Überhaupt nicht lustig: Hitler ist komisch

Von Chaplin bis Levy: Der größte Filmstar aller Zeiten im bewegten Bild - die unendliche Karriere einer Marke

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Diese Woche kommt Dani Levys Film "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" in die deutschen Kinos. Ein bemerkenswerter, kluger, trotzdem auch ein angreifbarer Film, eine neue Stufe in der Auseinandersetzung mit Hitler, dem Nationalsozialismus und den Verbrechen des 20.Jahrhunderts. Weil sich Dani Levy sehr deutlich auf die filmische Vorgeschichte und die verschiedensten Hitler-Darstellungen der Filmgeschichte bezieht, kann man gerade diesen Film nicht verstehen, ohne einen Blick zurück: Wie also begegnet man Hitler im Film, was sieht man von ihm, und was nicht?

Eine Badewanne und darin ein Chor aus Quietsche-Entchen mit schwarzer Tolle und Hitler-Bart, der singt: "Adolf, Du alte Nazisau, kapitulier' doch endlich!" Millionen allein in Deutschland haben sich im letzten halben Jahr den Comic-Clip "Der Bonker" aus dem Netz heruntergeladen.

"Der Bonker" von Walter Moers

Bereits 1998 war der erste Adolf-Comic von Walter Moers erschienen, dessen dritter Band jetzt mit Hilfe von Animationsfilmer Felix Gönnert und Sänger Pigor zum wohl erfolgreichsten Film über den deutschen Diktator mutierte - beim Publikum weit erfolgreicher als "Der Untergang" von Bernd Eichinger/Oliver Hirschbiegel. Was man da sieht, ist zuallererst einmal albern: Adolf Hitler rappt, plantscht, jammert über fehlende Freunde, tröstet sich mit Blondie und Branntwein, aber er ist auch halsstarrig und "lässt sich nicht unterkriegen."

Auf den zweiten Blick ist dies alles auch eine ziemlich intelligente Hitler-Bearbeitung, subversiv in ihrer Form, mit dem Material zu spielen, die üblichen Hitlerdarstellungen und -wahrnehmungen (!) mitzureflektieren und zu unterlaufen. Ob "Der Bonker" zum Beispiel ohne Eichingers monumentalistischen "Untergang" überhaupt denkbar wäre, muss man bezweifeln - schon der Titel ist Anspielung und Ironisierung des dem Diktator von Bruno Ganz verliehenen Sprachduktus. Moers ironisiert die Zeichen der Kommunikation über Hitler, die Codes seiner Darstellung. Hitler selbst macht Moers lächerlich, indem er diesen auf seine kindischen Seiten reduziert, und auf seine menschlich-allzumenschliche Körperlichkeit: In "Der Bonker" ist Hitler nackt, entleert sich auf dem Klo, sitzt in der Wanne, hat einen dicken Bauch und einen einfältigen, müden Blick.

Auch das kann es also bedeuten, wenn man "Hitler als Mensch" darstellen will - was Eichinger ja mit präpotentem Gestus für sich in Anspruch nahm. Hier keine Spur von Pathos und Imposanz. Im Gegenteil wird das öffentliche Bild noch ein weiteres Mal gebrochen, indem der Film Hitlers Narzissmus und Idiosynkrasien aufs Korn nimmt: Er steht vor dem Spiegel und sieht dort nur sich selbst und zwar vervielfacht, wie auch in den Gesichtern der Badeenten. Moers Hitler ist eine lächerliche, aber keine groteske Figur. "Der eigentliche Grund für mich ist, dass Hitler so leicht zu zeichnen ist. Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist das Arschgesicht!" - mit solchen Aussagen verweigert sich Moers allen weiterführenden Fragen. Seine Grund-Haltung ist parodistisch. Im Comic lässt Hitler sich von Churchill mit Telefonscherzen ärgern und trifft neben dem Tod auch Michael Jackson.

Bruno Ganz in "der Untergang"

"Ein wildes Schmierentheater"

Ihr habt einst die Stimme eines Mannes vernommen, und sie schlug an eure Herzen, sie hat euch geweckt... Das ist das Wunder unserer Zeit, dass ihr mich gefunden habt ... unter so vielen Millionen! Und dass ich euch gefunden habe, das ist Deutschlands Glück!

Hitler 1936 in Nürnberg

Moers ist der bekannteste, aber nicht der erste, der in Deutschland aus Hitler eine Comic-Figur machte. 1996 zeichneten Achim Greser und Heribert Lenz mit "Der Führer privat" die erste Comic-Serie, bereits hierin die Tendenz der kommenden Dekade - Privatisierung und Vermenschlichung von Massenmördern im Gewand des Humors - vorwegnehmend. Man sieht Hitler - wie jetzt auch im Film von Dani Levy - in Pantoffeln und Nachthemd. Damals empörte sich Hitler-Biograph Joachim C. Fest noch über solcherlei Banalisierung.

