5 Millionen warten auf einen Besitzer

Bisher wird das Metis-System der VG Wort noch kaum angenommen

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Im Jahr 2005 betrugen die Einnahmen der VG Wort aus der Brennerabgabe 10,64 Millionen €. Die Gelder sollen ab 2007 erstmals etwa zur Hälfte für Internet-Texte ausgeschüttet werden. Hinzu kommen Rückstellungen von den Einnahmen aus den vergangenen Jahren (Geldsegen für Blogger?). An wen sie verteilt werden, ist allerdings noch völlig offen. Seit 1. Januar läuft bei der VG Wort das Metis-System, mit dem ermittelt werden soll, was an wen für Internet-Veröffentlichungen ausgeschüttet werden soll. Doch bisher enthält kaum eine deutsche Website ein für die Zählung notwendiges VG-Wort-Pixel.

Fast einen Monat nach dem Start des Metis-Systems lassen sich mehr Berichte über Metis als eingebaute Pixel ergoogeln. Auch Stichproben in den Online-Texten der großen Verlage ergeben kein anderes Bild: Nirgendwo sind dort Zählpixel eingebaut.

Auf die Frage nach Nennung einiger Verlage, die sich an Metis beteiligen und Pixel einbauten, reagiert die Verwertungsgesellschaft ausweichend und verweist darauf, dass sich das System immer noch in der "Startphase" befinde. Die VG Wort fordert hier "noch ein wenig Geduld" für "alle Beteiligten", um "alle Probleme aus dem Weg zu räumen". Allerdings läuft die Zählung für die Ausschüttung schon. Auf die Frage wer denn nun konkret eine Teilnahme am Metis-System plane und wer nicht, kann die VG Wort allerdings nur Chip nennen, und führt als Begründung an, dass manche Verlage "sensibel" reagierten, wenn man an Dritte weitergibt, was sie zu tun beabsichtigen. Aufschlussreicher ist ein anderes genanntes Argument: Dies gelte besonders "wenn noch nicht eindeutig klar ist, ob man das Risiko eines gewissen Aufwandes eingehen soll, wenn man noch nicht weiß, wie hoch eine mögliche Ausschüttung ausfallen wird".

Direkt angesprochen, wollen sich großen Verlage tatsächlich nicht offiziell zu Metis äußern. Hinter vorgehaltener Hand kommen aber immer wieder Bedenken vor "Spyware" zum Ausdruck. Bei Web-Portalen hört man auch die Angst vor einer Heranziehung zu Zahlungen für die Autoren bei einem Wegfall von Geräteabgaben.

Die Bürokratie gilt ebenfalls als sensibler Punkt. Hat doch die VG Wort bei der Meldung von Internet-Texten einen Kernbestandteil des von ihr kritisierten Digital Rights Management integriert: die Rechtsunsicherheit qua möglicher Lizenzwillkür (Content is King! oder die Diktatur des Kleingedruckten). Autoren und Verlage müssen bei jedem Meldevorgang zwei sehr langen Texten per Mausklick "zustimmen". Theoretisch können sich die Texte bei jeder Meldung ändern und müssen deshalb jedes Mal neu durchgelesen werden.

Wenn sich die Verlage auch weiterhin nicht beteiligen, dann scheint Metis weniger zu einer Ausschüttung an eine breite schreibende Masse zu werden, als eine Art Förderpreis für einige wenige Dissertationen, die die magische Schwelle von 3000 Hits nach VG-Wort-Zählung überschreiten und dann mit einer Ausschüttung in lottogewinnartiger Höhe rechnen dürfen. Verändert sich die Ausschüttungspraxis bei der VG Wort also in Richtung GEMA, hin zu einer Umverteilung von Vielen an Wenige und von unten nach oben? Aber vielleicht geht der Hauptgewinn ja auch an Ulrike M. Dierke mit ihrem Designblog - wenn sie es schafft, den Text lange genug unverändert zu lassen.

Einige der wenigen Seiten, die bisher an der Zählung teilnehmen wollen, dürften bereits an der technischen Seite von Metis scheitern. Der Verlag Ernst Probst etwa muss das mit dem Einbau des Zählpixels wohl noch üben - auch wenn der erste Versuch optisch durchaus eindrucksvoll geraten ist.

Der von "Corvus Corax" im Telepolis-Forum angestellten Vermutung, dass moderne Browser auch korrekt eingebaute Zählpixel als Webbugs ignorieren, widerspricht die VG Wort allerdings: Danach ist es mit keiner Standardeinstellung eines Browsers möglich, die Zählung zu unterdrücken. Nach Angaben der Verwertungsgesellschaft zählen sowohl die Internet Explorer 6 und 7, als auch Firefox 1.5 und 2.0 das VG Wort Pixel in der Voreinstellung. Ein Versuch mit einer Testseite und Rückfragen über den Zählstand ergab, dass zumindest bei Firefox 2.0 wahrscheinlich eine Zählung erfolgt.

Umgehen lassen sich die Zählungen nach Ansicht der VG Wort nur durch eine Manipulation des DNS und mittels Proxy-Servern, indem der Zugriff auf URLs der Form http://*.vg00.met.vgwort.de/* [^]unterbunden wird, was aber von Hand eingestellt werden muss. Auch mit Werbefiltern kann der Zugriff unterbunden werden, aber auch das erfordert Konfigurationsaufwand. Bei abgeschalteten Cookies und deaktiviertem JavaScript bekommt die Pixel-Box zwar weniger Daten übermittelt, die Zählung erfolgt nach Auskunft der VG Wort aber trotzdem.

Das eröffnet allerdings auch Möglichkeiten, Seitenaufrufe für eigene Texte zu generieren: Etwa indem man den Befehl "ipconfig /renew" (mit dem eine neue DHCP-Adresse geholt wird) in eine Datei mit der Endung ".cmd" einträgt und diese sowie einen Seiten-Reload mit Software wie CRONw in regelmäßigen Abständen automatisch ausführt.

Sollten sich weiterhin nur sehr wenige Online-Veröffentlichungen an Metis beteiligen, schwächt das die Legitimation von Abgaben auf elektronische Geräte. Erst letzte Woche erlitt die VG Wort vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eine empfindliche Niederlage. Die Gegenseite hatte unter anderem damit argumentiert, dass von der Ausschüttung betroffene Texte erst ausgedruckt werden könnten, wenn sie vorher eingescannt würden – ein Argument, das bei einer breit gefächerten Ausschüttung der Abgaben für Internet-Texte zum Teil entwertet würde.

Am Montag befasste sich auch die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" in einer öffentlichen Anhörung mit der Wahrnehmung von Urheber- und anderen Schutzrechten durch die Verwertungsgesellschaften. Vor allem die GEMA, die für kopiergeschützte Medien Einnahmen aus der Leermedien- und Geräteabgabe ausschüttet, sieht sich schon seit längerem auch Kritik von Seiten der eigenen Mitglieder ausgesetzt. Sie fordern mehr Transparenz und eine gerechtere Verteilung. Die Debatte wird am Mittwoch von 9.30 – 13 Uhr im Parlamentsfernsehen gesendet.