Zaubern ist von gestern

Christopher Nolans Historienthriller "The Prestige" - Meister der Magie

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Einem guten Bühnenzauberer gelingt es, die Konzentration der Zuschauer weg vom eigentlichen Trick zu lenken und dann mit Tataaa dem verblüfften Publikum das Kaninchen aus dem Hut zu ziehen, sodass sich alle fragen, wie er das bloß gemacht habe. Filme von Christopher Nolan (Batman Returns – vgl. Das Drama des begabten Kindes) funktionieren ähnlich wie Zaubertricks. Er blendet seine Zuschauer mit Rückblenden, Zeitsprüngen, Perspektivenwechseln - eben allem, was des Trickkiste des Geschichtenerzählens hergibt. Dadurch hält er die Kinozuschauer mit der Auflösung hin, füttert sie aber unentwegt mit kleineren Brocken, um das Interesse wachzuhalten, und ganz am Ende präsentiert er dann die Auflösung, bei der man sich fragt, warum man das nicht schon ganz am Anfang erkannt habe.

Bild: Warner Bros.

Ein Regisseur, der wie geschaffen ist für einen Film über zwei Bühnenmagier im viktorianischen England, weshalb sich der Autor der Romanvorlage auch dafür stark gemacht hat, dass Nolan die Verfilmung von "The Prestige" unter seine Fittiche bekommt.

Und das ist auch wieder das Vertrackte an dem Film, denn "The Prestige" ist ein Film, der seinen Charme daraus zieht, dass er seine Geschichte immer wieder in neue Richtungen lenkt und dem Zuschauer Informationen lange vorenthält. Weiß man vorher zu viel, verdirbt dies den Spaß am Film, deshalb hier nur eine ganz knappe und bewusst unvollständige Zusammenfassung der Geschichte.

Die beiden Bühnenzauberer Rupert Angier (Hugh Jackman) und Alfred Borden (Christian Bale) hatten ihre Karriere als Assistenten eines Zauberers angefangen. Ruperts Frau Julia (Piper Perado), die dritte Assistentin, kommt bei einem Trick durch einen Unfall um, der von Alfred verursacht wurde. Aus den Freunden werden erbitterte Konkurrenten auf der Bühne und im realen Leben. Immer auf der Suche nach dem ultimativen Bühnentrick sind sie bereit, alles zu opfern, um den anderen zu überflügeln.

Das ausgehende 19. und das beginnende 20. Jahrhundert waren eine Hochzeit der Bühnenmagier. Das Kino steckte noch in den Babyschuhen und war bis in die 20er Jahre hinein als billiges Jahrmarksspektakel verschrien, Fernsehen war noch in weiter Ferne, so dass solche Zaubervorführungen noch nicht in Konkurrenz mit anderen Medien waren, die das Publikum mit spektakulären Tricks bedienten. Andererseits waren durch technische Neuerungen auch aufwendigere Tricks möglich, die zu Hause nicht so einfach nachzumachen waren. Deshalb ist der Name Houdini heute immer noch ein Begriff für gehobenen Bühnenhokuspokus.

Technik, Zauber und Entzauberung

In "The Prestige" spielt Nolan mit diesen Bildern aus der Zeit um 1900, einer Zeit, in der die allmähliche Entzauberung der Welt begann. Gefühle und Verhaltensweisen wurden durch Methoden der Psychoanalyse erklärbar gemacht. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten mehr und mehr, wie Gottes Schöpfung funktioniert und folglich wurde er in den beiden großen totalitären Strömungen des 20. Jahrhunderts, dem Kommunismus und dem Faschismus, gänzlich negiert.

Bild: Warner Bros.

Und gleichzeitig machten neue technische Erfindungen Dinge möglich, die vorher als reine Zauberei galten - Licht ohne Feuer sondern mit der Glühbirne, Wagen ohne Pferde sondern mit Motor und Musik, die nicht mehr live gespielt werden muss, sondern aus dem Grammophon klingen kann. Auf diese Verbindung von Technik und Zauberei spielt Nolan immer wieder an, am deutlichsten in der einzigen historischen Figur, dem Erfinder Nikola Tesla (David Bowie).

Tesla war zusammen mit George Westinghouse der direkte Konkurrent von Thomas Alva Edison 1880er Jahren im so genannten "War of Currents" (wie Rupert und Alfred in "The Prestige"). Gemeint ist mit diesem Begriff der Streit, ob zur Stromfernübertragung Gleichstrom, wie von Edison propagiert, oder Wechselstrom eingesetzt werden sollte. Bekanntlich haben diesen Kampf Tesla und Westinghouse für sich entschieden. Eine seiner Erfindungen, die Tesla-Spule, mit der man eindrucksvolle Blitzbögen erzeugen kann, hat in "The Prestige" auch einen Auftritt.

In diesem Spannungsfeld zwischen Verzauberung und Entzauberung siedelt Nolan seinen Film an. Die neuen Zauberer, darauf deutet auch der letzte Haken hin, den der Film am Ende schlägt, sind die modernen Techniker und Ingenieure. Betrachtet man sich, wie die Edisons und Teslas während ihrer Zeit dargestellt wurden, klingt dies nicht mehr so abgehoben. Edison beispielsweise wurde oft als der "Wizard of Menlo Park" in Anspielung auf sein Anwesen tituliert.

Noch deutlicher wird dies, wenn man sich die Wissenschaftler in zeitgenössischen Filmen und Romanen anschaut, in denen zwischen Magie und Technik nicht immer scharf getrennt wird. So lässt der für seine "Grausamen Geschichten" berüchtigte französische Autor Villiers de l'Isle-Adam in seinem 1886 erschienen Roman "L'Ève future" Thomas Alva Edison eine künstliche Frau schaffen.

Bild: Warner Bros.

Oder man denke an den Erfinder Rotwang aus Fritz Langs "Metropolis". Rotwang ist ein komischer Kauz, der mit vielen von Nikola Tesla schon bekannten Blitzbögen eine "Mensch-Maschine" baut, der aber gleichzeitig in einem Haus voller alchimistischer Zeichen.

Insofern sind die beiden Helden von "The Prestige" durchaus Figuren eines Wandels, die das Zaubern mit der Technik verbinden. Sie präsentieren den Zauber nur, aber die wahren Zauberer und Magier sind sie nicht. Das sind die Edisons und die Teslas.