Auch im Internet ist "Der Bonker" keineswegs die einzige Hitler-Parodie. Ganz anders als Moers, aber ähnlich in seiner subversiven Verbindung aus Cleverness und Witz ist "Hitler Leasing", ein Clip des Filmstudenten Florian Wittmann, der die Bilder der bekannten ersten Rede Hitlers als Reichskanzler mit einem Sketch des Kabarettisten Gerhard Polt unterlegt hat. Der kleinbürgerliche Schimpfduktus der Polt-Figur entlarvt in Kombination mit den historischen Propagandabildern die billigen rhetorischen Gesten Hitlers, über die bereits sein Schauspiellehrer Paul Devrient kühl urteilte: "Ein wildes Schmierentheater." Henryk M. Broder meinte über den Clip, man könne aus ihm mehr über das Wesen von Hitler erfahren als aus so manchem antifaschistischen Film. Da können die Scherze von Harald Schmidt, und andere Nazi-Parodien, die man gleichfalls im Netz herunterladen kann, nicht mithalten.

Viel Spaß mit Hitler

Das Lachen über Hitler und die Seinen hat vor allem im Kino eine lange Tradition. Bis es begann, dauerte es aber eine Weile. In den 30er Jahren hielt man sich in Hollywood völlig bedeckt - sieht man einmal vom Film "Duck Soup" der Marx Brothers ab, in dem Groucho Marx einen Hitler-ähnlichen Diktator spielt, der den Staat Freedonia übernimmt und in den Krieg führt. Erst kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen dann erste explizite Hitler-Filme ins Kino, etwa aus den Disney-Studios und in England ein "Struwwelhitler" unter dem Pseudonym "Dr. Schrecklichkeit".

Zu dieser Zeit arbeitete Charlie Chaplin bereits seit 1937 an seinem Film "The Great Dictator", der während seiner Fertigstellung 1939/40 von den realen Ereignissen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs überholt wurde. Chaplin, berühmt, kaum angreifbar und als Miteigner des "United Artists"-Studios im Hollywood der 30er Jahre auch unabhängig genug, war einer der wenigen, die zu jener Zeit den Mut besaßen, gegen alle Widerstände überhaupt Politik ins Kino zu bringen. Chaplin war auch der erste, der Hitler als Ikone und begabten Selbstdarsteller erkannte und mit seiner Hitler-Parodie die öffentliche Persona des deutschen Diktators zugleich von innen heraus zerstörte, sie dekonstruierte. Chaplins Imitation der Hitlerschen Rhetorik ist bis heute unübertroffen, weil sie witzig ist und doch all den Schrecken enthält, den Hitler ausstrahlte, und der heute oft marginalisiert wird; weil sie den Wahnsinn Hitlers bloßlegt, ohne ihn zur Entschuldigung für auch nur eine seiner Taten werden zu lassen.

Chaplins Vorgehen ist die Persiflage. Gezeigt wird das von dem Diktator Adenoid Hynkel regierte Tomanien, das in vielem Nazi-Deutschland zum Verwechseln ähnlich sieht. Hynkel spricht eine Phantasiesprache, die für englische Ohren irgendwie deutsch klingt, Worte enthält, wie "Schtonk" (das Helmut Dietls Filmsatire den Titel gab) und mit einzelnen deutschen Worten wie "Sauerkraut" und "Blitz" ergänzt wurde. Die Menschen tragen stilisierte Naziuniformen, der Bündnispartner Benzino Napaloni parodiert natürlich Benito Mussolini.

Der große Diktator

Erzählt wird vor diesem Hintergrund die Geschichte der Verwechslung eines jüdischen Friseurs mit dem Diktator Hynkel. Und alles endet mit einer antifaschistischen Freiheitsrede des falschen Diktators. Zuvor gibt es einige wunderbare Pantomimen zu bewundern. Der Tanz des Diktators mit der Weltkugel - keine lustige Szene übrigens - ist eine Ikone der Filmgeschichte geworden, fast zu schön, zu elegant, angesichts der Nazi-Wirklichkeit. Und schon Chaplin wird zumindest in dieser Szene zum Opfer eines Effekts, der sich bei vielen Hitler-Verfilmungen irgendwann einstellt: Auf perverse Weise adelt die Parodie auch noch ihr Objekt, auch noch Hitler.

Doch zugleich nahm Chaplin, der nach dem Krieg zu dem Film bemerkte, "Hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte "Der große Diktator" nicht zustandebringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können", auch mit genialer Intuition diesen Schrecken hellsichtig vorweg: In einer anderen Szene erklärt der Göring nachempfundene Feldmarschall Herring begeistert: We've just discovered the most wonderful poison gas! It will kill everyone!"

Chaplin & Hitler - ein Konkurrenzverhältnis

In "The Great Dictator" spielt noch ein weiteres zeitgeschichtliches Moment hinein: Beide, Hitler und Chaplin, waren fast gleich alt; 1889 wurden sie im Abstand von nur vier Tagen geboren. Die oberflächliche äußerliche Ähnlichkeit ihrer öffentlichen Figuren thematisierten Zeitgenossen bereits seit den späten 20er Jahren - und dann besonders umfangreich beim Deutschlandbesuch des Komikers 1931. Hinzu kam, dass diese jeweilige öffentliche Persona zwar in Form von lauter Gegensatzpaaren strukturierbar ist: "Tramp" - "Führer", "Jude" - "Antisemit", "Weltbürger" - "Deutscher", "Zivilist" - "Soldat". Doch zugleich beanspruchten beide - und erfüllten diesen Anspruch auf ihre je eigene Weise - Repräsentanten "des kleinen Mannes" zu sein.

