Deutscher Aufklärungssatellit

SAR-Lupe-Satelliten bilden mit französischen Helios-Satelliten den Kern der europäischen Satellitenaufklärung

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Deutschland bewegt sich auf die ersehnte weltweite militärische Handlungsfähigkeit zu: Der erste von fünf Spionagesatelliten des SAR-Lupe-Systems wurde am 19.12. von einer russischen Trägerrakete in den Orbit gebracht. Nicht vielen dürfte die Bedeutung dieses Raketenstarts aufgegangen sein, denn die Medien berichteten davon, als sei ein neues Einkaufszentrum eröffnet worden.

SAR-Lupe-Satellit (Synthetic Aperture Radar: Radar mit einer synthetischen Bündelbreite). Bild: OHB

Dabei gäbe es doch Einiges an dieser Angelegenheit, das eine genauere Beleuchtung verdienen würde. Zum Beispiel die Tatsache, dass Deutschland damit das dritte Land wird (nach den USA und Russland), dem radargestützte Spionage aus dem Weltall zur Verfügung steht. "Radargestützt" heißt in diesem Zusammenhang vor allem: wetterunabhängig.

Der große Nachteil bei der Radartechnologie ist die geringere Auflösung im Vergleich zur optischen "Aufklärung", die heutzutage mit phantastischen Resultaten aufwartet: Wahrscheinlich können auf Bildern moderner optischer Spionagesatelliten 5-10 Zentimeter große Gegenstände voneinander unterschieden werden.

Aber deutsche Qualitätsarbeit macht den Nachteil der geringeren Grundauflösung teilweise wett. Die neuen Satelliten können im "Spotlight-Modus" durch die Kombination der SAR-Technik mit Lagemanövern einen Untersuchungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven ausleuchten und bei Koppelung der so gewonnenen Daten Auflösungen von deutlich unter einem Meter erzielen.

Bälle von einem Meter Durchmesser und ein exklusiver Zuschauerkreis

Möglicherweise arbeiten dabei auch mehrere Satelliten des Systems zusammen. Wie gut das genau funktioniert, ist geheim. In der Tagesschau durfte immerhin ein Vertreter der Herstellerfirma OHB System AG in onkelhaftem Tonfall ausplaudern, dass man beim "Reinkucken" Bälle von einem Meter Durchmesser schon erkennen könnte, einen Fußball aber nicht.

Die Live-Übertragung des Taliban-Cups von den staubigen Spielfeldern Südafghanistans entfällt aber auch aus einem anderen Grund: In Echtzeit geht da gar nichts. Und natürlich ist das ein ganz exklusiver Zuschauerkreis, der in den Genuss dieser sehr speziellen Sorte "Fernsehen" kommen soll. Denn obwohl entscheidende Beiträge zur Funktionsfähigkeit des Systems von rein zivilen Instituten und -projekten an der Universität Bremen stammen (vgl. Bundeswehr bekommt Augen im All), werden ausschließlich militärische Dienststellen Zugriff auf die Daten haben.

Diese Dienststellen tragen so schöne Namen wie "EinsFüKdo Bw" (Einsatzführungskommando der Bundeswehr) und "KdoStratAufkl" (Kommando Strategische Aufklärung). Diskretion wird dort groß geschrieben. Der Start des ersten Satelliten wurde um fast zwei Jahre verschoben, weil die zunächst eingeplante Verschlüsselungstechnologie nicht mehr sicher genug schien.

Kernstück der europäischen Satellitenaufklärung n

Genau wie der tatsächliche Start des ersten Satelliten selbst wird der Aspekt der europäischen Integration an dem ganzen Projekt zwar erwähnt, aber in seiner Bedeutung konsequent heruntergespielt. Denn das SAR-Lupe-System soll mit den Helios-Satelliten der Franzosen gekoppelt werden, die sowohl Photo- als auch Infrarotaufnahmen bieten.

Der entstehende Verbund wird ganz offen als Kernstück der europäischen Satellitenspionage angepriesen. Zusammen mit den Galileo- und GMES-Programmen entsteht hier eine weltraumbasierte, militärisch nutzbare Infrastruktur von erheblicher strategischer Bedeutung.

Rechnet man das atomare Arsenal Frankreichs hinzu, einschließlich seiner jüngst beschlossenen Erneuerung (Neue Raketen braucht das Land), die Anstrengungen der Bundeswehr zur Modernisierung ihrer informationellen Infrastruktur und die immer deutlicher artikulierten Ansprüche Deutschlands auf eine führende Rolle bei der Ordnung der Welt, kann man hier eine europäische Supermacht bei der Entstehung beobachten. Also genau das, was Gruppen wie die IMI seit Jahren vorhersagen.

Wer weiß, vielleicht sind ja die SAR-Lupe- und die Helios-Satelliten gemeinsam doch in der Lage, brandaktuelle Fotos von Bundeswehrsoldaten zu schießen, die in Afghanistan mit Skelettteilen herumjuxen.

"Wir können auch anders"

Im Zusammenhang der transnationalen Integration ist aber auch interessant, dass die deutsche Weltraumspionage eben nicht auf die wohlerprobten Strukturen der ESA und ihre Trägerrakete Ariane zurückgreift, sondern die selbst entwickelten Satelliten von den Russen ins All bringen lässt. Die Botschaft lautet: "Wir können auch anders", und sie richtet sich an die Amerikaner und die Franzosen gleichzeitig. Bei den deutsch-russischen Gesprächen, die zu dieser Konstellation geführt haben, hätte man doch zu gerne einmal Mäuschen gespielt.

Was lässt sich Deutschland seine große Radarfalle im All kosten? Das kommt darauf an, wen man fragt und was genau gemeint ist. Die einen sagen 300 Millionen, die anderen 370 (mit der Helios-Integration), es gibt auch Schätzungen, die das Gesamtpaket auf 400 Millionen Euro beziffern. Für ein militärisches Projekt dieser Größenordnung scheint das verdächtig wenig, und man sollte sich nicht wundern, wenn die Satelliten am Ende ihrer zehnjährigen Lebenszeit sehr viel mehr gekostet haben. Bezeichnend, dass man die Anschaffung des Weltraumspielzeugs kaum noch mit irgendwelchen zivilen Kollateralnutzungen rechtfertigt.

Während man bei Galileo vor Jahren noch sehr genau zwischen den Zeilen lesen musste, um die militärische Relevanz des Projekts überhaupt zu erkennen (vgl. Skandalöse Schönheitsfehler) ist das bei SAR-Lupe genau andersherum: Die Herstellerfirma hängt dem klar militärisch definierten Projekt noch ein paar „andere Erdbeobachtungsaufgaben“ an (wie z.B. "Umweltschutz") - das war's.