Condoleeza Rice auf Nahost-Tour

Abbas und Haniya gegen "vorläufigen Palästinenserstaat"

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US-Außenministerin Condoleeza Rice kam zwar heute nach eigener Aussage ohne vorgefertigten Friedensvorschlag in der Tasche nach Ramallah. Ihre Zustimmung zum von ihrer israelischen Amtskollegin Plan drang jedoch bereits durch. Tzipi Livnis Vorschlag sieht vor, die israelischen Sperranlagen aus acht Meter hohen Mauern und Zäunen als „vorläufige Grenzen“ eines palästinensischen Staats anzuerkennen. Präsident Mahmud Abbas, den sie in Ramallah traf, lehnte diesen Plan bereits vergangene Woche rundweg ab. Auch Abbas´ Opponent, Ministerpräsident Ismail Haniya (Hamas), verurteilte den Vorschlag als „israelischen Plan“.

„Wir sagen es frei heraus“, so Abbas letzten Donnerstag in Ramallah vor Zehntausenden von Fatah-Anhängern anlässlich des 42. Jahrestags der Gründung ihrer Bewegung. „Ja, wir wollen Frieden, aber es muss ein Frieden sein, der auf Gerechtigkeit beruht.“ Er verurteilte eine „Politik mit zweierlei Maßstäben“ und verlangte, dass sich nicht nur die Palästinenser, sondern auch Israel an internationales Recht halten müssen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag urteilte 2004, dass die israelischen Sperranlagen innerhalb des Westjordanlands illegal sind und abgebaut werden müssen. Sie verlaufen zu 80 Prozent innerhalb der palästinensischen Gebiete (Eine simple Sache). Eine Anerkennung dieser Linie als temporäre Grenze durch die USA ist für Palästinenser nur ein weiteres Zeichen dafür, dass diese nicht an einer israelisch-palästinensischen Friedenslösung interessiert sind.

„Kommt da etwa schon wieder so ein `Friedensprozess´?“, fragt George Giacaman, Politikprofessor an der palästinensischen Universität von Birzeit. „Offenbar wurde aus dem gescheiterten Oslo-Prozess nichts gelernt. Dabei müsste doch jetzt klar sein, dass `vorläufige´ Abkommen mit offenem Ende hier Selbstläufer sind bis zum nächsten Zwischenfall.“

In einem Elektroladen in der Altstadt Ramallahs waren die Kunden am Samstag noch emotionsloser. „Wer kommt jetzt schon wieder?“, fragte ein Mann den Inhaber, als ein Bericht zum Rice-Besuch im Fernsehen lief. „Einmal kommt der, mal der andere“, so die Antwort auf dessen Klarstellung. Vor ein paar Wochen traf sich Tony Blair mit Mahmud Abbas. Letzte Woche war Horst Freitag, der deutsche Unterhändler, in der Stadt. Nach der Ansicht vieler zeitigte bisher nur der Besuch des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell im April 2002 Erfolge. Damals ließen nämlich die in der Stadt befindlichen israelischen Soldaten für einige Stunden ihre Waffen ruhen.

Die bisherigen Vermittler konnten die israelische Regierung bisher noch nicht einmal dazu bringen, ihre Versprechen vom Dezember umzusetzen. Damals sagte Ministerpräsident Ehud Olmert die Auszahlung von 100 Millionen US-Dollar an die Palästinenser zu (Abbas und Olmert wollen "Vertrauen aufbauen"). Das wäre etwa ein Sechstel der von Israel seit März zurückgehaltenen Steuer- und Zolleinnahmen. Eine Erleichterung der Bewegungsfreiheit innerhalb des Westjordanlands wurde entgegen der Zusagen auch nicht umgesetzt. „Es hat sich kaum etwas geändert“, findet die israelische Tageszeitung Haaretz.

Interner Konflikt wichtiger

Der palästinensische Alltag wird derzeit vom bewaffneten internen Konflikt zwischen Fatah und Hamas bestimmt. Beide Organisationen sind offenbar nicht mehr in der Lage, ihre bewaffneten Anhänger zu kontrollieren. Nachdem es im Gazastreifen mittlerweile täglich zu Schießereien und Entführungen kommt, bei denen auch Unbeteiligte Opfer werden, hat sich der Konflikt im Westjordanland in den letzten drei Wochen verfestigt. In Ramallah wurde vor einer Woche ein Direktor des Innenministeriums (Hamas) entführt und nur nach Schüssen in beide Beine wieder entlassen. 22 Geschäfte, deren Inhabern Hamas-Nähe nachgesagt wird, wurden abgebrannt oder beschossen. Aus anderen Städten wird ähnliches berichtet. Und in kleineren Orten, in denen die Hamas die Gemeinderatswahlen gewann, wurden die Rathäuser beschossen. Bisher gehen alle Angriffe auf Fatah-Milizen zurück. Die Hamas schlug im Westjordanland bisher noch nicht zurück.

Derweil hat Präsident Abbas die Hamas und seine eigene Organisation wieder dazu aufgerufen, eine Einheitsregierung zu formen. Sollte das in den nächsten zwei Wochen nicht zum Erfolg führen, will er ein Datum für vorgezogene Neuwahlen festsetzen. Am Samstag einigte sich die Regierung (Hamas) zumindest mit der Angestelltengewerkschaft (Fatah) der Autonomiebehörde. Der seit Anfang September währende Streik im öffentlichen Sektor soll nun beendet werden.