Es gab seinerzeit sogar vereinzelte Spekulationen, dass Hitler, der im Gegensatz zu seinen Posen nach Außen innerlich überaus unsicher in Bezug auf seine öffentliche Wirkung war und seine Auftritte nach dem gescheiterten Novemberputsch von 1923 während der Haftzeit in Landsberg/Lech völlig umgestaltete, der bekanntlich rhetorische Posen mit Hilfe von Photographien detailliert einstudierte und bis kurz vor der Machtübernahme Schauspielunterricht nahm, auch seinen markant gestutzten Schnauz-Bart direkt von Chaplin übernahm, um von dessen Popularität zu profitieren. Doch auch wenn es sich bei der gleichen Barttracht um einen bloßen Zufall und Treppenwitz der Geschichte gehandelt haben sollte: Durch seinen öffentlichen Erfolg hatte Hitler Chaplin gewissermassen den Bart gestohlen, aus dem "Chaplin-Bärtchen" war ein "Hitler-Bart" geworden. Zum 50. Geburtstag der beiden im April 1939 schrieb der britische "Spectator" ein Doppelportrait: "Beide sind Zerrspiegel, der eine zum Guten hin, der andere zum unsagbar Bösen."

Chaplin wie Hitler begriffen ihre unfreiwillige Verwandtschaft und führten die aus ihr resultierende Konkurrenz ganz bewusst. Auf die "Machtergreifung" der Nazis 1933 reagierte Chaplin sofort, indem er - als Rechteinhaber seiner Filme fiel ihm das leicht - verbot, im Nazi-Deutschland noch Chaplin-Filme zu zeigen und damit ein Verbot seiner Filme durch die Diktatur vorwegnahm. Öffentlich spottete Chaplin über die "schlechte Imitation von mir, mit dem absurden Schnurrbart, den ungekämmten strähnigen Haaren und dem widerwärtigen dünnen kleinen Mund". Die Nazi-Propaganda verunglimpfte Chaplin umgekehrt als "Zappeljuden".

"Der beste Dokumentarfilm über Hitler"

Mit "The Great Dictator" forderte Chaplin Hitler endgültig heraus. Zur Vorbereitung studierte Chaplin in Ufa-Wochenschauen ausführlich Redestil und Gestik Hitlers und griff im Film konsequent deren grotesk-komisches Potential auf:

Die Gebärde des Grußes, bei der er die Hand über die Schulter zurückwarf, wobei die Handfläche nach oben gerichtet war, erweckte in mir den Wunsch, ein Tablett mit schmutzigem Geschirr draufzustellen.

Chaplin entstellt die Gesten des Diktators und macht dessen hoch-neurotischen Charakter sichtbar. Chaplin interessiert sich dabei zwar nur für die öffentliche Fratze des "großen Dikators", doch genau dadurch macht er auch den Mensch Hitler sichtbar, der sich eben nicht allein in den Augenblicken der Ruhe, der Entspannung und des Spaghetti-Essens zeigt - wie "Der Untergang" implizit behauptet und eine Differenz zwischen Politiker und Mensch konstruiert. Das war Propaganda im besten Sinn und konsequenterweise studierte Goebbels den Film detailliert. Und es war zugleich genaues Portrait. Heinrich Breloer nannte Chaplins Film den "besten Dokumentarfilm über Hitler. Weil er ihm so nahe gekommen ist."

Zugleich ist es auch ein Dokumentarfilm über die Form von Hitlers Herrschaft: Chaplin entlarvte den Inszenierungs- und Ästhetisierungscharakter des Faschismus zur gleichen Zeit, als Leni Riefenstahls Olympiafilm in der freien Welt Preise bekam. Immer wieder geht es in Chaplins Film um Inszenierungen und die Wahrheit dahinter. Geistreich ist hierbei auch die Doppelrolle Chaplins als Hynkel und als jüdischer Friseur und die darauf folgende Verwechslung beider. Sie ironisiert nicht nur die tatsächliche Ähnlichkeit Chaplins mit dem Diktator. Sie zeigt zugleich, dass wer Hitler und wer Jude ist, nur vom Outfit bestimmt wird.

Alles ist Kostüm, Inszenierung, Schein. Dabei geht es nun allerdings nicht um die kitschige und relativistische Behauptung, Täter und Opfer seien sich letztlich allzu ähnlich, um die Nähe zum "Bruder Hitler" (Thomas Mann), sondern stattdessen um die Auslöschung des Diktators, um dessen Entlarvung als künstliche Figur: Es geht nicht darum und kann nicht darum gehen, Hitler zu "verstehen", oder auch nur zu erklären, es geht darum, die in der Vorstellung von Einfühlung und Verständnis, von Menschlichkeit, liegende Behauptung der Identität, der Austauschbarkeit von Oper und Täter von Gut und Böse, zu suspendieren. Chaplin kann Hitler darstellen, aber Hitler niemals Chaplin.

Nach dem "Great Dictator" sehen wir in Chaplin nie Hitler, in Hitler aber immer auch Chaplin. Chaplin hat sich Hitlers bemächtigt. Zur Zeit seiner Entstehung stieß der Film auf Empörung. Der Film war ein Ärgernis und gar nicht zum Lachen, von der Kritik wurde er verrissen. Und erst 1958 traute man sich, ihn in der Bundesrepublik ins Kino zu bringen. Erst 1980 im Fernsehen der DDR.

