die Vergangenheit zu breiten, dürfte wenig zu einer wirklichen Versöhnung beitragen.

Wichtig wäre wohl auch gewesen, die Beziehungen der USA zu Hussein in den 80er Jahren aufzuarbeiten (Das schmutzige Geschäft der Politik). Das hätte vielleicht dem Ansehen der USA mehr genutzt als die praktizierte Verdrängung, die schon im gegenwärtigen Verhältnis zum Iran die alten Konflikte weiterführt. Unter Hussein wurden auch 50.000 bis 100.000 Kurden in der Anfal-Kampagne 1988 zu Opfern des Regimes. Die schnelle Beendigung des Prozesses, der im Sommer auch diesen Genozid verhandelt hat, könnte auch die bislang engen Verbündeten der Amerikaner stärker gegen diese aufbringen.

Human Rights Watch hat den Prozess gegen Hussein in einem ausführlichen Bericht im November scharf verurteilt. Der unfaire Prozess untergrabe gerade die Wiederherstellung des Rechts im Irak. Schon die Richter und Rechtsanwälte seien trotz amerikanischer Hilfe in aller Regel nicht für solch einen Prozess ausgebildet und vorbereitet gewesen. Verteidiger von Hussein waren umgebracht oder bedroht worden. Man hatte die Gesichter der Verteidiger im Fernsehen übertragen. Für Verteidiger, deren Angehörige und Zeugen gab es keinen ausreichenden Schutz. HRW konstatiert, dass das Gericht nicht unabhängig gearbeitet habe und Richter von der Regierung unter Druck gesetzt wurden. Richter traten zurück oder wurden versetzt. Überdies wurden wichtige Dokumente der Verteidigung nicht zur Verfügung gestellt, die Beweislage wies große Mängel auf, Verteidiger durften manche Zeugen nicht befragen oder erhielten nach dem Todesurteil am 5. November das 300 Seiten starke Dookument so spät, dass das Einlegen eines Widerspruchs kaum möglich war. HRW bezeichnet das Widerspruchsverfahren als noch unrechtmäßiger als das Hauptverfahren.

Ähnlich wie HRW kritisiert auch Amnesty International das Gerichtsverfahren als unfair. Besonders politisch beeinflusst sei das Berufungsgericht gewesen, das das Todesurteil hätte ablehnen und nicht einfach alle Fehler und Mängel des Hauptgerichtsverfahren bestätigen hätte sollen. Malcolm Smart von Amnesty sagte, der Prozess hätte "ein Zeichen für die Einführung des Rechts im Irak nach Jahrzehnten der Tyrannei" werden sollen. Diese Gelegenheit habe man mit diesem Urteil verpasst. Beide Menschenrechtsorganisationen kritisieren auch die Verhängung der Todesstrafe, die den Menschenrechten zuwiderlaufe.

Der iranische Außenminister Hamid-Reza Asefi erklärte, dass die Hinrichtung Husseins für den Sieg des irakischen Volkes stehe. Hussein habe gestürzt werden könmnen, weil das Volk nicht hinter ihm stand: "Es ist kristallklar, dass die US-Regierung seinen Sturz falsch deuten und sich selbst zuschreiben würde." Der Krieg gegen den Iran und der Einmarsch in Kuwait hätten die Einheit der arabischen Welt untergraben, der israelischen Regierung genutzt und vor allem den Palästinensern geschadet.

Innenpolitisch habe Hussein Massenmorde an Schiiten und Kurden begangen und Zwietracht zwischen Sunniten und Schiiten geschürt, die zu den jetzigen Konflikten geführt hätten. Asefi wies darauf hin, dass Hussein einst von den USA gestützt wurde. Die schnelle Exekution verdanke sich einem Prozess, der aber nur ein Verbrechen unter vielen behandelt habe: "Saddams Prozess wurde zu schnell beendet. Wenn die Kriege gegen Iran und Kuwait auch untersucht worden wären, wäre die Verbindung mit den USA und deren Rolle aufgedeckt worden. Daher versuchte Washington den Prozess mit der Untersuchung der Verbrechen von Saddam in Dujail zu beenden."