Mit blinden Augen

Die schmutzige Kehrseite von Bill Gates Wohltätigkeitsstiftung

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“Systemimmanent“ hätten das die Durchblicker vor dreißig Jahren genannt und dazu mit der Faust auf den Tisch gedroschen: „Es gibt nichts Gutes im falschen Leben!“. Jene mit Hang zu literarischen Metaphern hätten Dr.Jekyll und Mr. Hyde hervorgezogen und die Bibelfesten den Spruch von der linken und der rechten Hand. Und tatsächlich eignet sich der Stoff für große, grundsätzliche Debatten. Die Galionsfigur ist jetzt schon eine Legende für sich - wahrscheinlich mehr Menschen geläufig als Hyde und Jekyll: Es geht um den reichsten Mann der Welt, Bill Gates und seine Wohltätigkeitsstiftung, die bedeutendste und größte der Welt, die Gates Foundation.

Den Titel „Der größte Spender der Welt für wohltätige Organisationen“ hat ihm sein Konkurrent in der Rangliste der reichsten Männer der Welt abgeknöpft. Bill Gates ist als Philanthrop nur mehr Nummer 2 weltweit. Nummer 1 auf der aktuellen Big-Spender- Rangliste der US-Zeitschrift Business Week ist Warren Buffet, der zweitreichste Mann der Welt.

Doch stärkt das nur die Position der Gates Foundation als größte Wohltätigkeitsstiftung der Welt, denn Buffet hat im Juni 2006 bekannt gegeben, dass er der Stiftung seines Freundes über mehrere Jahre hinweg etwa 31 Milliarden Dollar aus seinem Privatvermögen zukommen lassen will. Das vergrößert das Vermögen der Gates-Foundation, welches auf über 30 Milliarden Dollar geschätzt wird, erheblich. Selbst wenn man die zig Milliarden Dollar, die Bill Gates zusätzlich noch beisteuern will, nicht dazu zähle, so die Los Angeles Times, sei das Gesamtvermögen größer als das Bruttoinlandsprodukt von 70 Prozent der Nationen weltweit: eine wirklich nennenswerte Summe für eine Wohltätigkeitsorganisation.

Und massive Hilfe für Gesundheits- und Ausbildungsprogramme an bedürftigen Orten weltweit kommt auch an, wie die Zeitung an detaillierten Einzelbeispielen demonstriert. Doch am Beispiel der 14 Monate alten Justice Eta aus Nigeria, der zwanzigjährigenThembeka Dube aus Südafrika, dem amerikanischen Ehepaar Jeff and Cheryl Busby und einigen anderen demonstrieren die Journalisten auch die Kehrseite der Wohltätigkeitsorganisation, die Widersprüche ihrer Finanzpolitik, das „schmutzige Geheimnis“.

In Zahlen sieht es so aus: Wie die meisten anderen philanthropischen Stiftungen verwendet die Gates Foundation aus steuerlichen Gründen 5 Prozent ihres Vermögens für Hilfszuwendungen. Im Jahr 2005 schüttete sie etwa 1,4 Milliarden für die Unterstützung von weltweiten Gesundheitsprogrammen aus, für die Verbesserung der öffentlichen (Schul)-Ausbildung in den USA und für soziale Wohlfahrtsprogramme. Die anderen 95 Prozent des Vermögens wurden investiert: in Unternehmungen, welche der Politik der guten Taten deutlich zuwiderlaufen.

„Investieren mit blinden Augen“ („blind-eye investing“) nennt das die Zeitung. Der wohltätige Teil der Stiftung weiß nichts davon - und soll davon auch nichts wissen -, was der vermögensschaffende Teil macht. So soll die Gates Foundation einerseits mit 218 Millionen Dollar Polio- und Masernschutzimpfungen und entsprechende Forschungen subventionieren, um Nöte etwa im Niger Delta zu lindern. Und andrerseits investiert die Foundation über 400 Millionen Dollar in Unternehmnungen wie Eni, Royal Dutch Shell, Exxon Mobil Corp., Chevron Corp. und die französische Total, welche für den außergewöhnlich hohen Verschmutzungsgrad der Luft und entsprechende Folgekrankheiten im Niger Delta verantwortlich gemacht werden.

In Ispingo in Südafrika, von Umweltschutzaktivisten „Cancer Valley“ genannt, soll die Emission von Dioxin und anderen karzinogenen Stoffen zu den höchsten der Welt gehören. Die Gates Foundation ist ein kapitaler Anteilseigner der Firmen – BP und Royal Dutch Shell -, die Eigner der Anlagen sind, die für die Emission der Gifte verantwortlich sind.

Die Foundation soll bedeutende Anteile an Firmen halten, die zu den schlimmsten Umweltverschmutzern in den USA und Kanada gehören (ConocoPhillips, Dow Chemical Co. und Tyco International Ltd.), Anteile an Unternehmen, die für erkrankte Kinder mitverantwortlich sind, Anteile an Pharmaunternehmen, die Preise für Medikamente gegen AIDS so hoch halten, dass sie für viele Patienten unerschwinglich sind – gleichzeitig ist die Bekämpfung von AIDS eine der zentralen Anliegen der Stiftung. Insgesamt, so die Recherchen der Zeitung, sollen Hunderte von Investitionen der Gates Foundation im Wert von mindestens 8,7 Milliarden Dollar in Unternehmen gesteckt werden, die den gesundheitlichen und sozialen Wertmaßstäben der wohltätigen Ziele völlig widersprechen.