Totentanz & Plauderton: Hitlers Karriere in der frühen Bundesrepublik

1942 folgte dann Ernst Lubitschs Verwechslungskomödie "Sein oder Nichtsein", der zweite große Klassiker der respektlosen Hitler-Persiflage. Sie griff Chaplins Grundidee auf, das Dritte Reich als riesiges Theater zu begreifen. Eine Truppe polnisch-jüdischer Schauspieler muss nun um ihr Leben spielen. In Nazikostümen führen sie die SS an der Nase herum - ein Aufstand der Intelligenz gegen die Dummheit. Und auch dieser Film kam erst 18 Jahre später ins westdeutsche Kino.

Ernst Lubitsch: "Sein oder nicht Sein"

Bis dahin hatte man hierzulande schon einige andere Kino-Hitlers erlebt. Neben diversen Dokumentationen bleibt vor allem "Der letzte Akt" von 1955 in Erinnerung, der erste deutsche Spielfilm über Adolf Hitler. Er stammt von G.W. Pabst, einem der Großen aus der großen Zeit des deutschen Films in den Zwanzigern. Vor allem mit zwei bürgerlichen Kammerspielen von 1929, mit "Die Büchse der Pandora" und "Tagebuch einer Verlorenen", jeweils mit der grandiosen Louise Brooks in der Hauptrolle, war er bekannt. Verräterischerweise war "Der letzte Akt" nur mit österreichischem Geld finanzierbar.

Schon hier geht es um die letzten Tage Hitlers. Bereits bei diesem Film wirkte Hitlers Sekretärin Traudl Junge als Zeitzeugin im Hintergrund mit. Albin Skoda spielt Hitler als Fanatiker, als expressionistisch angehauchten Mabuse-Charakter, entmenschlicht. Doch zugleich bleibt die Darstellung kühl, vermeidet Pabst alle Tragik und zeigt einen Totentanz aus leer gewordenen Ritualen und nutzlosen Befehlen - in seinem Nihilismus schon nahe am destruktiven Chaos von Christoph Schlingensiefs "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Tage im Führerbunker". Die Generäle bei Pabst sind feige Speichellecker - allerdings erkauft der Film diese Aussage mit einem "anständigen" Offizier, der von Oskar Werner gespielt gegen Ende erschossen wird. Trotz solcher Kompromisse erhielt der Film übrigens von der westdeutschen Filmbewertungsstelle kein Prädikat.

Christoph Schlingensiefs "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Tage im Führerbunker".

Danach war es lange still um Hitler, jedenfalls im deutschen Kino. Der deutsche Spielfilm drückte sich um die Abbildung des "Führers". Nur in Dokumentarfilmen traf man ihn. Das begann Ende der 50er mit Erwin Leisers Filmen, vor allem "Adolf Hitler - Mein Kampf" (1959), in Schweden produziert. Das war eine Collage historischer Aufnahmen. Einen Schritt weiter ging 1977 der ehemalige Albert-Speer-Sekretär Joachim C. Fest mit "Hitler - Eine Karriere" (1977). Bereits 1969 hatte Fest mit "Adolf Hitler - Versuch eines Porträts" beim WDR ein erstes Portrait gewagt. Fests Darstellung war mit seinen zwar distanzierten, aber deutlich subjektiven, wertenden, von mal ästhetisierenden, mal psychologisierenden Aussagen durchdrungenen Kommentaren im ironischen Plauderton mehr Essay als Dokumentation. Dem Erhellenden mancher Analysen stand die Gefahr der Reduktion der NS-Diktatur auf die Person Hitlers gegenüber - eine Sicht auf die Geschichte, die diese von großen Männern bestimmt schildert.

Manche Kritiker warfen Fest "gefährliche Vereinfachung" und "Einfühlung" vor, Wim Wenders schrieb einen seiner schärfsten Essays gegen den Film und noch vor wenigen Wochen urteilte Rudolf Worschech in epd-film: "Das bonmothafte Räsonnieren über des Mannes und seines Volkes Psychologie wirkt heute nachgerade hilflos, wenn nicht gar obszön." Die Filmbewertungsstelle urteilte: "Besonders wertvoll".

Fast zeitgleich bot 1975 Hans Jürgen Syberberg mit seinem 7-Stunden-Film "Hitler - Ein Film aus Deutschland", wo er den Titelhelden mit dem grandiosen Komiker Heinz Schubert ("Ekel-Alfred") besetzte, eine sehr eigenwillige Interpretation der "deutschen Seele". Mit Wagners "Ring"-Musik unterlegt spürt Syberberg vor allem den geistesgeschichtlichen Wurzeln des Nazismus, aus seiner Sicht dem Irrationalismus der Romantik, nach: Hitler steht am Ende einer Traditionslinie des irrationalen, aber auch kleinbürgerlichen Ästhetizismus, die von Hölderlin über Wagner, Ludwig II. und Karl May reicht.

"Springtime for Hitler and Germany": Hitler bis zur Gegenwart

Es ist wiederum notwendig geworden, dem deutschen Volke eine Aufmunterung zu geben.

Goebbels Tagebuch, 15. Februar 1943

Seit ungefähr dieser Zeit fallen die Tabus. Und es gibt auch in Deutschland mehr und mehr Hitler zu sehen. Woran mag das liegen? An neuen, "unbefangeneren" oder einfach naiveren Generationen? Am Ende des Neuen Deutschen Films Anfang der 80er? Am zeitgleichen Beginn regressiver Tendenzen in Kino und Fernsehen, der zumindest konservativen, wenn nicht reaktionären Wende weg vom Politischen, hin zu einem privatistisch verstandenen Unpolitischen, wie es Edgar Reitz' ARD-Serie "Heimat" einläutete, und das Privatfernsehen ab Mitte der 80er konsequent fortsetzte? An einem neuen Interesse für Geschichte, auch neuer Offenheit der bundesrepublikanischen Gesellschaft für die Geschichte der NS-Zeit, und, etwa seit der TV-Serie "Holocaust", für neue visuelle Darstellungsformen? Oder am Boom der Geschichtssendungen, der populistischen Infotainment-Darstellungsformen wie in den ZDF-Sendungen Guido Knopps, seit "Hitler - eine Bilanz" (1995), das zwar stark kritisiert wurde, beim Publikum mit seiner Mischung aus B-Movie-Schockästhetik und Einladung zur schlichten Identifikation aber beliebt war?

Syberbergs "Hitler - Ein Film aus Deutschland"

Jedenfalls nahmen die Hitler-Darstellungen auch in Deutschland immer mehr zu - im Ausland gab es sie schon lange, und renommierte Darsteller wie Alec Guiness, Rod Steiger und Anthony Hopkins hatten Hitler gespielt. Am bekanntesten ist aber wohl Mel Brooks' "The Producers", gedreht Ende der 60-er, in dem ein Broadway-Produzent ein Hitler-Musical aufführt. In einer Castingszene schreien Hunderte Hitlers "Sieg Heil", Tänzer formieren sich zu Hakenkreuzen, und der Song "Springtime for Hitler and Germany, Winter for Poland and France" wurde berühmt. Brooks war geschickt. Er kritisiert in dem Film einerseits die Vermarktung und Verpoppung Hitlers, andererseits funktioniert der Film genauso. Hitler, so Brooks, sei "genau wie Elvis eine musikalische Ikone. Man muss ihn seiner posthumen Macht und Mythen berauben".

Die jüngere Hitler-Welle in Deutschland begann langsam, und sie begann im Underground: "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker" von Christoph Schlingensief wurde 1989 gedreht, ein anarchistisches Spektakel, das die Bunkerinsassen am 30. April 1945 als kaputte bürgerliche Familie und Nazi-Wohngemeinschaft zeigt, die noch einmal Weihnachten feiert, und das sich um konventionelle Erzähl-Logik und Historizität nicht schert, das in seinem Geschreie und Durcheinander, seiner Kombination aus Hysterie und Klaustrophobie aber der tatsächlichen Atmosphäre im Bunker näher kommt als jede Minute von "Der Untergang". Christoph Schlingensief hat übrigens auch Helge Schneider seine Premiere als Hitler zu verdanken. In "Menü total" spielt er Hitler als Kind.

Mel Brook's ‹The Producers"

1997 folgte dann Armin Mueller-Stahls gewagtes Regiedebüt "Gespräch mit dem Biest". Auch hier sind Anti-Psychologisierung und Künstlichkeit ein Stilmittel. Mueller-Stahl spielt einen Hitler, der im Bunker überlebt hat, sechs Doppelgänger - u.a. Otto Sander und Harald Juhnke - verpflichtet hat und mit einem US-Historiker redet.

Opa mit Charakterschwächen

2004/2005 war dann wieder Hitler-Saison. Soviel Nationalsozialismus wie in diesem Jahr war nie in den deutschen Kinos und im Fernsehen. Mehr als ein Dutzend Filme thematisierte das Dritte Reich: Eichingers "Der Untergang"(vgl. Geburt einer Nation in der Illusionsmaschine) bot den bisher wohl obszönsten und dümmsten Hitler-Film aus Deutschland. Der deutsche Massenmörder als makkaronikauender Opa mit Parkinson und kleineren Charakterschwächen vermenschlicht. Ein Machwerk über das man hinweggehen könnte, gäbe es nicht die weitgehend unkritischen Reaktionen auf ihn, die den Film zum Skandal machen.

Es war kein Kritiker, sondern der Hamburger Historiker Peter Reichel, der in einem herausragenden Aufsatz zu dieser "Big-Bunker-Story" die treffenden Worte fand, und das aussprach, das auszusprechen sich die deutsche Filmkritik - halb aus mangelnder Analysefähigkeit, halb aus feigem Kadavergehorsam gegenüber Eichinger und der Constantin Film - drückte:

Der Untergang mag ein spannender Film sein für alle, die grelle Farben, schrille Töne, Artillerie- und Maschinengewehrfeuer, Blut, zerfetzte Leiber, Sentimentalität, Fressorgien, Gruppensex und Gruppenselbstmord unterhaltsam finden. Da sich diese Ereignisse aber vor dem Hintergrund eines wichtigen Abschnitts der jüngeren deutschen Geschichte abspielen, ist er auch ein fragwürdiger Film. Zumal Regisseur Oliver Hirschbiegel uns einredet, auch der private Hitler, dem Tode nah, sei eine interessante historische Figur. 'Kein schöner Land' singen die Goebbels-Kinder für 'Onkel Hitler' - bevor sie von der hysterisch-kalten Magda, der 'Mutter der Nation', vergiftet werden. Das ist Todeskitsch, mehr nicht. ... Warum wurde das Publikum vorab durch eine peinlich lobhudelnde Pressekampagne mobilisiert, mit Bild, FAZ und Spiegel als Leitmedien? Der Film ist für jeden, der in der audio-visuellen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mehr als bloße Unterhaltung sucht, eine Zumutung, er ist auf obszöne Weise belanglos.

Besser, aber keineswegs gut war der vierteilige Fernsehfilm "Speer und Er" des mehrfachen Grimmepreisträgers Heinrich Breloer. Der arbeitete wieder mit der speziellen Mischform aus dokumentarischem und gespieltem Material, die er zusammen mit dem Fernsehautor Horst Königstein entwickelt hatte. Im Zentrum des Films stand zwar indirekt Hitler, direkt erzählt der Film aber die Geschichte von Albert Speer, Architekt von Hitlers Monumentalprojekten und Rüstungsminister ab 1942. "Ein reines Scheusal im Mittelpunkt ist nicht so einfach." verteidigte Breloer sein Vorgehen, "Sie brauchen den Spiegel eines Menschen der anfangs anständig war wie Speer."

Breloer gelingt, dies ist ein Gewinn seines Films, der Nachweis, dass Albert Speer nicht nur von der Massenvernichtung der Juden gewusst hatte, sondern aktiv als Täter an der sogenannten "Vernichtung durch Arbeit" seinen Anteil hatte.

Er war schon von Anfang an der Architekt des Todes, wenn man so will und ist immer weiter reingeritten. Er hat die Juden gesehen und hat sich die Juden als schwächste Gruppe der Gesellschaft genommen und sie aus den Wohnungen geschmissen und die Deutschen dort reingesetzt. Der fürs "Schöne" zuständige Mann hat sich mit seinen Architekten reingedrängt in den Russlandkrieg.

Klug besetzte Breloer die Rolle Hitlers mit dem österreichischen Schauspieler Tobias Moretti. Eine überzeugende Besetzung, die Hitler jünger, dynamischer, weniger als Vater, mehr als Verführer erscheinen lässt.

Vor allem der Narzissmus des Autors und die gegenwärtige TV-Mode, jedes noch das beste dokumentarische Material zu halbfiktionalen Mischformen, in "Dokudramen" und "Infotainment" zu verwandeln, verhinderten, dass die durchaus guten Absichten und interessanten Ansätze Breloers noch deutlicher zum Tragen kamen. Breloer will zu viel auf einmal: Dokumentation mit Interviews, Befragung von Angehörigen und Historiendrama. Auch hier kritisiert Peter Reichel hart:

Breloer geriert sich als ein Anwalt des legitimen öffentlichen Interesses an Albert Speer ... Aber er ist ohne Gespür für die Grenze, hinter der die schützenswerte Privat- und Intimsphäre der Angehörigen beginnt und die Befragung sich in Talkshow-Geschwätzigkeit verliert. ... Der Film überwältigt und vermag deshalb nicht zu überzeugen. Sein Umgang mit der Geschichte ist nicht reflexiv, sondern suggestiv.

"Zu Gast im Berghof"

Über 60 Jahre hält die Faszination für Hitler ungebrochen. Das ist nicht allein in Deutschland so, schon wahr. Aber wer sich an einem normalen Fernsehtag durch Deutschland zappt, kommt um die Nazis kaum herum. Irgendwo, bei Phoenix oder N 24 oder oft genug in einer der vielen Guido-Knopp-Konservenaufbereitungssendungen des ZDF - von "Hitlers Helfer" bis "Hitlers Hunde" -, bellt der Führer eine Rede, grüßt die Wehrmacht mit "Sieg Heil!", marschieren Riefenstahls Massen. Was seine Wirkung aufs Publikum angeht, ist er die populärste Figur, die es in Deutschland gibt. Fehlt eigentlich nur noch eine Kochsendung "Zu Gast im Berghof" auf arte mit Sarah Wiener selbstredend, die dann gemeinsam mit Bruno Ganz "Makkaroni mit Tomatensouce, Gerstenauflauf mit Kaperntunke, Kirschsaft mit Leinsamenschrot, Gerstenschleimsuppe und Knäckebrot" (nach dem Rezept in Albert Speers 'Erinnerungen') zubereitet. Und eine Daily-Soap "Verliebt in Berlin" mit Adolf, Eva, Blondie und Speer als Quotenschwulem. Wird alles noch kommen, ist nur eine Frage der Zeit. Erstaunlich, dass uns zu Hitler immer noch etwas einfällt, und was uns einfällt, obwohl Karl Kraus schon 1933 meinte "Mir fällt zu Hitler nichts ein."

"Zu Hitler muss uns immer wieder etwas einfallen." meint hingegen Georg Seeßlen, Kritiker und Autor zahlreicher Filmbücher, in einem Text mit eben jenem Titel im Presseheft des X-Verleihs. Der Anlaß: Nach der Phase der realistischen oder pseudo-realistischen Rekonstruktion - sich allen Ernstes in Hitler einfühlen zu wollen, welch ein Irrsinn! - versucht sich die deutsche Filmkunst jetzt mit "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" von Dani Levy, der zur Zeit auch folglich in jedem Text als "jüdischer Filmregisseur" bezeichnet wird, erstmals an einer Hitler-Parodie. Natürlich weiß Levy, dass die Tatsache, dass er Jude ist, ihm hier trotzdem keine Narrenfreiheit gibt. Aber natürlich weiß er auch, dass er sich in der Hinsicht mehr erlauben kann als Nichtjuden.

Dani Levy: "Mein Führer"

"Dürfen wir über Hitler lachen?" fragen jetzt alle in Texten über den Film, und man ist nicht ganz sicher, welche Antwort sie eigentlich hören wollen. Und wen fragt man? Einen Historiker? Ein Opfer? Angela Merkel? Und wollen die, die das fragen, vom Juden Dani Levy den Persilschein zum Lachen ausgestellt bekommen? "Müssen wir über Hitler lachen?", könnte man auch fragen. Und "Sollen wir über Hitler lachen?" Wie witzig Nazis sind, kann jeder selber testen, wenn er in der U-Bahn oder bei einem Ausflug nach Ostdeutschland einmal probeweise ein paar Skin-Heads auslacht. Aber so meint es Levy natürlich auch nicht. Obwohl er nicht darum herum kommt, in all diese Fragen verstrickt zu sein. Warum nicht lachen über Hitler? Alles ok, jeder darf. Ist nur nicht so einfach für einen Filmemacher, dass da wirklich gelacht wird. Ihr werdet schon sehen. Denn "Mein Führer" ist gar nicht so witzig. Ein Irrtum wäre, dies als Komödie zu verstehen.

Die Fassade als Zeichen der Fassade

Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!

Kurt Tucholsky, der Satz ist "Mein Führer" vorangestellt

Beim Lachen über Hitler muss es also wohl um etwas anderes gehen. Seeßlen beschreibt in seinem Text auch das Paradox, dem sich jede Hitler-Darstellung, nicht nur Komödien konfrontieren muss:

Tatsache ist, und das scheint überhaupt nicht lustig: Hitler ist komisch.

Das Problem jeder Hitler-Komödie ist, dass sie eine Karikatur karikieren muss. Denn Hitler hatte ja immer schon alle Rollen selbst besetzt. Bereits 1937 machte der emigrierte Filmregisseur Berthold Viertel auf diesen Umstand aufmerksam: "Schwer, über deutsche Schauspieler zu sprechen, seit der Eine sie alle zu Komparsen gemacht hat - er, der sämtliche große Rollen der Geschichte und der Literatur verkörpert, von Christus bis Caesar und, vielseitig wie Zettel, der Weber, die heilige Johanna noch dazu." Will man Hitler zeigen, dann muss man sich mit dem Bild befassen, das er von sich geben wollte.

Wenn man das reflektiert, dann kann es keine Komödie werden, und weil Dani Levy das begriffen hat, ist sein Film auch etwas anderes, mehr eine Groteske: "Mein Führer" ist also durchaus gelungen und gehört zum Intelligentesten, Subtilsten, was das deutsche Kino bisher zum Thema Hitler zustande gebracht hat. Ein Anti-"Untergang", der sich nicht zuletzt über deutsche Hitler-Filme lustig macht. "Mein Führer" ist mehr grotesk als witzig, und sitzt nie dem hohlen Pathos des Faschismus auf, dem noch die verfallen, die Hitler dämonisieren.

Der Film zeigt dicke hässliche Deutsche, die immer alle fortwährend "Heil Hitler" sagen müssen, und alle aussehen wie bei "Hogan's Heroes". Aber diese Uniformen stehen den Deutschen schon gut. Der Film zeigt Hitler als Schwächling, Bettnässer mit Alpträumen, der Kartoffeln mit Quark essen will, Fotos von Speer und Blondie auf dem Schreibtisch hat und ein Vaterproblem. Man hätte ihn nur noch psychoanalysieren müssen, denn er war "auch nur ein unglückliches Kind". Der Film zeigt einen schlechten, weinerlichen Schauspieler, der Schauspielunterricht nimmt, sich Schauspieltechniken aneignet. Der Film zeigt die berühmte Nazi-Straße in den Studios Babelsberg, wo schon "Aimee & Jaguar" und "Rosenstraße" und "Der Pianist" gedreht wurden, und er zeigt sie als Fassade.

Die Fassade als Zeichen der Fassade. Damit auch die Nazi-Darstellungen in ihrem Fassadencharakter. Eigentlich ist dies ein Film über die Inszenierung der Macht, über die Kulissen und potemkinschen Dörfer, die falschen, gefälschten, gemachten Bilder, auf denen der schöne Schein der Diktatur beruhte, und denen die Deutschen unkritisch verfielen.

Levys kluger Film zeigt, dass "Dürfen wir über Hitler lachen?" die falsche Frage ist: Infam wäre es jedenfalls, mit ihm zu lachen. Gefährlich wäre ein geschmackloser Anti-Tabu-Humor à la "Borat", den manche Enttäuschte jetzt einfordern, ein Humor, der sich darin gefällt, "politisch unkorrekt" zu sein und das auch noch als "jüdischen Witz" verkauft. Aber letztendlich lacht man dort über die Opfer, nicht über die Täter. Levy vermeidet solche kindische Veralberung und er erzählt auch nicht wie Roberto Begnini in "Das Leben ist schön" eine Überlebensgeschichte inmitten des Mordens. Hier wird am Ende keiner mit gutem Gefühl aus dem Kino kommen. Dämonie hat Goebbels, der zwar Kölsch spricht, aber in dieser Gemütlichkeit, dass - "Das mit der Endlösung, das dürfen sie nicht persönlich nehmen." - so dämonisch wirkt, dass es einem Angst werden kann.

Levy entlarvt das Klischee vom Lachen, "das uns im Hals stecken bleibt." Denn beim Thema Hitler steckt das Lachen immer schon vorab fest. Levy holt es heraus, befreit es, und zeigt, ähnlich wie einst Chaplin, was Hitler eigentlich war: Der schrecklichste Schmierenkomödiant der Geschichte, den die Deutschen hätten auslachen sollen, anstatt ihn ernst zu nehmen.

Am Schluß ist der Film sogar pathetisch. Levy zitiert, nachdem er jeden Hitler-Film durchzitiert hat, noch einmal "The Great Dictator", die berühmte Schlussrede und ruft den Deutschen zu: "Heilt Euch selbst! Warum? Weil wir verstehen wollen, was wir nie verstehen werden."

Das Vorgehen ist völlig richtig. Besser kann man es eigentlich nicht machen. Die Frage ist allerdings, ob Dani Levy der Richtige dafür ist. Er redet klug:

Adolf Hitler ist keine Einzelbiographie. Das Phänomen Adolf Hitler ist zugleich das Phänomen seiner Zeit. ... Hitler war eine Projektionsfläche für die Deutschen. Politisch formuliert: Jedes Volk verdient seinen Diktator. Adolf Hitler hatte deshalb diese große Gefolgschaft, weil er etwas vertreten hat, was unten im Volk wiedererkannt wurde. Rede ich über Adolf Hitler, rede ich also auch über eine Zeit. Über eine Moral, über Eckdaten, über Parameter einer Volksbefindlichkeit.

Aber der Film löst das alles nicht wirklich ein, denn so ganz hat er sich am Schluss nicht getraut, und immer denkt man, dass der Film zwischen zwei Hitler-Bildern schwankt, dem bösen und dem lächerlichen.

Lauter letzte Tage

So weit, so gut. Aber trotz allem, trotz sichtbarer Gegenwehr - aber wegen der ebenso sichtbaren fehlenden Energie - schreibt sich der Diskurs der deutschen Hitlerei auch in diesen Film ein. Blickt man genau hin, hat der Film allzu viele Gemeinsamkeiten mit seinen Vorgängern: Das Interesse an Täterbiographien. Die Abwesenheit der Frauen. Die Tendenz zum "Privaten", Individuellen daran "die Menschen" zu sehen, etwas "zu erleben". Das Private als Modus des kollektiven Erlebens. Das Geplapper der Regression. Die Emotionalisierung. Der Verzicht auf Bilder der Opfer.

"Mein Führer" ist kein schlimmer Film, kein Skandal. Aber er ist auch nicht wirklich nötig. Im Laufe des Films entpuppt sich das Lachen nur als die andere Seite der Ästhetisierung, einer Unterhaltungskultur, die alles vereinnahmt und zum Amüsement nivelliert, und die sich auch Hitlers längst bemächtigt hat. Hitler ist ein Pop-Star. So ist es jetzt. Muss man ihn deswegen lustig finden? Andere Popstars wünschte man doch auch auf den Mars, wünschte, sie wären nie geboren worden. Ist man ein Spaßverderber, wenn einem auch hier irgendwann einfällt, dass doch der Respekt gegenüber den Opfern Hitlers dafür sorgen könnte, dass man hier nicht lachen kann. Hitler fielen mindestens 15 Millionen Menschen zum Opfer. Er war eine Katastrophe, und daran ist nichts Komisches. Wenn schon lachen, angesichts von soviel Toten, dann sollte man etwas davon haben. Was haben wir von "Mein Führer"?

Zwei Schluß-Fragen: Ist eigentlich noch niemandem aufgefallen, dass alle diese deutschen Hitler-Spielfilme, von "Der letzte Akt" über Schlingensief und Mueller-Stahl, "Untergang" und "Mein Führer", so himmelschreiend unterschiedlich sie auch alle sein mögen, sich immer um "die letzten Tage" drehen, um das Ende im Führerbunker? Es ist, als ob das deutsche Kino, bei all seinen peinlichen Anbiederungs- oder Distanzierungsbemühungen und beim schleimigen Hineingekrieche in des Diktators Seele, so oder so also, Hitler immer nur als Verlierer und Geschlagenen erträgt.

Nur in der Niederlage hat man ihn im Griff. Oder sind zumindest darin alle doch Gefangene des Krypto-Wagnerianismus von Joachim C. Fest, der zumindest im Untergang des Dritten Reichs die Größe Roms wahrnehmen wollte? Warum nie den Sieger Hitler, nie Hitler in Paris? Immerhin Breloer ist eine Ausnahme, aber auch nur im Rückblick Speers aus der Haft, und außerdem ist das eben doch mehr Dokumentation.

Und warum, verdammt nochmal nennt Levys Film Hitler immer "Führer"?

Literatur

Sven Kramer (Hg.): "Die Shoah im Bild"; edition text+kritik, Augsburg 2003
Dietrich Kuhlbrodt: "Deutsches Filmwunder. Nazis immer besser"; Konkret Literatur Verlag
Walter Maser (Hg.): "Paul Devrient: Mein Schüler Adolf Hitler"; Bornheim 2003
Walter Moers: "Adolf. Der Bonker"; Piper Vlg, München 2006
Peter Reichel: "Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater"; Hanser Vlg., München 2004
Peter Reichel: "'Onkel Hitler und Familie Speer'" - die NS- Führung privat"; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 31.10.2005